Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
kennen Sie das Gefühl, das man haben kann, wenn man z.B. durch den historischen Teil ein italienischen Stadt geht und denkt, man befinde sich mitten in den Kulissen eines Papiertheater-Stücks? Wie muss es da erst Christian Reuter ergangen sein, als er im August des vergangenen Jahres die Ritterschauspiele in Kiefersfelden besuchte und sich fühlte wie in einem Riesenpapiertheater mit Figuren aus Fleisch und Blut!
Von „Die Moldau “ bis „Der Freischütz “ – lesen Sie im ersten Beitrag, was Ursula Pfisterer mit ihren Schülern alles zur Aufführung gebracht hat.
Glücksgefühle durchströmen den Papiertheaterfreund, wenn er sein Lieblingssujet in anderen Medien in Szene gesetzt sieht – so geschehen im Falle unseres Autors Willers Amtrup beim Betrachten des Films „Tee bei Mussolini“, der daraufhin auch noch in der Autobiografie des Meisterregisseurs Zeffirelli fündig wurde.
Valentin und Luca aus Weyer in Österreich erzählen, wie der Besuch einer Aufführung ihrer Großeltern Gerd und Kamilla Strauss ihren Schaffensdrang geweckt hat.
Auch diesmal wieder: viel Vergnügen bei der Lektüre!
(rs)
INHALT – Nr. 5 – Februar 2008
Die Lehrerin Ursula Pfisterer berichtet,
wie das Papiertheater
zum Teil
ihres Unterrichts wurde
Seite 2
Christian Reuter entdeckt die
„Ritterschauspiele Kiefersfelden“
Seite 3
Willers Amtrup über den Regisseur
und Zeffirelli und das Papiertheater
Seite 4
Valentin und Luca sehen „Hänsel und Gretel“ – und bauen ein Papiertheater Seite 5
Diese beiden warten sehnsÜchtig
auf neue BeitrÄge!
Szene aus: Claus-Bo & Hannah & …
Svalegangens Dukketheater
Das PapierTheater Nr.5 SEITE 2 Februar 2008
Papiertheater an der Schule
Kennen gelernt habe ich das Papiertheater1997 in einer Bücherei in Stuttgart. Heinz Holland und seine Frau inszenierten Balladen. Ich war begeistert.
Nach der Vorstellung durfte das Publikum einen Blick hinter die Kulissen tun, und ich kam mit dem Ehepaar ins Gespräch. Ich kaufte gleich an Ort und Stelle das Buch „Vom Umgang mit ... Papiertheater“ von Dietrich Grünewald, vertiefte mich zu Hause in dieses Buch und begann bald darauf zusammen mit meiner Tochter aus dem Karton, in dem mein Fernseher geliefert worden war, ein Papiertheater herzustellen. Eine Idee hatte ich nämlich schon: In einer 5. Klasse der Hauptschule nahm ich damals gerade „Die Moldau“ durch. Ich bat die Kollegin, die in der Klasse Bildende Kunst erteilte, die Kulissen und Figuren für das Papiertheater herzustellen, und als alles fertig war, begannen die Proben. Danach gab es Aufführungen in verschiedenen Klassen, aber auch in Altersheimen und in einem Heim für Geistigbehinderte. Das Publikum war überaus zufrieden, und die Schüler konnten auf diese Weise Erfolgserlebnisse sammeln.
So wurde seit 10 Jahren das Papiertheater mein Begleiter sowohl im Musikunterricht als auch im Fach Deutsch als Fremdsprache. Folgende weitere Stücke sind seitdem mit dem Papiertheater aufgeführt worden:
„Der Nussknacker“, „Karneval der Tiere“, „Das Dschungelbuch“, „Pedro, das Dromedar“, „Die Zauberflöte“ und im letzten Schuljahr „Der Freischütz“.
Nach ca. 20 Vorstellungen war der alte Fernsehkarton so wackelig und schäbig geworden, dass mir ein Kollege im Werkunterricht ein Theater aus Sperrholz baute, das genau in den Kofferraum meines Autos passt, denn wir gingen ja immer wieder mal mit den Aufführungen „auf Tournee“.
Im letzten Schuljahr habe ich in einer Arbeitsgemeinschaft mit Viert- und Fünftklässlern den „Freischütz“ erarbeitet. Dazu benutzte ich aus der Reihe „Jugend liebt Musik“ die CD „Der Freischütz“, Theo Adam erzählt und das dazu passende Buch von Waltraute Macke-Brüggemann und Kurt Brüggemann „Webers Oper Der Freischütz“ aus dem Musikverlag Max Hieber. Darüber hinaus brauchte ich für die Musikeinspielungen noch eine CD, auf der die Gesamtaufnahme des Freischütz war.
Zunächst erzählte ich den Kindern den Inhalt des Freischütz und zeigte ihnen die Abbildungen in dem Buch, die notwendig waren, um sie mit der Geschichte, die ihnen doch sehr fremd war, bekannt zu machen. Die Illustrationen des Buches sind wirklich wunderschön. Einige Abbildungen dienten als Vorlage für die Kulissen. (Ich stellte Folien her, die mit dem Tageslichtprojektor an die Wand projiziert wurden, auf die Tonpapier geklebt worden war. Mit Wachsmalstiften malten die Schüler die Kulissen aus.)
Die Personen des Freischütz sind vorn und hinten in dem Buch abgebildet. Diese kopierte und vergrößerte ich, die Schüler malten sie an. Später wurden sie noch mit Federn (z. B. Fürst Ottokar, Max), Spitzen (Brautjungfern) und Stoffresten ausgeschmückt. Bei diesen Arbeiten hörten wir nach und nach die CD von Theo Adam an, aber auch Musik aus der Gesamtaufnahme. Zusätzlich schauten wir uns eine DVD des Freischütz in Fortsetzungen an.
Nachdem die Kulissen und Figuren fertig gestellt waren, ging es an die Umsetzung der Geschichte für das Papiertheater. Die Wolfsschluchtszene übernahm ich komplett von der CD „Jugend liebt Musik“, d.h. die Kinder agierten „nur“ hinter der Bühne.
Wir diskutierten ausführlich verschiedene Möglichkeiten durch. Viele Vorschläge der Kinder wurden angenommen: Eine Nebelmaschine sorgte für gruslige Nebelschwaden, eine Lichtmaschine für Blitze und farblich wechselndes Licht. Die Kinder brachten an, was sie an Furcht erregenden Tieren in ihrem Kinderzimmer finden konnten wie Schlangen, Spinnen, Mäuse und Fledermäuse. Mit alten Schuhspannern wurde das Getrappel der Rösser verstärkt und mit einer Flöte das Heulen der Wölfe untermalt.
Auch ein im Biologieunterricht gebasteltes Skelett zeigte sich hier und dort, mal mit dem Kopf ins Publikum blickend, mal mit dem Arm winkend. Der Schwarze Jäger wurde von einem Teufel aus dem Kasperlespiel gespielt, der bei der Arie „Werft das Scheusal in die Schlucht“ den Caspar in hohem Bogen aus dem Theater warf. Die Wolfsschluchtszene wurde die Lieblingsszene der Kinder.
Für den ersten und letzten Teil des Freischütz kürzte ich den Text des oben genannten Buches. Ein Sprecher führte durch die Geschichte, Dialoge wurden gelesen und die Musik von der Gesamtaufnahme eingespielt. Die Schüler der Arbeitsgemeinschaft wurden durch die Erarbeitung der Aufführung zu einem Team, das hervorragend zusammenarbeitete. Die Schüler, die die Figuren führten und die Kulissen bedienten, mussten sich darauf verlassen, dass die Leser auf die Aktion am Papiertheater achteten, denn sie durften ja nicht zu schnell lesen.
Unsere Premiere, bei der ca. 35 Personen anwesend waren, Eltern, Verwandte und Freunde, wurde ein großer Erfolg. Aber auch die weiteren Vorstellungen vor Klassen und die Aufführung in einem Altersheim waren sehr schön.
Bei der Aufführung im Altersheim beobachtete ich, wie einige alte Damen bei dem Lied der Brautjungfern und der Jäger die Lippen mit dem Text bewegten. Eine von ihnen saß in einem Rollstuhl. Sie hatte nur noch ein Bein, und mit diesem wippte sie zum Takt der Lieder. Nach der Aufführung erzählte sie mir, dass der Freischütz die erste Oper gewesen sei, die sie als Jugendliche gesehen hatte.
Die „Gage“, die wir für die Aufführungen bekamen, ermöglichte es uns, zum Papiertheaterfestival nach Waiblingen zu fahren. Dort sahen wir uns die Vorstellung „Odyssee – frei nach Homer“ an. Daran hatten die Kinder und die Eltern, die mitgekommen waren, ihre helle Freude.
Eine Fortsetzung erfuhr die Arbeit am Freischütz in Hohen-Neuendorf (nördlich von Berlin), wo ich mit meinen Großnichten und deren Freunden in den großen Ferien eine etwas andere Aufführung erarbeitete, die in ein Gartenfest mündete, auf dem die Eltern der beteiligten Kinder und die Nachbarn anwesend waren.
Auf unserer Chorweihnachtsfeier führten wir einen kurzen Ausschnitt aus dem Freischütz am Papiertheater auf. Zwei Chorfreundinnen hatten mit mir die Szene bei mir zu Hause geübt, einigen Herren hatte ich in der Woche zuvor ihren zu lesenden Text mitgegeben. Nach einer kurzen Einführung von mir über die Geschichte des Papiertheaters wurde die Szene gespielt, die Texte von den Herren aus dem Publikum heraus gesprochen. Diese Art der Aufführung einer Opernszene war allen völlig neu, aber wir hatten alle großes Vergnügen daran.
Jetzt bin ich pensioniert, plane aber nach den Weihnachtsferien mit einer Arbeitsgemeinschaft mit Schülern meiner ehemaligen Schule ein türkisches Märchen für das Papiertheater umzusetzen. Ehemalige türkische Schülerinnen (Mutter und Tochter) haben sich bereit erklärt, bei der Erarbeitung mit den Kindern mitzumachen und mich besonders was die türkische Musik und Dekoration des Theaters angeht, zu beraten. Übrigens werde ich sicher die eine oder andere Figur aus der Serie „Orientalisches Märchen“, die ich auf dem Papiertheaterfestival in Waiblingen gekauft habe, verwenden.
Die Fotos wurden von der Autorin zur Verfügung gestellt
Das PapierTheater Nr.5 SEITE 3 Februar 2008
Theaterbesuch
Programmheft 2007
Ritterschauspiele Kiefersfelden 2008
RICHARDUS, KÖNIG VON ENGLAND
oder: Die Gewalt der Liebe
Romantisches Ritterschauspiel in 5 Aufzügen
von Joseph Schmalz
in der Comedihüttn (historischer Theaterstadel)
auf der noch einzig erhaltenen barocken Drehkulissenbühne
Termine 2008: 26. Juli, 2., 9., 10., 15., 16, 22., 23., 30. 31. August
Information und Karten: 08033-9765 www.ritterschauspiele-kiefersfelden.de
In meinen Tiroler Ferien im August 2007 las ich auf einem Plakat von „Kiefersfeldener Ritterspielen“ im Theaterstadl auf einer „barocken Drehbühne“. Die Bühne wollte ich verständlicherweise sehen, weil die Drehbühne in Europa doch erst 1896 erstmalig eingesetzt wurde. Das Haus war leider geschlossen. Im Touristenbüro gab es dann aber ein Heftchen über die Geschichte des Theaters und das Programmheft „Siegfried und Ludmilla“.
Und dann gab es für mich die Einladung zur Generalprobe am Abend. Eine unerwartete und freudige Überraschung, ganz besonders für den Papiertheatermenschen. Ich kenne keine der barocken Bühnen, die wir besucht haben, die so direkt als Vorlage für das Papiertheater gedient haben könnte. Die Kulissenbühne dieses Dorftheaters ist nicht technisch verfeinert. Mit Kurbeln werden die Prospekte gerolltund die Kulissenwerden von vielen Helfern manuell um ihre Mittelachse gedreht. Von den Techniken „unserer“ Bühnen unterschied sich alles nur durch die Größe. Die Wirkung war beeindruckend.
Seit 1618 wird in Kiefersfelden am Inn Volkstheater gespielt, zunächst natürlich Passions- und Legendenspiele, deren Stoffe oft dem Jesuitentheater entnommen wurden.
1803 wurde für diese Spiele eine Theaterhütte gebaut, die 1833 durch einen Neubau am Dorfrand mit der Übernahme der alten Bühneneinrichtung ersetzt wurde.
Bühnenboden, Kulissen und die ganze alte historische Bühneneinrichtung blieben auch nach einem vergrößernden Umbau 1965–1967 quasi
unveränderterhalten, selbst als das Bühnenhaus 1971 nochmals erweitert und modernen Erfordernissen angepasst wurde.
Die Bühne mit ihrem Aufbau gibt einen einmaligen Eindruck der spätbarocken Theatertechnik im wohl ältesten erhaltenen deutschen Volkstheater. Sie ist damit besonders als theatergeschichtliches Dokument von Bedeutung, weil sie über den Prototyp der ländlichen Kulissenbühne die wichtigsten Eigenschaften der barocken Kulissenbühne vertritt (siehe: Dr. Ekkehard Schönewiese, Kiefersfelden und seine Ritterspiele, o. J.)
Keine Drehbühne also, sondern eine Drehkulissenbühne: Fünf doppelseitige Drehkulissen auf jeder Seite bieten mit aufgesetzten Klappteilen die Basis für vier vorbereitete Dekorationen, die mit den in drei Gassen möglichen Hängeprospekten und vier weiteren Schiebeprospekten äußerst flinke Bühnenverwandlungen erlauben. Vorzuhängende Kulissen erweitern die Fülle der Bühnenbilder ins Beliebige.
Die historische Kostümierung der Kiefersfeldener Darsteller verstärkt zusätzlich die Parallelität zum Papiertheater.
Selbstverständlich sind Wind- und Donnermaschine vorhanden – handbetrieben in alter Technik. Das Licht mit farblichen Effekten und natürlich auch die Blitze sind heute allerdings elektrisch.
Der Hauptvorhang stammt aus dem Jahr 1814 und zeigt das Inntal mit dem Blick auf die Festung Kufstein von Kiefersfelden aus.
23 Stücke wurden seit 1838 wiederholt inszeniert, wenn auch einige Jahre das Spiel ausfallen musste. Die Texte stammen meist aus der Zeit um 1800 und Vergleiche mit unseren historischen Heften sind nicht ganz abwegig. Viele der Dekorationen stammen auch aus alter Zeit in einem Stil, der direkt an unsere alten Bogen denken lässt.
Es ist jedem von uns zu empfehlen, dieses lebensgroße „Papiertheater“ einmal zu erleben. So erfuhren wir, dass Klaus Loose mit seiner Bamberger Truppe hier die Genovefa gesehen hatte, die sich die Kiefersfeldener dann wiederum in dessen Marionettentheater anschauten. So war ich also nicht der erste aus unserem Kreis dort, aber wer wusste bisher davon?
Der Hauptvorhang stammt aus dem Jahr 1814
Dekorationsprobe: Wald mit HÖhle und Feuerstelle
Mit diesen Kurbeln werden die Prospekte gerollt
Diesen Figuren fehlen nur die FÜhrungsdrÄhte
Beeindruckende Bühnenwirkung der Kulissen
Das Burgverlies und der Kerker …
… gehÖren auch zum Fundus eines zÜnftigen Papiertheaterspielers
Mit Hilfe der Kulissen entsteht eine unerschÖpfliche Fülle an BÜhnenbildern
Windmaschine und Prospektrollen
Kulissen warten auf den Einsatz
Das PapierTheater Nr.5 SEITE 4 Februar 2008
In anderen Medien
Hier sorgt Mary Wallace für eine fachgerechte ausleuchtung
der Balkonszene aus Shakespeares „Romeo und Julia “
Tee mit Mussolini
Regie: Franco Zeffirelli, USA, Italien, 1999
mit Luca Innocenti als Charlie Lucas
und Joan Plowright als Mary Wallace
Zeffirelli – Autobiographie
Piper-Verlag, München 1987
Jeder, der sich etwas intensiver mit der Geschichte des Papiertheaters beschäftigt hat, weiß ja inzwischen, wie viele bekannte Persönlichkeiten dieser „kleinen“ Liebhaberei verfallen waren – Stevenson, Churchill, Thomas Mann, um nur einige zu nennen. Dass große Bühnenkünstler ihre Karriere mit der „Großen Liebe zum kleinen Theater“ begannen, ist u.a. bei Dietrich Fischer-Dieskau nachzulesen (siehe „PapierTheater“ Nr. 14 vom Dezember 1999). Aber auch insoweit kommt es immer wieder zu Überraschungen:
Norbert Neumann entdeckte vor einiger Zeit den Film „Tee bei Mussolini“ des italienischen Regisseurs Franco Zeffirelli auf einer Videokassette; inzwischen ist der Film auf DVD erhältlich und vor kurzem auch im Fernsehen ausgestrahlt worden.
Eigentlich müsste man nun zuerst den Inhalt dieses wirklich zauberhaften, weitgehend auf tatsächlichem Geschehen basierenden Films ausführlich erzählen, in dem eine Gruppe spleeniger englischer Damen die zunehmend unheilvolle Entwicklung des Faschismus in Italien zu ignorieren versucht und sich in völliger Verkennung der Realitäten ausgerechnet durch den Duce geschützt wähnt. Verwoben ist diese Geschichte mit dem Heranwachsen des italienischen Jungen Luca, dessen Schicksal auf mannigfache Weise mit dem dieser Damen verknüpft ist. Aber uns geht es hier ja um das Papiertheater – und deshalb sollten Sie sich den Film selbst ansehen; es lohnt sich. Zeffirelli selbst nannte ihn in einem Interview eine „bittersüße Geschichte mit vielen komödiantischen Effekten“.
Also zum Papiertheater: Der Film enthält eine längere, schön gestaltete Sequenz, in der eine dieser Ladies und ein halbwüchsiger Junge auf einem alten Papiertheater die berühmte Balkonszene aus Shakespeares „Romeo und Julia“ nachspielen. Diese Episode nun ist nicht nur der Einfall eines guten Drehbuchautors; vielmehr schildert Zeffirelli in der Gestalt des Luca weitgehend seine eigene Jugend und in der Papiertheater-Episode ein eigenes Erleben mit seiner Englischlehrerin, die im Film Mary Wallace heißt, in Wahrheit aber den Namen Mary O’Neill trug. In seiner 1987 in deutscher Übersetzung erschienen Autobiografie, die wir dank der tatkräftigen Unterstützung des schier allwissenden Alberto Milano auftreiben konnten, schreibt er dazu auszugsweise folgendes:
„Bei Mary O’Neill lernte ich ungefähr vier Jahre lang Englisch … Wir spielten zusammen einige Szenen aus den großen Dramen durch. Am liebsten mochte sie die Balkonszene aus „Romeo und Julia“. Sie hatte wohl in ihrer Jugend einmal die Julia gespielt, und wenn sie die göttlichen Verse rezitierte, schien sie in eine Art übernatürliche Verzückung zu geraten. In solchen Augenblicken konnte man erahnen, welch zauberhafte junge Frau sie einst gewesen sein musste; allerdings brachte mich das Klappern ihres Gebisses immer wieder reichlich unsanft in die Gegenwart zurück. Gelegentlich fielen nämlich bei einer leidenschaftlichen Passage ihre falschen Zähne auf den Boden, aber mit einem geübten Handgriff praktizierte sie sie in den Mund zurück.“
Shakespeares Balkonszene war aber keineswegs die erste Begegnung Zeffirellis mit dem Papiertheater. Für einen früheren Zeitpunkt seiner Jugend findet sich nämlich in dem Buch der folgende Text, nachdem er zuvor über Ferienaufenthalte in der Toscana berichtet hatte:
„Wenn der Sommer vorüber war, begleiteten mich diese Erinnerungen nach Florenz. Ich zog mich in meine eigene kleine Spielzeugwelt zurück – etwa die kleinen Theater – teatrini –, die ich mir baute und mit Bühnenbildern und Figuren füllte. Als Gustavo, der Lebensgefährte meiner Tante, merkte, daß sich dies zu einer regelrechten Manie auswuchs, beschloß er, dieses Interesse zu fördern … (und) daß ich in die Wonnen des professionellen Theaters eingeführt werden sollte. Ich war erst acht oder neun, als wir in die Oper in Florenz gingen, wo … Giacomo Rimini den Wotan in der „Walküre“ sang … Nach der Vorstellung nahm Gustavo uns hinter die Bühne mit. … Ganz allein stand ich da und starrte die Kulissen an, die gerade hinausgeschoben wurden, und das Bühnenbild, das die Bühnenarbeiter abbauten. Augenblicklich stand für mich fest, daß ich das Ganze zu Hause nachmachen würde, und wie ich so dastand, malte ich mir aus, wie ich bunte Bilder aus Zeitschriften ausschneiden könnte, um die felsigen Landschaften nachzubauen. Wenn ich an meine spätere Karriere als Regisseur italienischer Opern denke, bin ich doch etwas überrascht, daß mein erster Bühnenentwurf eine Miniatur-Walküre war. Ich hatte Bäume und Felsen und Legionen von Figuren aus Papier … Voller Hingabe arbeitete ich Stunden um Stunden. Wenn die anderen Kinder nach der Schule draußen spielten, vergrub ich mich in meinen höchstpersönlichen „Ring des Nibelungen“ aus Papier.“
Zeffirelli hat in seinen späteren Jahren zahllose Opern- und Schauspielinszenierungen auf die Bühne gebracht, viele hochgelobte Filme gedreht und noch als berühmter Regisseur viele der von ihm benutzten Dekorationen selbst entworfen. Da behaupte noch jemand, das Papiertheater sei nur eine nostalgische Spielerei!
Das PapierTheater Nr.5 SEITE 5 Februar 2008
Familientradition
Die Theatermacher Valentin und Luca
Hänsel und Gretel –
Gekürzte Fassung der Oper von Engelbert Humperdinck in 7 Bildern –
Die Aufführung vom WIENER PAPIERTHEATER
von Gerd und Kamilla Strauss und Manfred Heller auf der website des Preetzer Papiertheatertreffens
Es war an einem Sonntag im November 2007, da sagte uns unsere Mutter, dass wir heute nach Wien zu einer Theateraufführung fahren wollen. Unsere Augen wurden groß, doch noch größer als wir erfuhren, dass es eine Aufführung von Hänsel und Gretel mit einem Papiertheater sei.
Schnell war alles vorbereitet und im Auto verpackt für die Fahrt von Weyer nach Wien – nach 2,5 Stunden standen wir vor dem Barock Palais des Österreichischen Theatermuseum rechtzeitig zum Vorstellungsbeginn des Wiener Papiertheaters.
Ein freundlicher Portier zeigte uns den Weg – es waren schon viele Zuschauer anwesend, im Spielraum waren 25 Sitze aufgestellt und der rote Vorhang mit der Bühne – voll Erwartung setzten wir uns in die 1. Reihe.
Das Licht ging aus, die Musik begann, der Vorhang öffnete sich – eine Hütte im Wald, Hänsel und Gretel, Tiere von links und rechts, der Wald wurde immer tiefer und finsterer, Wetterleuchten, Nebelfrauen, die Hexe mit dem Zauberstab und sie flog durch die Luft und in den Ofen, der mit einem großen Knall einstürzte, die verzauberten Lebkuchenkinder wurden lebendig und aus dem Feuer erschien die Lebkuchenhexe und alle tanzten voll Freude um sie herum, der Vorhang ging zu – das war cool.
Beim nach Hause fahren nahmen wir uns vor, auch mal so ein Theater zu bauen. Ein paar Tage später durften wir mit Oma und Opa zu einem Kindertheater gehen und da fanden wir im Shop Schattenfiguren zum Ausschneiden. Wir bekamen jeder einen Bogen und zu Hause wollten wir uns dazu auch ein Theater bauen. Wir hatten noch ein großes Kartonhaus, das unser Theater werden sollte – die Bühnenöffnung wurde ausgeschnitten und die Rückwand geöffnet, ein Leinentuch eingespannt und schon waren wir spielbereit – ja, die Sonne war die Nachttischlampe und die Figuren wurden ausgeschnitten und auf die Führungsstäbe aus dem Spandelholz gesteckt.
Natürlich wollten wir Hänsel u. Gretel spielen, wie wir es in Wien gesehen haben, doch mussten noch Kulissen ausgeschnitten werden – ein Wald, das Knusperhaus, Hänsel und Gretel und die Hexe, die waren schon bereit.
Am Abend gab es eine Vorstellung, die Eltern, Oma und Opa mussten warten bis zum Glockenzeichen, dann wurden zuerst die Eintrittskarten verkauft, wie im großen Theater, und die Vorstellung konnte beginnen.
Mit ein paar Pannen ging alles gut, Hänsel und Gretel trafen die Hexe, die sie in das Haus lockte – auf einmal war alles finster und die Lampe am Boden – doch allen hat unsere Vorführung gut gefallen.
Zu Weihnachten kamen Oma und Opa aus Wien, auch sie durften die Vorstellung sehen und waren sehr überrascht und erfreut, dass ein kleiner Theaterfunke herübergesprungen war.
Backstage
BÜhnenbild aus „HÄnsel und Gretel“ in der Inszenierung des WIENER PAPIERTHEATERs