Editorial
Zum Start der Web-Zeitung gab es bereits viele Reaktionen: Lob, kritische Anmerkungen, Korrekturen, Anregungen. An dieser Stelle möchten wir uns für das Interesse bedanken und dazu auffordern, weiter am Entwicklungsprozess teilzunehmen.
Es gab einige Frustration bei dem Versuch, die vorliegende Web-Zeitung auszudrucken: tatsächlich ist sie für den Bildschirm gestaltet.
Die Redaktion
Figuren aus der Grabbelkiste
von Mary-Ann und Sven-Erik Olsen
Das PapierTheater Nr.1 SEITE 2 Januar 2007
Symposium in Meinigen
Ausstellungsplakat
Papiertheater-Symposium
Alle paar Jahre unternimmt das Forum Papiertheater eine Exkursion zu theaterträchtigen Zielen,
verbunden mit Vorträgen und Besichtigungen.
Vom 5.–8. Oktober 2006 fand das 9. Symposium dieser Art mit 43 Teilnehmern in Meiningen/Thüringen statt.
Was es dort besonderes für Theaternarren und -närrinnen gibt, schildert der nachfolgende Beitrag über
das Zusatzprogramm: die Besuche des Theatermuseums in Meiningen und des Ekhof-Theaters in Gotha.
Die Meininger „Zauberwelt der Kulisse“ kann es einem schnell antun: Hamlets nacht- und schneeblaue Burg mit den leuchtenden zwei Fenstern im Obergeschoss oder die Hohle Gasse nach Küssnacht bei Gewitter. Erstere sahen wir bei unserem Besuch im Oktober 2006, letztere erlebte ich im April 2005: aufrollbare Original Prospekte, mit denen die Schauspieltruppe der Meininger im 19. Jahrhundert nicht nur durch deutsche Lande tourte.
Als wechselnde Szenenausstellung aufgehängt im „Theatermuseum“ im ehemaligen Reitstall des Schlosses Elisabethenburg und durch Soundtracks und Illuminationen zum Leben erweckt, verlangen sie nicht allzu viel Phantasie, sich vorzustellen, dass der Geist von Hamlets Vater gleich an die Rampe tritt oder Geßler mit oder ohne Hut um die Ecke guckt – jedenfalls so lange man nicht, wie wir, hinter die Kulissen darf, auf eine Baustelle, wo sich Illusionen schnell verflüchtigen.
200 Dekorationen aus dem 19. Jahrhundert sind noch vorhanden und werden abwechselnd entfaltet. Ein engagierter frischer Vortrag, ergänzt durch einen kleinen Film, berichtet über die Geschichte der Meininger, die mit Sack und Pack unterwegs waren, europaweit willkommen geheißen durch den Freuderuf: „Die Meininger kommen!“ Hier und im Schlossmuseum erfährt man, was da eigentlich los gewesen ist.
Wie heute auch, waren die Theater immer knapp bei Kasse, zumindest die nicht subventionierten, folglich abhängig von adligen Gönnern und Promiauftritten. Kulissen und Requisiten kannten schon die verstörenden Synergieeffekte der Mehrfachnutzung, bei denen im Rittersaal des Götz von Berlichingen gelegentlich auch Hans Sachs logieren musste. Die Allüren der Topstars verdarben schon damals Stimmung und gute Sitten.
Im traditionell theaterfreundlichen Herzogtum Sachsen-Meiningen kam 1866 Herzog Georg II, von Kind an Bühnenfan, auf den Thron, den sein Vater aus politischen Gründen hatte räumen müssen. Er übernahm gleich die Leitung seines Hoftheaters mit. Wichtige Helferin war ihm dabei eine hochbegabte Schauspielerin, mit der er sich später vermählte, wodurch er für den Adel erledigt war – von Kaiser Wilhelm II geächtet, von der Theaterwelt aber längst geachtet. Der Herzog leitete die Proben selbst und legte höchsten Wert auf Werktreue. Das ging so weit, dass die Schauspieler von der ersten Probe an in voller Montur agieren mussten, egal, ob sie das Los des leicht bekleideten Hirten oder des Ritters im Kampfgeschirr gezogen hatten. Ebenso gefordert waren die Kulissenschieber. Gegen Starmarotten half, dass jeder auch mal Statist sein musste.
Meiningen hatte damals 13.000 Einwohner, so dass der Sättigungsgrad der Bespielung bald erreicht war, im Gegensatz zu dem der Kasse. Schon die Auflösung der Bühne vor Augen, verfiel man auf einen ebenso kühnen wie modernen Ausweg im wahrsten Sinne des Wortes: Auf nach Berlin! Zu bieten hatte man Ensemblespiel, sorgfältige Ausstattung, solide Arbeit. Aber auch theaterwirksam Neues: Raffinierte Bühnenaufrisse, zum Beispiel Durchblicke in einen verlängerten Szenenraum. An Stelle bloßer Deklamation traten lebendiges Spiel, Massenszenen und Trubel, manchmal sogar, bevor das eigentliche Stück begann. Der Herzog legte Wert auf Echtheit in allem: Die Trinkgläser in den „Piccolomini“ waren Originale aus dem Dreißigjährigen Krieg. Passende Sessel holte er einmal aus seinem Arbeitszimmer. Vielleicht ist es Legende, dann aber eine hübsche: dass der Herzog, wenn die Proben lange zu dauern drohten, sein Butterbrot mitbrachte.
In den Jahren 1874 bis 1890 gab es 2591 Aufführungen in 81 Gastspielen, in Deutschland und Europa, bis hin nach St. Petersburg, Odessa, Kiew, Triest, Stockholm, Kopenhagen. In London gab man Shakespeare – auf Deutsch! Mit großem Erfolg. Die Meininger machten richtig Geld und konnten sich ein großes Theater bauen. 1908 brannte das Hoftheater ab, 1909 wurde ein neues eröffnet, 1919 eine Hochschule für Schauspielkunst.
Während des Dritten Reiches soll sich nichts Herausragendes getan haben, in DDR-Zeiten gab man viel Brecht, sowjetische Kost und moderne Stücke, auch aus der so genannten BRD. Westbürger wurden in Bussen vom nahen Grenzübergang herangekarrt, vorm Theater aus- und wieder eingeladen. Museumstexte wohl noch aus jener Zeit behandeln den Herzog zwar wohlwollend, lassen aber durchblicken, dass er das Rad der Geschichte festzuhalten versucht habe. Die Sozialisten übersahen wohl den seinerzeit mutigen Ausstieg aus dem Adelsklüngel.
1991 wurde der Erweiterungsbau des Theaters fertig, vor sechs Jahren folgte eine Grundrenovierung; seitdem glänzt das Haus durchaus fürstlich mit über 700 Plätzen (ohne Sichtbehinderungen!).
Mittlerweile streicht auch über dem Meininger Theater der gesamtdeutsche Pleitegeier. Die Sparte Ballett wurde aufgelöst, das Schauspielensemble verkleinert, das Puppentheater (!) ist von Streichungen ebenso bedroht wie das Orchester. Die Meininger Theaterstiftung bittet um Spenden.
Wenn ich „Gotha“ hÖre, denke ich freilich nicht zuerst ans Schlosstheater, sondern an Professor Gallettis Kathederblüten. Dieser Herr lehrte im 18. Jahrhundert am Gothaer Gymnasium und hielt seine Schüler mit Formulierungen bei Laune, die von seiner Zertreutheit Kunde gaben: „Als Humboldt den Chimborasso bestieg, war die Luft so dünn, dass er nicht mehr ohne Brille lesen konnte.“ Oder: „Maximilian der Erste hatte die Hoffnung, den Thron auf seinem Kopf zu sehen.“ – „Als ich Sie von fern sah, Herr Hofrat Ettinger, glaubte ich, Sie wären Ihr Herr Bruder, als Sie jedoch näher kamen, sah ich, dass Sie es selbst sind, und jetzt sehe ich nun, dass Sie doch Ihr Herr Bruder sind!“
Ein bisschen ist von jener Spitzwegschen Beschaulichkeit, die ich da heraus höre, auf Markt und Gassen, auf Giebeln und Dächern geblieben, hat auch die sozialistischen Fortschritte überlebt und liegt wieder herausgeputzt unter dem Besucher, der vom Schloss Friedenstein auf die Stadt hinunter schaut.
Das Schloss beherbergt ein Theater von 1683, das mehrfach umgebaut und renoviert wurde und heißt seit geraumer Zeit „Ekhof-Theater“. Es wartet mit zumindest drei Extras auf: es ist das älteste, noch bespielte Theater Deutschlands, gibt Stücke des 18. Jahrhunderts in der damals gedachten Form und ist noch niemals abgebrannt. Über die Baugeschichte und die Vorgeschichte des Theaters als Ballsaal der Herzöge von Sachsen-Gotha wird sehr anschaulich und lebendig in Schriften berichtet, die im Schloss-Shop erhältlich sind; uns interessiert vor allem das Theater, das mit der Reform des deutschen Schauspielwesens durch den Schauspieler und Theatermacher Conrad Ekhof begann.
Ekhof, als Sohn eines Hamburger Stadtsoldaten am 12. August 1720 geboren, war Zeitgenosse der legendären Prinzipalin Caroline Neuber („die Neuberin“, 1697–1760), arbeitete mit dem in Hamburg tätigen Gotthold Ephraim Lessing (1729–1781) eng zusammen und hatte in Weimar und Gotha die Herzogin Anna Amalia von Sachsen-Weimar und deren Begleiter Johann Wolfgang von Goethe unter seinen Zuschauern.
Zuschauerraum des Ekhof-Theaters
Foto Beyer
Als ich den Theatersaal zum ersten Mal betrat, hatte ich sofort die Assoziation zum Papiertheater. Nein, so klein wie unsere Wohnzimmertischbühne ist es natürlich nicht, dennoch handlich, vor allem ist es dieser Stil, das vertraute Rot-Gold-Creme, die liebevolle Detailarbeit an Vorhang, Decke, Logen und Leuchtern, alles auf das Feierlich-Freundliche eines „erhebenden“ Theaterabends ausgerichtet. Auf Rang und Logen knacken und knarren die Fußbodenbretter; man wird sich bei der Aufführung nicht bewegen dürfen.
Die Bühne mit einem antiken Säulenmotiv wirkt vom Zuschauerraum, ja selbst noch von der ersten Reihe her verblüffend tief, was ein vornehmlicher Zug des Barocktheaters war, dem mehr an der Illusion lag als an Inhalten. Perspektivische Anordnungen und Tricks standen im Vordergrund.
Da merkt der Papiertheatermacher auf und ist ganz glücklich, wenn er auf die Bühne darf. Hier nun kann ihn das Gefühl ankommen, man habe ihn zur Figurine verkleinert, und er wandle nun zwischen den roh gezimmerten und geleimten Balken und Platten seines eigenen Bühnenhauses. Nein, das ist auch ein schiefes Bild, denn so einfach getischlert, wie es auf den ersten Blick hinter die Kulissen wirkt, so präzis sind doch Technik und Takelage, wie auf einem zuverlässigen Schiff. Über allerlei hölzernes Räderwerk werden Prospekte und Soffitten herunter- und hinauf bewegt, denn das Barocktheater liebte fliegende Götterkutschen, ausbrechende Vulkane, Unwetter, Flugmaschinen und herabschwebende Paradiese. Für seine Bühnenzaubereien verlangte es schnelle Umbauten und Verwandlungen.
BÜhne des Ekhof-Theaters
Foto Ebhardt
Die Techniken dafür machte sich auch das klassische Theater zunutze. Allein das Beleuchtungsproblem: Es war eine finstere Welt damals, ohne Gas- oder Elektrolampen, geschweige Scheinwerfer. Die diversen Kerzen, Öl- und Petroleumleuchten bedrohten permanent ihre Umgebung aus Holz und Pappe, wallenden Kleidern und gepuderten Perücken. Auch mancher Papiertheaterspieler des 19. Jahrhunderts saß ja nach einer realistischen Darbietung von Feuersbrunst oder Kanonade vor einem Häufchen Asche, und dann war er noch gut dran, wenn es nur die Reste seiner Bühne und nicht die seines Hauses waren. Doch auch mit den damaligen Mitteln gelangen raffinierte Beleuchtungstricks. Um buntes Licht zu schaffen, stellte man vor die Leuchtmittel Gläser, die mit farbigen Flüssigkeiten gefüllt waren.
Das eigentliche technische Wunderwerk aber befand und befindet sich noch unter der Bühne. In gebückter oder kriechender Haltung kann man hier das „andere Ende“ des Theaterzaubers besichtigen und, vor allem, bedienen. Rund ein Dutzend Leute schoben, zogen und drehten an den Kurbeln, Schlitten und Rädern, um auf der Bühne erstaunliche Fahrbewegungen, Bildwechsel und andere Illusionen auszulösen. Auf einer mit Leinen bespannten Trommel durften wir Wind machen, auf einer Art geschlossener, vertikaler Kegelbahn ein Donnerwetter.
Noch heute spielt man hier, vor bis zu 200 Zuschauern, von Mai bis Oktober etwa dreißig mal, überwiegend Vorklassik und Klassik. „Dabei soll aus dem reichen Repertoire der Ekhof-Zeit geschöpft werden, um das Lebensgefühl der galanten Zeit wiedererstehen zu lassen“, wie es in der Schrift „Barocker Bühnenzauber – Das Ekhof-Theater in Gotha“ von Elisabeth Dobritzsch heißt, der Museumsdirektorin, der wir die interessante Führung verdanken und der an dieser Stelle noch einmal sehr herzlich gedankt sei, ebenso wie Herrn Volker Kern, dem Leiter des Theatermuseums Meiningen.
Weitere Literatur
Hans Knudsen, „Deutsche Theatergeschichte“; Stuttgart 1959
„Zauberwelt der Kulisse am Meininger Hoftheater“; Neu-Ulm 1991
Elisabeth Dobritzsch, „Barocke Zauberbühne – Das
Ekhof-Theater
im Schloß Friedenstein Gotha“; Hain-Verlag, Weimar, 2004
www.stiftungfriedenstein.de
Das PapierTheater Nr.1 SEITE 3 Januar 2007
O-Ton
Dieses Bändchen, Größe 20 x 12,7 cm, befindet sich in der Sammlung von Dirk Reimers, Preetz.
Mit diesen Kinder-Dramen beabsichtigt der Verfasser die Jugend in das Reich der Poesie einzuführen.
Daß das Kind mit seinem reichen Gemüth, mit seiner naiven Anschauungsweise dazu befähigt und berechtigt sei, in jenes bunte und schöne Reich einzutreten, wer wollte es leugnen? – Und gewiss ist's auch daß der Segen der Dichtung sich an ihm reichlich kund geben wird, wenn es sich frisch und fröhlich in der ihm eröffneten neuen Welt umhertummelt.
Das Mährchen und die Sage stehen ihrer Natur nach dem Kinde am nächsten: aus ihnen wählte daher der Verfasser seine Stoffe, um sie in poetischem Gewande der Jugend darzubieten.
Die Kinder-Dramen sind aber nicht allein zur unterhaltenden Lectüre bestimmt, sondern hauptsächlich für die Darstellung, und zwar für die Darstellung auf einem Puppen-Theater. Dann erst wird die Welt der Dichtung vor den Augen der Kinder in ihrer ganzen Lebendigkeit und farbenreichen Frische sich aufthun, dann erst werden sie mit derselben vertraut und ihres Segens theilhaftig werden.
Die hier gelieferten Dramen sind daher auch so eingerichtet worden, daß sie, zumal unter Beihilfe eines erwachsenen Jugendfreundes, ohne große Mühe von Kindern auf einem Puppen-Theater dargestell werden können. – „Hornen Siegfried“ dürfte jedoch bei der Aufführung zu viele Schwierigkeiten darbieten. Der Verfasser rät daher seinen jungen Freunden, vor der Bühne ihres kleinen Theaters ein mit Oel getränktes durchsichtiges Papier auszuspannen und nur die Schatten der handelnden Figuren auf dasselbe fallen zu
lassen. Das dürfte auch besser zu den nebelhaften Umrissen dieser Sage passen, als bunte Puppen.≠
So mögen denn diese heitern und leichten Phantasiegebilde der Jugend recht viele Freude und zugleich auch manchen Nutzen gewähren!
Am Neujahrs-Tage 1845.
Der Verfasser.
Das PapierTheater Nr.1 SEITE 4 Januar 2007
Papiertheater im Klassenzimmer
KartonbÜhne – vorgeklebtes Proszenium; alle Bilder: Irmela Kopp
Das Projekt „Freunde werden“ hat 1996 in der Grundschule Emmertsgrund in Heidelberg stattgefunden.
Irmela Kopp war damals in der Kinder- und Jugendberatung Stadt Heidelberg als Freizeitpädagogin tätig.
Materialliste
für ein Kinderpapiertheater,
zu bauen von
zehnjährigen Schülern
ein mittelgroßer, stabiler Karton für zwei Schüler
Scheren, Teppichmesser, kleine Säge, Nähnadel, starkes Garn
Tonpapier, Fotokarton, Pinsel, Farben, Filzstifte, Buntstifte, Klebstoff
Glanzfolie, Glitzermaterial, Vorhangstoff, Paketklebeband, Vierkantholzstäbe
Küchenbrett oder Tablett oder Weichfaserbrett
ein Passfoto pro Schüler
ein oder zwei Helfer sollten den Theaterbau begleiten.
Als FreizeitpÄdagogin hatte ich die Aufgabe, das Thema „Freundschaft“ in einer Grundschule mit hohem Migrantenanteil als Unterrichtsfach zu gestalten.
„Schwierig“, hatte die Klassenlehrerin gesagt. „Viele können noch nicht richtig Deutsch sprechen“. So stand ich vor achtundzwanzig Schülern der 3. Klasse, die mich widerwillig und manche auch munter angrinsten. Als sich plötzlich zwei Jungen über den Tisch in die Haare fielen, dachte ich: mit dieser Klasse mache ich Papiertheater.
Nach einigen Übungen aus der Theaterpädagogik waren die Kinder auf das Thema „Freundschaft“ gebracht und fanden sich zu zweit zusammen, um ein Papiertheater zu bauen.
Alle Kinder kennen heutzutage einen Fernseher, aber was ist ein Theater und was macht man da? Wieso, weshalb, warum wollten wir jetzt ein Theater bauen? Diese Fragen wurden laut, während wir jedem Schülerpaar einen mittelgrossen, stabilen Karton ohne Deckel zuteilten. Damit begann die intensive, spannende Zeit, in der wir ein Papiertheater bauten.
In die Breitseite des Kartons wird als Erstes die Bühnenöffnung geschnitten. Um den Kindern nicht das scharfe Teppichmesser in die Hand zu geben, wurde hierbei von der Lehrerin und mir geholfen.
Ein Karton mit einem viereckigen Ausschnitt: „Das sieht ja doch aus, wie ein Fernseher, aber nix drin.“
So und ähnlich tönte es in der Klasse, und wieder wurde diskutiert über Bühne, Schauspieler, Kulissen und Beleuchtung.
„Und das alles soll in den Karton rein?“ Kopfschütteln und ungläubige Blicke. „Dann brauchen wir aber auch einen roten Vorhang!“
Zur nächsten Doppelstunde lagen diverse rote Stoffreste auf dem Materialtisch.
Da die Schüler zu zweit arbeiten, kann ein Kind schon mit der Gestaltung der inneren Bühne beginnen. Für die Rückwandkulisse große Bögen Tonpapier oder Zeichenblock, Stifte, Malfarben und Schere bereit stellen. Zwei Wäscheklammern helfen, das Rückwandbild oder mehrere Bilder, für Szenenwechsel, festzuhalten.
Das andere Kind im Team kann gleichzeitig auf stabilem Fotokarton die Seitenkulissen malen und ausschneiden. Achten Sie bei den Seitenkulissen auf wirklich stabiles Material, sonst „welken“ die Kulissen und die Künstler sind enttäuscht.
Proszenium
Die helfende Lehrkraft sollte gleichzeitig mit dem Teppichmesser an beiden Kartonseiten ein oder zwei Rechtecke ausschneiden, sodass die Kinderhand bequem eine Puppe durch diese Aussparung schieben kann. Die Stege, die stehen bleiben, werden mit dem Teppichmesser geschlitzt. In die Schlitze werden später die Seitenkulissen gesteckt.
Jetzt sind beide Schüler so weit, gemeinsam das Proszenium zu gestalten. Auf der Abbildung sehen Sie, wie wichtig die „Schokoladenseite“ des Theaters für die Kinder ist. Es kann nicht genug glitzern. Halten Sie dafür Tonpapier, Glanzfolie, Glitzersand, Pailletten, Klebstoff und Scheren bereit. Der Kommentar bleibt nicht aus: „Viel schöner als unser Fernseher“.
Nun zum Vorhang: Auf einen reißfesten Faden werden zwei Vorhangseiten gezogen. Hinter der Bühnenöffnung wird rechts und links der Faden mit Paketklebeband an dem Karton befestigt.
Das Theater ist fast fertig, doch es fehlen noch der Spielboden und die Akteure.
Der Spielboden ist wichtig, denn der Karton bietet keine ebene Fläche, und die filigranen Papierpuppen kippen leicht um. Wir nehmen dafür ein Küchenbrett oder drehen ein Tablett um, vorausgesetzt die Größe ist passend. Wenn nicht, muss ein Weichfaserbrett zugeschnitten werden.
Der schwierigste Teil kommt jetzt: die Puppe. Lassen Sie die Kinder ihre Figur gleich auf Fotokarton malen, damit stabile Figuren entstehen. Lange, dünne Beine müssen vermieden werden, es sei denn, sie haben ein großes Stück Fußboden hinter sich oder eine Rasenfläche (z.B. Fußballer) Lange Prinzessinnenröcke sind dagegen günstig. Ist die Figur ausgeschnitten, wird eine Vierkantleiste von mindestens 35–40 cm Länge
An die Figur geklebt. Achten Sie hierbei auf Akkuratesse, sonst lässt sich die Figur nicht auf dem Bühnenboden hin und her schieben. Bei großen Puppen muss oft vorne noch ein kleines Stück Vierkantholz vorgeklebt werden, da sie ihrer Größe wegen leicht nach vorne überkippt.
Der rote Vorhang
Zurück zu unserem Projekt. Manche Kinder wussten ganz genau, wie ihre Puppe aussehen sollte, aber unser Thema war „Freundschaft“ und deswegen sollte jeder
Schüler den Freund oder die Freundin darstellen mit dem oder der das Theater erarbeitet wurde. Da gab es viel Gemecker: „Das kann ich nicht“ oder „Soll ich das etwa sein?“ Ich fragte die Schüler ob sie ein Foto von sich mitbringen könnten. Der Kopf vom Foto wurde auf die Figur geklebt. Damit stimmte die Identität wieder und alle lachten.
Und dann wurde gespielt. Jedes Team präsentierte die eigene Bühne und spielte vor der Klasse „seine Geschichte“. Die Geschichte ihrer Freundschaft mit den Freuden, Zerwürfnissen und ihrer Versöhnung. Die Jungen glänzten auch mit Erfolgen auf dem Fußballplatz oder flogen gleich zum Mond.
Auf dem Mond
Im Deutschunterricht können andere Inhalte erarbeitet werden, aber wie mir die Lehrerin berichtete, spielten die Kinder am liebsten – auch vor den Eltern am Elterntag – ihre Freundschaftsgeschichte.
Sehr viel später erfuhr ich, dass die Lehrerin bei Streitereien in der Klasse die Kontrahenten zu zweit zum Papiertheater schickte und der Streit über die Puppen verbal ausgetragen werden musste. Das war und ist eine große Anforderung an ein Kind, das lieber in Wut und Zorn seine Fäuste einsetzen würde. Bei diesem „Theaterdonner“ nahm die ganze Klasse Anteil und es gab gespielte Variationen, die schließlich zur Befriedung führten.
Über diesen Bericht habe ich mich persönlich sehr gefreut, zeigt es doch, welch pädagogischer Wert dem Papiertheater inne wohnt.
Dieses ist eine Art, ein Papiertheater mit wenig Mitteln herzustellen. Für den Auftritt der Figurinen nenne ich noch ein anderes Beispiel. Der Bühnenboden besteht aus aufgeklebten Holzleisten. Zwischen den Leisten wird ein Schlitz frei gelassen, in den stabile Pappstreifen eingeführt werden, die auf diese Weise hin- und hergeschoben werden können.
Die agierende Papierfigur ist auf einen der Pappstreifen aufgeklebt. Jetzt können auch viele Puppen bzw. Schauspieler auftreten, weil jede ihren eigenen Pappstreifen hat und ein Schlitz im Bühnenboden ganz für sie bereit steht.
Freundschaft
Das PapierTheater Nr.1 SEITE 5 Januar 2007
Kommentar
Ausstellungs-Stück (Quelle: Germanisches Nationalmuseum Nürnberg)
Bühnenzauber –
Kleine Bühnen aus Papier
Die Wanderausstellung war zu sehen
vom 1. Oktober 2006
bis zum 25. Februar 2007
im Gelben Haus des Stadtmuseums Esslingen
www.museen-esslingen.de
Nur Ältere Damen wandeln außer mir zwischen der Urania-Bühne von Josef Scholz von 1880, der Schnürboden-Bühne von Carl Jacobsen, Kopenhagen, dem Tivoli Theater, Schmidt & Römers Bühne von 1895, Pollock’s Victoria theatre und Bakelit Theater, der Opéra Grand Théâtre Nouveau von 1889 – na, ich will sie nicht alle aufzählen und denke nur:
Klar, Papiertheater ist etwas für Leute, die dem 19. Jahrhundert näher stehen als dem 21. … Aber dann erlausche ich diese Kommentare:
„Also, am liebsten würde ich gleich wieder gehen, aber nun sind wir mal hier.“ – „Als Kind, so mit elf Jahren, war ich ja beinah täglich im Theater, da hätte ich doch niemals mit so was Langweiligem gespielt.“ – „Ich kann damit auch nichts anfangen, das ist doch geistlos, eintönig …“
Zugegeben, ich fand nicht den Mut, aber ich hätte in diesem Moment etwas mehr Zivilcourage zeigen sollen, ungefähr so:
„Meine Damen, Sie finden das hier vielleicht ereignislos und öde, obwohl es in Ihrer Kindheit eher up to date war als heute, aber Sie müssten mal erleben, wie das erwacht, sobald der richtige Spieler dahinter steht! (Oder die Spielerin meinetwegen, aber die meisten Spieler sind Männer – ältere Männer.)
Gewiss, auf den ersten Blick haben die Figurinen etwas von den ‚Figuren‘ genannten Illustrationen in alten Schwarten aus dem Antiquariat; die Beleuchtung hätte man ein wenig geschickter anordnen können, und das Vitrinendasein fördert die Theatermagie auch nicht gerade, aber ein bisschen Fantasie bitte ich mir doch aus. Stellen Sie sich bitte vor, der hier aufgebaute
‚Reineke Fuchs‘ würde (semi-)professionell gehuscht und gesprochen, das ‚Ballett The Silver Palace‘ von geübten Spielern bewegt und mit Musik unterlegt, oder hier: ‚In achtzig Tagen um die Welt‘ mit schnell wechselnden Kulissen dargeboten, ‚Robinson Crusoe‘ in seinen Dschungelbildern, na und all das andere – da würden Sie sehen, wie diese Bühnen einen verzaubern können. Die eine oder andere Figurine wirkt, richtig eingesetzt und angestrahlt, lebendiger als mancher leibhaftige Opernsänger. Kinder gehen übrigens ganz anders damit um, ja, trotz Computerspielen und Gameboys – ich habe das gerade erlebt: wie sie (sieben und elf) zum ersten Mal Papiertheater sahen, danach selber probierten und erst nach langem versunkenem Spiel nur mit einem Eis aus meinem Kellertheater gelockt werden konnten.“ –
„Aber“, so hätten mir die Damen vielleicht entgegen gehalten, „Sie sehen doch, dass kaum jemand anderes her findet als wir älteren Semester, die nur eben kein Museum auslassen, und wo sind denn Ihre Kinder? Im übrigen steht es doch auf der Tafel am Eingang: das Papiertheater habe seine große Bedeutung bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gehabt, heute werde es nur von einer kleinen Schar von Sammlern und Spielern gepflegt- einer kleinen Schar!“
Ja, das steht da wirklich. Aber was heißt „klein“? Anderthalb tausend Besucher in Preetz, internationale Bühnen, sogar aus Übersee, Festivals auch anderswo. Davon erfährt der Besucher nichts. Aber hier, hier fällt mir noch was auf, „meine Damen“, hätte ich ihnen nachrufen sollen, „das wird Ihnen gefallen, hier auf dem Faltblatt, ich zitiere: ‚Opern und Schauspiele des Papiertheaters vermittelten nebenbei klassisches Bildungsgut und gesellschaftlich akzeptiertes Verhalten‘. Na, ist das nichts?“
Jedoch wieder: wieso „vermittelten“? Könnte es nicht besser heißen: „vermitteln“? Warum begeben die Aussteller selbst sich so sehr in die Vergangenheit, dass es wie eine Verabschiedung aussieht? Nein, ganz so ist es auch wiederum nicht, denn neun Veranstaltungen für Erwachsene und vier für Kinder begleiten die Ausstellung, von denen freilich nur noch fünf übrig sind.