Editorial
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Im ersten Betrag beschreibt Willers Amtrup, wie wieder einmal an den Grundfesten des Papiertheaters gerüttelt wird – mit zweifelhaftem Erfolg.
Aus ihrer Zeit in Afrika erzählt Irmela Kopp von der Begegnung mit der sagenumwobenen Königin von Saba und – dokumentiert auf Fotos faszinierender Szenenbilder –, wie sie dieser zu einer Bühnenkarriere verholfen hat.
Lang erwartet: die 2. Stunde von Hans-Jürgen Gesches Kleiner Papiertheater-Hochschule – hier kommt alles, was Sie zum Thema Ouvertüre! wissen sollten. (siehe Nr. 2 Seite 5)
(rs)
INHALT – Nr. 6 – März 2008
Willers Amtrup über das Experiment einer Opernaufführung Seite 2
Irmela Kopp bringt in Afrika eine Königin auf ihre Papiertheaterbühne Seite 3
Hans-Jürgen Gesches Kleine Papiertheater-Hochschule – 2. Stunde: Die Ouvertüre Seite 4
Diese GlÜbirne von Robert Poulter gab
wÄhrend
einer Vorstellung von »OH! – Smith«
am 10. September 2007 den Geist auf.
Das PapierTheater Nr.6 SEITE 2 März 2008
Aufführungskritik
Papiertheaterbühne mit Kamera – im Hintergrund die ProjektionsflÄche
Der geliebte Adonis
„in einem Singe-Spiel auff dem Hamburgischen Schau-Platze vorgestellet“
Text: Christian Heinrich Postel
Musik: Reinhard Keiser (1697)
Die Glocke Bremen, Kleiner Saal
24. Januar 2008
(weitere Aufführung am 25. 1. 08)
Ensemble Weser-Renaissance
Musikalische Leitung: Manfred Cordes
Sänger: Franz Vitzthum (Alt), Ulrike Hofbauer (Sopran), Dominik Wörner (Bass), Jan Kobow (Tenor), Monika Mauch (Sopran), Margaret Hunter (Sopran), Knut Schoch (Tenor)
Inszenierung und Spiel: Gesa Wellmann (geb. 1988), Markus Wulf (geb. 1985)
Vor einer kleinen Ewigkeit – nämlich im Jahre 1999 (PapierTheater Nr. 12/S. 10) – habe ich über Per Brink Abrahams’ Experiment berichtet, seine Adaption des „Ring des Nibelungen“ im Großen Haus des Oldenburgischen Staatstheaters auf seiner gar nicht so kleinen Bühne aufzuführen, diese Aufführung zeitgleich mit einer Videokamera abzufilmen und auf eine Großbildleinwand zu projizieren.
Vergleichbares geschah vor wenigen Tagen in Bremen in der „Glocke“ vor über 400 Zuschauern – und mein Eindruck war ähnlich gespalten wie seinerzeit in Oldenburg.
In einer konzertanten Fassung gegeben wurde die aus dem Jahre 1697 stammende, auf rund zwei Stunden Spielzeit verkürzte barocke Oper „Der geliebte Adonis“ des seinerzeit in Hamburg wirkenden, hochangesehenen – und zu Unrecht weitgehend vergessenen – Komponisten Reinhard Keiser.
Die Musik, die auf weite Strecken mit der Händels oder Telemanns, des damaligen Mitstreiters Keisers am Opernhaus in Hamburg, durchaus mithalten kann, ist in diesem Zusammenhang nicht mein primäres Thema. Nur so viel sei berichtet, daß sie auf begeisternde Weise vom renommierten, auf alten Instrumenten spielenden Ensemble Weser-Renaissance und sieben exzellenten Sängern dargeboten wurde; das war ein umjubelter musikalischer Hochgenuß!
Doch nun zum eigentlichen Anliegen – deshalb mein Hinweis auf die „Konkurrenz“: Wohl zur Verwunderung der allermeisten Konzertbesucher war auf dem Podium hinter den Musikern eine offensichtlich selbstgebaute Miniaturbühne mit einer Bühnenöffnung von nur etwa 60 mal 80 Zentimetern aufgestellt, vor ihr eine Videokamera und an der Rückwand des Podiums eine große Projektionsleinwand.
Der junge Filmemacher und Regisseur Markus Wulf, der in Oldenburg am Theater-Laboratorium arbeitet, und die bisher weitgehend schriftstellerisch wirkende Mitspielerin Gesa Wellmann begleiteten das musikalische Geschehen auf diesem etwas vergrößerten Haustheater herkömmlicher Prägung und projizierten ihre abgefilmten Aktionen auf die Leinwand.
Wer nahe genug am Podium saß, konnte das Spiel direkt verfolgen, doch die meisten Zuschauer waren auf die Leinwandprojektion angewiesen, empfanden das nach der allgemeinen Reaktion aber offensichtlich nicht als Manko – denn wer von ihnen hatte wohl schon einmal eine echte Papiertheater-Aufführung erlebt?
Was die beiden Spieler boten, war vielfach reines Papiertheater mit selbst entworfenen, auf offener Szene gewechselten Dekorationen und Figuren, mit vielen klassischen Zutaten wie einer hervorragend funktionierenden Wellenmaschine, springenden Delphinen, auf- und abtauchenden oder durch die Luft einschwebenden Götterfiguren und sehr einfühlsam auf die Musik abgestimmter Figurenführung.
Der durch Preetz Verwöhnte vermißte allerdings schmerzlich eine adäquate Lichtregie, die leider vollkommen fehlte, und der 2. Akt blieb auf der Großleinwand nahezu unsichtbar, weil der offenbar verdrehte entscheidende Strahler die untere Bühnenhälfte im Dunkel ließ.
Andererseits könnte manches aus dieser Aufführung durchaus Vorbildcharakter für zukünftige Preetzer Produktionen haben. Gestandene Opernregisseure können ein Lied davon singen, welch harte Arbeit es ist, eine Barockoper unterhaltsam zu inszenieren, in der außer vielfachen Intrigen und endlosen Arien bekanntlich nicht sonderlich viel geschieht.
Schon im Barock war – natürlich außer den bewunderten Kastraten – das optische Spektakel meist wichtiger als die Musik selber. Die beiden offen sichtbar agierenden Spieler bewegten nicht nur ihre Figuren, sondern brachten sich mehrfach selbst in das Spiel ein, stellten gleichsam selbst mitwirkende Dei ex machina dar, die mit ihrer Hand Figurinen auf die Bühne trugen oder entfernten (leider tauchten diese Hände etwas zu oft auf, so daß sich der Effekt allmählich abnutzte), Wolken flattern ließen oder gar selbst in der Bühnenöffnung erschienen.
Eindrucksvoll die Szene, in der Gesa Wellmann mit ihrem Oberkörper auf der Bühne lag und mit den Menschen – den Figurinen – spielte; köstlich eine andere, in der sie bei geöffnetem Hintergrund ein von einer komischen Figur der Oper gesungenes Spottlied auf die Frauen mit einem lautlosen Schwatz am Telefon begleitete.
Und als eine bestimmte Arie überhaupt kein Ende nehmen wollte, ließen die beiden die Figuren einfach auf der Bühne stehen, setzten sich selbst davor und ließen sich beim gemütlichen Verzehr eines Pausenbrotes abfilmen. Das war gekonnt, durchaus eigenständig und der konkreten Handlung angepaßt und erinnerte in Teilen an Aufführungen von Peter Schauerte-Lüke oder Great Small Works. Kompliment! Zur Nachahmung empfohlen!
Aber die Videoprojektion! Schon Per Brink Abrahamsens Experiment zeigte, daß es so nicht geht; ich kann mich eigentlich nur wiederholen: Abgefilmtes Papiertheater wirkt flach, die Vergrößerung zerstört den von der kleinformatigen Bühne ausgehenden Reiz und läßt Dekorationen und Figuren unscharf erscheinen, die Projektion verändert alle (bei dieser Aufführung sowieso nicht sehr ausgeprägten) Farben und läßt sie blaß und oft langweilig erscheinen; wenn dann die Beleuchtung stereotyp ist oder (2. Akt) gar nicht stimmt, wird man eher traurig.
Hier geht es nicht nur um bloße Ästhetik: Das Bühnenbild des Papiertheaters ist ein Lichtfenster innerhalb eines ansonsten abgedunkelten Raumes. Das bewirkt eine Intensität und Fokussierung der Wahrnehmung, eine geradezu sinnliche Konzentration auf das Bühnengeschehen, die bei der Großprojektion vollkommen verlorengeht.
Trotz dieser Einschränkung war es ein wunderbares Hör- und ein interessantes, vielfach genußvolles Seherlebnis.
In weiss Die beiden Spieler …
… und die Darsteller auf der PapiertheaterbÜhne
Das PapierTheater Nr.6 SEITE 3 März 2008
Mogadischu 1989
Die KÖnigin von Saba beim Bade. Der sprechende Vogel Salomos am Fenster.
1974 war Irmela Kopp ihrem Mann nach Somalia gefolgt, der in Afrika als Architekt in verschiedenen Entwicklungshilfeprojekten arbeitete. Leider war dies für sie nur eine kurze Zeit, denn nach anderthalb Jahren brach Krieg in Mogadishu aus.
Das Papiertheaterstück hat 7 Szenen und dauert 50 Minuten. Irmela Kopp und ihr Mann Cristoph spielen live und führen in Galerien, Museen, privat und manchmal auch in Schulen auf. Bilder und Kulissen sind Collagen mit Material aus Zeitschriften, Kunstbüchern und -kalendern.
Wer war die Königin von Saba?
Die Königin von Saba ist nach allgemeiner Auffassung eher eine legendäre denn eine geschichtliche Figur. Sie soll im 10. Jahrhundert vor Christus eine Reise nach Jerusalem unternommen haben, deren älteste schriftliche Erwähnungen in der Bibel zu finden sind. Heutigen Erkenntnissen zufolge lag ihr Reich Saba im heutigen Jemen, partiell wohl auch im Raum Aksum in Äthiopien.
wikipedia
Zeinab zu begegnen war wirklich ein besonderes Glück.
Wir hatten schon in verschiedenen Ländern Afrikas gelebt, aber Somalia empfand ich als besonders schwierig, und in der chaotischen, geheimnisvollen Stadt Mogadischu traf ich Zeinab, und mit ihr wurden für mich Türen zu einer fremden Welt geöffnet. Wir wurden Freundinnen und sind es heute noch.
„Wollen wir ,Lippen der Schönheit‘ backen oder willst Du ,Frauenschenkelchen‘ versuchen?“ fragte Zeinab und suchte in der Küche schon nach Mehl. Ich musste lachen, Gebäck mit solchen Namen musste besonders lecker sein. Doch Zeinab zwitscherte weiter: „Das sind alte Rezepte, uralt, die hat die Königin von Saba schon geliebt.“ Sie kramte weiter und rief dann: „Du hast ja nicht mal Rosenwasser und Sesamöl und Kardamom und Ingwer hast Du auch nicht. Komm, wir müssen erst auf den Markt,“ und wollte mich mit sich ziehen. Dabei sah sie auf mein kurzes Sommerkleid. „Alhamdullilah, Deine nackten Beine, so kannst Du nicht auf den Markt gehen, zieh Dir schnell einen langen Rock an.“
In ihrem klapprigen Pickup fuhren wir auf buckligen Lehmstraßen zu einem riesigen, geräuschvollen, für mich unübersehbar großen Markt.
Zeinab wusste wo alles zu finden war, grüßte im Vorbeigehen viele Händler mit: „subah wanaagsan“ und stand plötzlich mit mir vor den großen Papiersäcken der Weihrauchhändler.
Kleine Krümel, große Krümel, dickere Klumpen und alles beige, grau und staubig. Zeinab handelte und kaufte schließlich und steckte sich ein kleines Klümpchen in den Mund und hielt mir auch eins hin. „Da, musst Du auch mal kauen. Das ist Bilquis-Weihrauch. Ist gesund und gut für die Zähne.“
Ich kam mit meinen Fragen gar nicht hinterher, so plapperte Zeinab.
„Ja, Bilquis ist der Name der Königin von Saba, die hat diesen edlen, hellen Weihrauch auch schon gekaut. Außerdem hat sie säckeweise Weihrauch dem König Salomon zum Geschenk gemacht, als sie ihn besuchte.“
Wir waren auf dem Markt in der Stoffabteilung angekommen. Ein wahres Eldorado für jede Frau und zwischen all den schleierhaften Geweben, zwischen Gold und Glitzer sah ich eigenartige Gestelle und fragte: „Zeinab, guck mal, soll das ein Lampenschirmgestell sein?“ Sie lachte hell auf. „Lampenschirm? Nein, so was brauchen wir hier nicht. Komm, ich zeige Dir zu Hause, was man damit macht.“
Wieder zu Haus, tat sie ein paar glimmende Holzkohlestückchen auf ein winziges Stövchen und tat Weihrauchkrümel auf die Kohle. Sofort löste sich der Weihrauch in duftende Schwaden, und sie stülpte den „Lampenschirmständer“ darüber und hüllte meinen langen Rock über den Ständer.
„Alhamdullilah, jetzt sollst Du mal sehen, wie gut Dein Rock nachher riecht. Das hat die Königin von Saba auch schon so gemacht. Die mochte wahnsinnig gerne gute Düfte und auf ihrer langen Reise durch die Wüste, auf dem Weg zu Salomo, hat sie abends im Zelt ihre Kleider über Weihrauch einduften lassen – sagt man das so? Einduften?“
„Doch, doch, einduften ist schon gut. Vor allem, wenn die Königin von Saba das schon so gemacht hat.“
Immer wieder „Bilquis, die Königin von Saba“. – „So schön, wie Bilquis“.
„So klug wie Bilquis“, oder „Alhamdullilah, das hätte die Königin von Saba nicht gemacht,“ dass ich schließlich fragte, ob das nur Redensarten wären. Es sei doch gar nicht zu beweisen, dass die Königin von Saba tatsächlich gelebt und Salomo besucht habe.
Oh, diese Europäer! Ein Schwall von Protesten war die Antwort und „alhamdullilah“, jetzt glaube ich es auch, dass diese schöne, neugierige, raffinierte Königin keine Anstrengung scheute, um dem klugen Salomo zu begegnen, denn, das ist doch klar, sie sehnte sich nach Weisheit.
Legenden, Sagen, Märchen sprechen in drei Kulturkreisen von dieser einzigartigen Königin. Es sind immer nur Spuren, nie Gewissheiten ihr zu folgen, aber vielleicht macht gerade das diese Frau so geheimnisvoll und anziehend. Im Yemen ist sie eine Frau, die auch des Zauberns kundig war, aber was ist das schon gegen die Zauberkünste Salomos? Er, der einen Zauberring besaß an dem er nur zu drehen brauchte und alle Geister der Lüfte und der Erde mussten ihm gehorchen.
In Äthiopien heißt die Königin Makeda. Auf Grund eines Gelübdes durfte sie nicht heiraten, was bei ihrer Schönheit wirklich eine Prüfung war. Aber sie war klug und deswegen macht sie sich auf, Salomo zu besuchen, und bekommt natürlich ein Kind. Menelik der Erste, auf den sich bis in unsere Tage das äthiopische Kaiserhaus beruft. Nun ja, und auf diesem Weg hat Makeda auch das Christentum nach Äthiopien gebracht.
In Syrien ist die Königin von Saba eine märchenumwobene Gestalt und in Ankara gibt es sogar ein Bilquis-Minarett. In der Bibel wird sie auch erwähnt, aber ob die Begegnung zwischen ihr und Salomo wirklich stattfand? Bibelforscher sind skeptisch und außerdem hatte Salomo sowieso schon siebenhundert Frauen.
Wahr oder unwahr, Märchen oder Legende, darauf kommt es nicht an, oder es kam mir nicht mehr darauf an, als ich die Idee hatte ein, Papiertheaterstück über die Königin von Saba zu machen. Als ich Zeinab davon erzählte war sie begeistert und rief: „Alhamdullilah, mach! mach! fang gleich an.“ Als sie aber die kleine Bühne sah, war sie erschrocken und meinte: „Wie willst Du so eine große Königin in dieses kleine Haus zwängen?“ Das gab mir die Idee, die Königin von Saba in vielerlei Gestalt auftreten zu lassen. Bilquis hatte bei meinen Recherchen viele Gesichter bekommen, und so wird in meiner Geschichte eine Märchenprinzessin zu einer modernen Frau.
„Goldene Früchte in silberner Schale“ heißt das Papiertheaterstück und ich glaube, nach allem was ich in diesem Artikel erzählt habe, ist das Gold und das Silber zu verstehen.
Die Karawane der KÖnigin von Saba zu KÖnig Salomon mit Weihrauch und anderen Kostbarkeiten.
Die KÖnigin von Saba soll missgestaltete Beine haben. Um das zu prüfen, wendet Salomo eine List an.
Die KÖnigin von Saba betritt Salomos Palast.
Gemeinsam regieren macht Spass, ist aber gefÄhrlich. Bilquis und Salomo im Garten.
Bilquis, die KÖnigin von Saba zurÜck in ihrem Palast.
Das PapierTheater Nr.6 SEITE 4 März 2008
Kleine Papiertheater-Hochschule
Unser kleines Mosaik
zum Begreifen der Musik
setzen wir nun munter fort
mit dem nächsten Zauberwort.
Unser Wort heißt Ouvertüre,
welches uns nach Frankreich führe.
Bon: ouvert bedeutet offen,
zu diversen Bühnenstoffen
ist sie das Eröffnungsstück
als Instrumentalmusik,
Oper, Singspiel und Kantate
steht sie zur Eröffnung Pate.
Und mit sicherem Gespür
merkt ihr: Wie durch eine Tür
geht Musik jetzt in euch auf
und erfreut euch im Verlauf –
wobei ihr natürlich wisst,
dass die Tür la porte ist.
(Und beim Skat erhofft man sehr
einen „dichten“ Null ouvert.)
In französischen Gebieten
bildet sie den Kopf von Suiten –
Folge von verschied’nen Tänzen,
die zur Suite sich ergänzen.
Nicht nur als Eröffnungssatz
nimmt sie ganz zuoberst Platz,
nein, bald wird es dahin führen:
Suiten nennt man Ouvertüren.
Es war Jean-Baptiste Lully,
Komponist, Barockgenie,
der den Typus letztlich prägte
und schon durch sein Werk belegte,
dass die Vortragsart hierbei
langsam – lebhaft – langsam sei.
Als ganz andere Lektüre
las man dann die Ouvertüre,
zukunftsweisend, wird man sehn,
bei Italiens Koryphäen,
wo der erste Satz zumeist
einfach sinfonia heißt.
Diesem folgen auf den Plätzen
nach den musischen Gesetzen
noch die Teile zwei und drei,
dass das Werk vollkommen sei.
Anders als bei den Franzosen
hebt man hier den virtuosen
Satzcharakter mehr hervor.
Leichtigkeit erfreut das Ohr:
lebhaft – langsam – lebhaft schwingen
nun die Sätze, die erklingen.
Wichtig ist hier der Vermerk,
dass bald für das ganze Werk
nur noch sinfonia steht,
anderes war obsolet.
Auch Lully war insofern
überholt und unmodern.
Während andre Formen schwanden,
ist die Sinfonie entstanden.
Lasst uns nun noch kurz betrachten,
was die spät’ren Meister dachten.
Ouvertüren soll’n beizeiten
auf die Oper vorbereiten,
auf – was ich bewusst erwähne –
den Affekt der ersten Szene.
Lessing hat genau auf diesen
Punkt besonders hingewiesen:
Dadurch zeige sich exakter
als woanders ihr Charakter.
Gluck ließ sich gleich davon führen
und hat seine Ouvertüren
wie im Bilderbuch bebildert,
was er musikalisch schildert.
Liszt erklärt darauf lakonisch
sie zu Dichtungen, sinfonisch.
Niemand nimmt es mehr genau,
oftmals fehlt der Unterbau.
Doch voll Heiterkeit berühren
Mendelssohn’sche Ouvertüren,
auch wenn schon ihr Schlussakkord
ist sein allerletztes Wort.
Und so spritzig wie Martini
sind die Werke von Rossini,
der die Arienpalette
einfach abgeworfen hätte,
als Ballast, so wie es scheine.
Albert Lortzing findet eine
damals völlig neue Mode:
Nach der Potpourrie-Methode
reiht er in der Ouvertüre
Melodien wie auf Schnüre.
Singt danach der Bariton,
sagst du dir: Das kenn ich schon.
Jean-Baptiste Lully