Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

kennen Sie das Gefühl, das man haben kann, wenn man z.B. durch den historischen Teil ein italienischen Stadt geht und denkt, man befinde sich mitten in den Kulissen eines Papiertheater-Stücks? Wie muss es da erst Christian Reuter ergangen sein, als er im August des vergangenen Jahres die Ritterschauspiele in Kiefersfelden besuchte und sich fühlte wie in einem Riesenpapiertheater mit Figuren aus Fleisch und Blut!

Von „Die Moldau “ bis „Der Freischütz “ – lesen Sie im ersten Beitrag, was Ursula Pfisterer mit ihren Schülern alles zur Aufführung gebracht hat.

Glücksgefühle durchströmen den Papiertheaterfreund, wenn er sein Lieblingssujet in anderen Medien in Szene gesetzt sieht – so geschehen im Falle unseres Autors Willers Amtrup beim Betrachten des Films „Tee bei Mussolini“, der daraufhin auch noch in der Autobiografie des Meisterregisseurs Zeffirelli fündig wurde.

Valentin und Luca aus Weyer in Österreich erzählen, wie der Besuch einer Aufführung ihrer Großeltern Gerd und Kamilla Strauss ihren Schaffensdrang geweckt hat.

Auch diesmal wieder: viel Vergnügen bei der Lektüre!

(rs)

 

 

 

INHALT – Nr. 5 – Februar 2008 

Die Lehrerin Ursula Pfisterer berichtet,
wie das Papiertheater zum Teil
ihres Unterrichts wurde Seite 2

Christian Reuter entdeckt die
„Ritterschauspiele Kiefersfelden“ Seite 3

Willers Amtrup über den Regisseur
und Zeffirelli und das Papiertheater Seite 4

Valentin und Luca sehen „Hänsel und Gretel“ – und bauen ein Papiertheater Seite 5

alle Ausgaben

Bettszene

Diese beiden warten sehnsÜchtig
auf neue BeitrÄge!
Szene aus: Claus-Bo & Hannah & …
Svalegangens Dukketheater

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Das PapierTheater Nr.5                        SEITE 2                      Februar 2008

Papiertheater an der Schule

Die Moldau im Fernsehkarton

Die Lehrerin Ursula Pfisterer berichtet, wie das Papiertheater
zum Teil ihres Unterrichts wurde  

 

Ritterspiele

 

 

Auch ein im Biologieunterricht gebasteltes Skelett zeigte sich hier und dort, mal mit dem Kopf ins Publikum blickend, mal mit dem Arm winkend. Der Schwarze Jäger wurde von einem Teufel aus dem Kasperlespiel gespielt, der bei der Arie „Werft das Scheusal in die Schlucht“ den Caspar in hohem Bogen aus dem Theater warf. Die Wolfsschluchtszene wurde die Lieblingsszene der Kinder.

 

Für den ersten und letzten Teil des Freischütz kürzte ich den Text des oben genannten Buches. Ein Sprecher führte durch die Geschichte, Dialoge wurden gelesen und die Musik von der Gesamtaufnahme eingespielt. Die Schüler der Arbeitsgemeinschaft wurden durch die Erarbeitung der Aufführung zu einem Team, das hervorragend zusammenarbeitete. Die Schüler, die die Figuren führten und die Kulissen bedienten, mussten sich darauf verlassen, dass die Leser auf die Aktion am Papiertheater achteten, denn sie durften ja nicht zu schnell lesen.

Unsere Premiere, bei der ca. 35 Personen anwesend waren, Eltern, Verwandte und Freunde, wurde ein großer Erfolg. Aber auch die weiteren Vorstellungen vor Klassen und die Aufführung in einem Altersheim waren sehr schön.

 

Bei der Aufführung im Altersheim beobachtete ich, wie einige alte Damen bei dem Lied der Brautjungfern und der Jäger die Lippen mit dem Text bewegten. Eine von ihnen saß in einem Rollstuhl. Sie hatte nur noch ein Bein, und mit diesem wippte sie zum Takt der Lieder. Nach der Aufführung erzählte sie mir, dass der Freischütz die erste Oper gewesen sei, die sie als Jugendliche gesehen hatte.

Die „Gage“, die wir für die Aufführungen bekamen, ermöglichte es uns, zum Papiertheaterfestival nach Waiblingen zu fahren. Dort sahen wir uns die Vorstellung „Odyssee – frei nach Homer“ an. Daran hatten die Kinder und die Eltern, die mitgekommen waren, ihre helle Freude.

Eine Fortsetzung erfuhr die Arbeit am Freischütz in Hohen-Neuendorf (nördlich von Berlin), wo ich mit meinen Großnichten und deren Freunden in den großen Ferien eine etwas andere Aufführung erarbeitete, die in ein Gartenfest mündete, auf dem die Eltern der beteiligten Kinder und die Nachbarn anwesend waren.

Auf unserer Chorweihnachtsfeier führten wir einen kurzen Ausschnitt aus dem Freischütz am Papiertheater auf. Zwei Chorfreundinnen hatten mit mir die Szene bei mir zu Hause geübt, einigen Herren hatte ich in der Woche zuvor ihren zu lesenden Text mitgegeben. Nach einer kurzen Einführung von mir über die Geschichte des Papiertheaters wurde die Szene gespielt, die Texte von den Herren aus dem Publikum heraus gesprochen. Diese Art der Aufführung einer Opernszene war allen völlig neu, aber wir hatten alle großes Vergnügen daran.

 

Jetzt bin ich pensioniert, plane aber nach den Weihnachtsferien mit einer Arbeitsgemeinschaft mit Schülern meiner ehemaligen Schule ein türkisches Märchen für das Papiertheater umzusetzen. Ehemalige türkische Schülerinnen (Mutter und Tochter) haben sich bereit erklärt, bei der Erarbeitung mit den Kindern mitzumachen und mich besonders was die türkische Musik und Dekoration des Theaters angeht, zu beraten. Übrigens werde ich sicher die eine oder andere Figur aus der Serie „Orientalisches Märchen“, die ich auf dem Papiertheaterfestival in Waiblingen gekauft habe, verwenden.

 

Ritterspiele

 

Ritterspiele

 

Ritterspiele

 

Ritterspiele

 

Ritterspiele

 

Die Fotos wurden von der Autorin zur Verfügung gestellt

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Das PapierTheater Nr.5                        SEITE 3                    Februar 2008

Theaterbesuch

Papiertheater, zum Leben erwacht

Text und Fotos  von Christian Reuter

 

Ritterspiele

Programmheft 2007

 

unveränderterhalten, selbst als das Bühnenhaus 1971 nochmals erweitert und modernen Erfordernissen angepasst wurde.

 

Die Bühne mit ihrem Aufbau gibt einen einmaligen Eindruck der spätbarocken Theatertechnik im wohl ältesten erhaltenen deutschen Volkstheater. Sie ist damit besonders als theatergeschichtliches Dokument von Bedeutung, weil sie über den Prototyp der ländlichen Kulissenbühne die wichtigsten Eigenschaften der barocken Kulissenbühne vertritt (siehe: Dr. Ekkehard Schönewiese, Kiefersfelden und seine Ritterspiele, o. J.)

Keine Drehbühne also, sondern eine Drehkulissenbühne: Fünf doppelseitige Drehkulissen auf jeder Seite bieten mit aufgesetzten Klappteilen die Basis für vier vorbereitete Dekorationen, die mit den in drei Gassen möglichen Hängeprospekten und vier weiteren Schiebeprospekten äußerst flinke Bühnenverwandlungen erlauben. Vorzuhängende Kulissen erweitern die Fülle der Bühnenbilder ins Beliebige.

 

Die historische Kostümierung der Kiefersfeldener Darsteller verstärkt zusätzlich die Parallelität zum Papiertheater.

Selbstverständlich sind Wind- und Donnermaschine vorhanden – handbetrieben in alter Technik. Das Licht mit farblichen Effekten und natürlich auch die Blitze sind heute allerdings elektrisch.

Der Hauptvorhang stammt aus dem Jahr 1814 und zeigt das Inntal mit dem Blick auf die Festung Kufstein von Kiefersfelden aus.

23 Stücke wurden seit 1838 wiederholt inszeniert, wenn auch einige Jahre das Spiel ausfallen musste. Die Texte stammen meist aus der Zeit um 1800 und Vergleiche mit unseren historischen Heften sind nicht ganz abwegig. Viele der Dekorationen stammen auch aus alter Zeit in einem Stil, der direkt an unsere alten Bogen denken lässt.

 

Es ist jedem von uns zu empfehlen, dieses lebensgroße „Papiertheater“ einmal zu erleben. So erfuhren wir, dass Klaus Loose mit seiner Bamberger Truppe hier die Genovefa gesehen hatte, die sich die Kiefersfeldener dann wiederum in dessen Marionettentheater anschauten. So war ich also nicht der erste aus unserem Kreis dort, aber wer wusste bisher davon?

 

Ritterspiele

Der Hauptvorhang stammt aus dem Jahr 1814

 

Ritterspiele

Dekorationsprobe: Wald mit HÖhle und Feuerstelle

 

Ritterspiele

Mit diesen Kurbeln werden die Prospekte gerollt

 

Ritterspiele

Diesen Figuren fehlen nur die FÜhrungsdrÄhte

 

Ritterspiele

Beeindruckende Bühnenwirkung der Kulissen

 

Ritterspiele

Das Burgverlies  und  der Kerker …

 

Ritterspiele

… gehÖren auch zum Fundus eines zÜnftigen Papiertheaterspielers

 

Ritterspiele

Mit Hilfe der Kulissen entsteht eine unerschÖpfliche Fülle an BÜhnenbildern

 

Ritterspiele

Windmaschine und Prospektrollen

 

Ritterspiele

Kulissen warten auf den Einsatz

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Das PapierTheater Nr.5                        SEITE 4                      Februar 2008

In anderen Medien

Zeffirelli und das Papiertheater

Willers Amtrup über den Film „Tee bei Mussolini“
und die Autobiografie des berühmten Regisseurs

 

Ritterspiele

Hier sorgt Mary Wallace für eine fachgerechte ausleuchtung
der Balkonszene aus Shakespeares „Romeo und Julia “

 

„Bei Mary O’Neill lernte ich ungefähr vier Jahre lang Englisch … Wir spielten zusammen einige Szenen aus den großen Dramen durch. Am liebsten mochte sie die Balkonszene aus „Romeo und Julia“. Sie hatte wohl in ihrer Jugend einmal die Julia gespielt, und wenn sie die göttlichen Verse rezitierte, schien sie in eine Art übernatürliche Verzückung zu geraten. In solchen Augenblicken konnte man erahnen, welch zauberhafte junge Frau sie einst gewesen sein musste; allerdings brachte mich das Klappern ihres Gebisses immer wieder reichlich unsanft in die Gegenwart zurück. Gelegentlich fielen nämlich bei einer leidenschaftlichen Passage ihre falschen Zähne auf den Boden, aber mit einem geübten Handgriff  praktizierte sie sie in den Mund zurück.“

 

Shakespeares Balkonszene war aber keineswegs die erste Begegnung Zeffirellis mit dem Papiertheater. Für einen früheren Zeitpunkt seiner Jugend findet sich nämlich in dem Buch der folgende Text, nachdem er zuvor über Ferienaufenthalte in der Toscana berichtet hatte:

„Wenn der Sommer vorüber war, begleiteten mich diese Erinnerungen nach Florenz. Ich zog mich in meine eigene kleine Spielzeugwelt zurück – etwa die kleinen Theater – teatrini –, die ich mir baute und mit Bühnenbildern und Figuren füllte. Als Gustavo, der Lebensgefährte meiner Tante, merkte, daß sich dies zu einer regelrechten Manie auswuchs, beschloß er, dieses Interesse zu fördern … (und) daß ich in die Wonnen des professionellen Theaters eingeführt werden sollte. Ich war erst acht oder neun, als wir in die Oper in Florenz gingen, wo … Giacomo Rimini den Wotan in der „Walküre“ sang … Nach der Vorstellung nahm Gustavo uns hinter die Bühne mit. … Ganz allein stand ich da und starrte die Kulissen an, die gerade hinausgeschoben wurden, und das Bühnenbild, das die Bühnenarbeiter abbauten. Augenblicklich stand für mich fest, daß ich das Ganze zu Hause nachmachen würde, und wie ich so dastand, malte ich mir aus, wie ich bunte Bilder aus Zeitschriften ausschneiden könnte, um die felsigen Landschaften nachzubauen. Wenn ich an meine spätere Karriere als Regisseur italienischer Opern denke, bin ich doch etwas überrascht, daß mein erster Bühnenentwurf eine Miniatur-Walküre war. Ich hatte Bäume und Felsen und Legionen von Figuren aus Papier … Voller Hingabe arbeitete ich Stunden um Stunden. Wenn die anderen Kinder nach der Schule draußen spielten, vergrub ich mich in meinen höchstpersönlichen „Ring des Nibelungen“ aus Papier.“

 

  Zeffirelli hat in seinen späteren Jahren zahllose Opern- und Schauspielinszenierungen auf die Bühne gebracht, viele hochgelobte Filme gedreht und noch als berühmter Regisseur viele der von ihm benutzten Dekorationen selbst entworfen. Da behaupte noch jemand, das Papiertheater sei nur eine nostalgische Spielerei!

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Das PapierTheater Nr.5                        SEITE 5                      Februar 2008

Familientradition

Theaterbesuch mit Folgen

Von Valentin und Luca

 

2 Racker aus WienDie Theatermacher Valentin und Luca

 

Beim nach Hause fahren nahmen wir uns vor, auch mal so ein Theater zu bauen. Ein paar Tage später durften wir mit Oma und Opa zu einem Kindertheater gehen und da fanden wir im Shop Schattenfiguren zum Ausschneiden. Wir bekamen jeder einen Bogen und zu Hause wollten wir uns dazu auch ein Theater bauen. Wir hatten noch ein großes Kartonhaus, das unser Theater werden sollte – die Bühnenöffnung wurde ausgeschnitten und die Rückwand geöffnet, ein Leinentuch eingespannt und schon waren wir spielbereit – ja, die Sonne war die Nachttischlampe und die Figuren wurden ausgeschnitten und auf die Führungsstäbe aus dem Spandelholz gesteckt.

Natürlich wollten wir Hänsel u. Gretel spielen, wie wir es in Wien gesehen haben, doch mussten noch Kulissen ausgeschnitten werden – ein Wald, das Knusperhaus, Hänsel und Gretel und die Hexe, die waren schon bereit.

 

Am Abend gab es eine Vorstellung, die Eltern, Oma und Opa mussten warten bis zum Glockenzeichen, dann wurden zuerst die Eintrittskarten verkauft, wie im großen Theater, und die Vorstellung konnte beginnen.

Mit ein paar Pannen ging alles gut, Hänsel und Gretel trafen die Hexe, die sie in das Haus lockte – auf einmal war alles finster und die Lampe am Boden – doch allen hat unsere Vorführung gut gefallen.

Zu Weihnachten kamen Oma und Opa aus Wien, auch sie durften die Vorstellung sehen und waren sehr überrascht und erfreut, dass ein kleiner Theaterfunke herübergesprungen war.

 

backstage

Backstage

 

Hänsel und Gretel

BÜhnenbild aus „HÄnsel und Gretel“ in der Inszenierung des WIENER PAPIERTHEATERs

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