Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Manfred Mahler eröffnet diese neue Ausgabe unserer Webzeitung mit einem spannenden Diskussionsbeitrag zur Altersstruktur der Papiertheaterspieler.
Im zweiten Artikel schildert Uwe Warrach eine beglückende Erfahrung: völlig selbständig hat die neunjährige Saskia, inspiriert von seinen Hör-CDs, ein Papiertheater gebaut.
Von einer Reise nach Deutschland in den 40er Jahren bringt der Onkel seinem Patensohn in Griechenland ein Papiertheater mit, dass letzterer Anno 2000 dem Benaki Museum in Athen schenkt. Diese Schenkung nimmt Maria Argyriadi, Kustodin der Spielzeugsammlung des Museums, zum Anlass, eine wunderbare Charakterstudie deutscher Jungs und ihrer Papiertheatergepflogenheiten im Internet zu veröffentlichen. Und auf diesen Text stößt auf seinen unermüdlichen Streifzügen unser Autor Christian Reuter: Gelobt sei das Word Wide Web …
Gerade haben uns Hörst Römer und seine Familie auf dem 22. Preetzer Papiertheatertreffen mit ihrer Aufführung „Die Pilgerreise nach Westen“ aufs wunderbarste unterhalten – da fordert er von uns im vierten und letzten Beitrag dieser Ausgabe höchste Konzentration: Minutiös legt er den Forschungsstand über einen Vorläufer des Papiertheaters dar, den „Raritätenkasten“.
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
(rs)
Das PapierTheater Nr.12 SEITE 2 August 2009
Kinder-Theater I
Definitiv kein Seniorenauftritt: Marvin und sein Theater
Manfred Mahler ist Mitglied der „Berliner Interessengruppe zum Erhalt der Papiertheatertradition“
Website „Papiertheater Berlin“
Hat man die Zeit eines Besuches im Jahreszyklus des Preetzer Papiertheatertreffens, muß man schon zu dieser Einschätzung kommen: Jugendbühnen sind zwar willkommen, aber nicht (mehr) vertreten.
Wo liegen hierfür die Gründe? Versuch einer Erklärung: Schulabgänger haben die Lasten zum Berufseinstieg oder Studium, so bleibt wenig Zeit für die Kulturhistorie im Sinne des Papiertheaters. Es folgen die Probleme des Alltags, wie der Wunsch nach Erfolg und eine unübersehbare Kraft für die Arbeit und die Familie.
Daraus folgt: Die Altersgruppen von 15–55 Jahren sind zeitlich schwer in der Lage, dieses Hobby umzusetzen. Bleiben also nur noch zwei Altersbereiche übrig, die Schüler von 8–14 Jahren oder die Gruppe derjenigen, die ohne Versorgungsverpflichtungen Freiraum genießen. Wobei wieder die Überschrift im Licht steht.
Schon vor Jahren hatte eine Lehrerin (Mitglied des Vereins Forum Papiertheater) zwei Schulklassen mit einem Papiertheater-Projekt begeistern können. Die
(bekannten) pädagogischen Einflüsse brachten viele wichtige Aspekte zusammen. Um nur einige beispielhaft aufzuführen: das Kommunizieren untereinander, die Einbeziehung der Eltern (Beleuchtung, Ton) und die Erfolgserlebnisse bei den Vorstellungen.
In den seit Über 11 Jahren stattfindenden Auftritten verschiedener Bühnen im Stadtmuseum Berlin gibt es eine berichtenswerte Wende zum klassischen Papiertheaterspiel. Hier treten seit 2007 Kinderbühnen als Vorprogramm mit eigenen, kleinen Bühnen vor der jeweiligen Aufführung ins Rampenlicht.
Diese kaum 10 Minuten langen Stücke aus dem Märchenrepertoire vermitteln Charme, bei liebenswerter Einfachheit, gefördert und geführt von Regine Mahler. Eine Besonderheit liegt ihr (nach nunmehr 31 Jahren) immer noch am Herzen, die Einbeziehung von Kindern in Produktionen des Papiertheaters-Berlin. Eine kindliche Begeisterung auf Erfolgsniveau. Es ist unumstritten, daß die Kinder ohne Unterstützung Erwachsener (Eltern und die schon erwähnten Senioren) eine eigene Bühne nicht selbst fertigen können.
Das ist auch nicht nÖtig, denn die Wahl des Stückes, das Zeichnen der Kulissen und das Basteln der Figuren ist ja aufregend genug. Daß Senioren das bestens können, ist vielerorts zu bewundern, dieses Wissen jedoch aktiv weiterzugeben ist ihr Auftrag.
Emmas blick hinter die Kulissen
Das PapierTheater Nr.12 SEITE 3 August 2009
Kinder-Theater II
Werkstatt und WanderbÜhne
Gestern war Saskia (9) da. Vor sich her trug sie den großen Karton von Papas neuen Stiefeln. Jetzt hatte sie ihn (den Karton) in ein Papiertheater verwandelt.
Bis dahin wusste sie über Papiertheater nicht mehr, als das, was in dem Belisa-und-Max-Hörbuch „Das Papiertheaterschiff“ erzählt wird. Diese CDs wurden wieder und wieder eingelegt, als sie mit einer fiebrigen Erkältung im Bett lag. (Am Ende konnte Mama schon mitspielen.) Aber dann geschah es:
Anstatt sich einfach gesund zu schlafen, fing Saskia an zu planen und zu basteln. Sie malte ein Piratenschiff nebst Personal, Himmel und Sonne, schnitt aus und klebte auf und befestigte Drähte an den Figurinen mit Tesafilm. (Eine Rolle Draht und eine Kneifzange gehören außerdem zur Grundausstattung ihrer Wanderbühne).
Der Kartondeckel wird als Vorhang hochgeklappt, der Kartonboden dient als Rückseite, die untere Kante als Bühnenboden. Durch einen Spalt in der Oberkante, sozusagen den Schnürboden, schiebt Saskia die Kulissen durch. In die untere Kante des nun aufrecht stehenden Kartons hat sie Bahnen eingeschnitten, durch die sie die an Drähten befestigten Requisiten und Figurinen hin- und her bewegt.
Ohne je von Robert Poulter’s „Captein Brogas“ gehört zu haben, setzte sie ebenso wie er für das Meer eine schmale blaue Borte auf die Vorderkante des Bodens, und zwar „mit Klebeknete“.
Dann packte sie ihren Knüller aus: Schwarzweiße Kopien des Piratenschiffes und seiner Besatzung. „Die
sind für die Nacht.“ Darauf muss man kommen. Überhaupt könnte man nun mutmaßen, Eltern und Großeltern hätten mitgewirkt, aber das haben sie genau nicht, sie wussten bis dahin noch weniger übers Papiertheater als Saskia. Zwar bedarf es wegen der Bühnenstatik noch der Assistenz von Mama zum Festhalten, doch sind das die Anfangsschwierigkeiten aller Papiertheaterunternehmer, und zwar bei meist weitaus teureren Bauvorhaben.
Natürlich sind wir anschließend mit Mama und Oma in den Keller gegangen, um meine „Hänsel und Gretel“- Aufführung und ein paar andere Bühnen anzusehen, namentlich das Papiertheater aus dem Umzugskarton (siehe Webzeitung Nr. 9/Oktober 2008 und Druckversion, Nr. 4/Dezember 2008). Schließlich freut man sich ja als vermeintlich Alter Hase über das Interesse des jüngsten Bühnennachwuchses und teilt ihm gerne sein profundes Wissen mit.
Doch dann erkundigte sich Saskia nach der Herkunft meiner Figurinen und Kulissen. Und ich musste zugeben, dass ich alles irgendwoher bezogen oder abgekupfert habe. Ihr Interesse an ein paar überzähligen Teilen, die mitzunehmen ihr natürlich angeboren wurde, hielt sich in Grenzen. Da musste ich an Spieler wie Robert Poulter und die Römers denken, deren selbst erdachte und geschneiderte Kreationen ich immer bewundere.
Saskia jedenfalls macht ihre Requisiten auch selbst. Einschließlich der nächtlichen Gestalten …
Auf Beutezug
Tropenhimmel und Meer
SeerÄuber und Schatzinsel
Nachtgestalt
Das PapierTheater Nr.12 SEITE 4 August 2009
Papiertheater-Geschichte I
Titelseite
Artikel von Maria Argyriadi auf der Website der griechischen Zeitschrift ΩΔΥΖΖΕΙΑ
„GEORGE YEROULANOS DONATED A GERMAN TOY THEATRE TO BENAKI MUSEUM –
A PAPIERTHEATER FROM SCHMIDT & ROMER OF LEIPZIG –
Maria Argyriadi –
Toys, Games and Childhood Collection of Benaki Museum –
This cut-out toy theatre (Papiertheater), manufactured by Schmidt & Romer of Leipzig in 1890, came into the possession of the Benaki Museum in 2000, as a donation from Georges Yeroulanos, whose godfather had given it to him as a present after a visit to Germany in the 1940s …“ Dringend zum Weiterlesen empfohlen:
www.odusseia.gr/odusv7/geroulanosengl
Papiertheater, die Ende des 19. Jhdts von der Leipziger Firma Schmidt & Römer als sogenannte Industrietheater produziert wurden, sind uns gut bekannt.
Bei Internetrecherchen stieß ich in der griechischen Zeitschrift ΩΔΥΖΖΕΙΑ aus dem Jahr 2005 auf die Beschreibung eines Papiertheaters, das vom Athener Benaki-Museums erworben wurde. Es wird als die große Thalia-Bühne dieses Leipziger Verlags beschrieben.
Überraschend und unbekannt war aber der Hinweis in dem englischen Artikel, dass eine Firma R. Schreiber nicht nur das Geschäft, sondern auch den Stil von Schmidt & Römer übernommen haben sollte. Autorin des Artikels ist Maria Argyriadi, Kustodin der Spielzeugsammlung des Museums.
Wir wissen, dass S & R, wie mehrere Hersteller von „Industrietheatern“, fremde Dekorationen, besonders von J. F. Schreiber zur Ausstattung ihrer eigenen Bühnen übernahmen. Die griechische Sicht einer Firmenübernahme etwa durch F. J. (R.?) Schreiber ist zweifelhaft. Nicht ausgeschlossen ist aber auch, dass sich bei der Übersetzung ins Englische ein Beziehungsfehler eingeschlichen haben kann. Man sollte den griechischen Originaltext vielleicht zu Rate ziehen.
Jedenfalls war es für mich der Anlass, der uns weitgehend nicht bekannten Geschichte dieser Firma nachzugehen, um den Fehler aufzuklären. Wenn es auch eine Zusammenarbeit zur Benutzung Schreiberscher Bogen gegeben haben wird, lassen sich keine Hinweise für die Behauptung von Frau Argyriadi belegen.
In der Spielzeugzeitung „spielbox“ Nr.3/2006, S. 32/33, fand ich einen Artikel über Schmidt & Römer von Rudolf Rühle. Ich wusste vage, dass S & R in Leipzig vorwiegend Spiele hergestellt hatte. Der Hinweis auf Kartenspiele ließ mich Kontakt zu dem Sammler von Familienkartenspielen, Ernst Krumbein, aufnehmen, der uns von der Arbeitsgemeinschaft Bild-Druck-Papier bekannt ist. Es stellte sich heraus, dass er auf der Suche nach den Herstellern von Kartenspielen die Firmengeschichte in den Leipziger Archiven intensiv durchgearbeitet hatte und der Artikel auf einem Interview mit ihm beruhte.
Nach diesem Artikel sind über 150 Spiele dieser Firma bekannt, vor allem Brett- und Kartenspiele, Zauberkästen, Kaufläden und auch Kaspertheater. Ob unter dem Begriff auch die Papiertheater gemeint sind, ist nicht klar.
Mir sind zwei Bühnen der Firma bekannt, das große Theater mtr der Aufschrift „Thalia“ und ein etwas kleineres in ähnlichem Stil der Gründerjahre. S & R brachte in gleicher Größe zu beiden Bühnen passend zwei Dekorationen, Dorf und Gründerzeitzimmer sowie Texthefte verschiedener Stücke mit den zugehörigen Figuren heraus.
Der stabile Holzkasten war Bühnenboden und Sockel für die spielfertige Bühne, diente aber auch zur Aufbewahrung von Proszenium, Dekorationen und Figuren. Der rote rollbare Tuchvorhang war mit einem goldenen Muster bedruckt.
Wahrscheinlich vertrieb S & R seine Theater zusammen mit etlichen Schreiber-Bogen, die seinen Dekorationsfundus erheblich erweiterten. Bei den mir bekannten Theatern sind sie jedenfalls immer dabei.
Die 13 bekannten Texthefte zeigten das kleine Proszenium schwarz auf dem grauem Titelkarton gedruckt. In dessen leeren Bühnenraum stand „Neueste Kinder-Bühne“, darunter „Text und Figurenbogen zu“, danach der Titel des Stücks und dann als Klassifizierung etwa „Märchen in zwei Akten“ und unterhalb des Proszeniums die Zeile „Figurenbogen anhängend“.
Gerade darüber war ich immer verwundert, denn bei keinem meiner Hefte und keinem, das ich kannte, waren Figurenbogen zu finden, nicht einmal Klebspuren, wie üblich bei Schreiber-Heften.
UnterstÜtzt wurden meine Zweifel, dass bei meinen und bei allen mir bekannten Bühnen der Firma unterschiedlicher Provenienz sämtliche Figuren offensichtlich profihaft ausgeschnitten und stabilisierend lackiert waren, ein Zustand, der eine fabrikmäßige Lieferung annehmen ließ. Sollten sie privat ausgeschnitten worden sein, müsste es auch Figuren ohne Lackierung geben.
Vor kurzem fand ich ein Heft, das wahrhaftig einen lithografischen Figurenbogen - ohne die übliche Lackoberfläche - gefaltet und eingeklebt wie bei Schreiber enthielt.
D. DrÖse weist in seiner weißen Reihe noch auf eine kleinere Dekoration und kleinere Figuren der Firma hin und W. Röhler schreibt der Firma fünf Bühnen zu. Bisher bezweifele ich das, ohne aber weiter recherchiert zu haben.
Nun kurz zur Geschichte der Firma:
Schmidt & Römer ist am 11. 1. 1881 von Richard Traugott Schmidt für Druckerzeugnisse verschiedener Art, also auch Spiele, in Leipzig gegründet worden. 1887 verlegte er zur Erweiterung den Firmensitz nach Reudnitz, heute ein Leipziger Stadtteil. Dort werden dank größerer Werkstätten wohl auch die Theater entstanden sein. Für den künstlerischen Teil war der Illustrator Carl Römer zuständig.
Ende 1892 wird August Theodor Römer Mitinhaber. Das oft versteckt aufgebrachte Logo der Firma besteht aus den verschlungenen Buchstaben S und R.
Mitte 1922 verlässt er die Firma, und drei Frauen der Familie Römer treten als Kommanditistinnen ein. Außerdem wird Max Rudolph Wolff Gesellschafter.
Noch im gleichen Jahr wird eine der drei Kommanditistinnen von H. F. Jütte ersetzt, der seit 1873 eine graphische Anstalt in Leipzig betreibt. Das Logo wird diesmal aus den Buchstaben R, S, und L (Leipzig) neu gestaltet.
In den Textheften wird auf die Druckerei Pöschel & Trepte verwiesen, die seit 1870 als Druckerei und Lithographie-Anstalt bis 1943 in Leipzig besteht. Es ist anzunehmen, dass S & R schon von Beginn an mit dieser Druckerei zusammenarbeitete.
Wenn auch die Firma in der Entwicklung ihrer Spiele anfangs sehr produktiv war, wurden nach 1922 doch nur noch vier neue geschaffen. 1932 scheint dann die Produktion zu ruhen und 1937 wird die Firma aufgelöst. Die Geschäftsbücher hat Jütte übernommen.
Autor nun der Theater-Texte in Versform ist Richard Schmidt selbst. Der Umfang von meist 16 Seiten entspricht den Schreiber-Heften. Entstehungszeiten und eine Reihenfolge sind für die nicht nummerierten Hefte unbekannt.
Folgende Titel sind erschienen:
Aladin oder die Wunderlampe
Aschenputtel
Der gestiefelte Kater
Der Freischütz
Die Nibelungen
Die sieben Raben
Dornröschen
Genoveva
Reinecke der Fuchs
Rotkäppchen
Rübezahl
Schneewittchen
Wilhelm Tell
Vielleicht gibt es noch weitere Hefte, denn 13 ist eine ungewöhnliche Zahl, und vielleicht sind noch andere Informationen über die Spielzeugfirma Schmidt & Römer bekannt. Es wäre interessant.
FreischÜtz-Bogen
Thalia- Proszenium
Kleines Proszenium
Das PapierTheater Nr.12 SEITE 5 August 2009
Papiertheater-Geschichte II
Grafik von Gaetano Zompini, Venedig 1785
„In diesem Kasten zeige ich die neue Welt
Mit fernen Landschaften und Perspektiven,
Bloß einen Fünfer kostet’s, und schon hab’ ich ihn.“
(Ganz, 53)
Venedig, Anfang des Jahres 1769. Es ist Karneval. Die Stadt ist von Schaustellern überflutet; auf dem Markusplatz und der Piazetta, in den Arkaden des Dogenpalastes bieten sie ihre Attraktionen an: Bänkelgesang, Wahrsagerei, Wunderheilung, Comedia dell’arte und jene merkwürdigen Kästen, in die man hineinschauen und Dinge sehen kann, die man noch nie gesehen hat: ferne Länder, Helden aus der Sagenwelt, verstorbene historische Persönlichkeiten …
Sinnigerweise heißen diese Wunderkästen auf Italienisch „mondo nuovo“, Neue Welt. Dank der venezianischen Genremaler Pietro Longhi, Gabriel Bella, Giovanni Domenico Tiepolo, Francesco Guardi und des Kupferstechers Gaetano Zompini können wir uns ein Bild von diesem Treiben machen.
Unter den Passanten ist auch ein gewisser Advokat mit Namen Giuseppantonio Costantini, alias Graf Agostino Santi Pupieni. In einem Brief vom 6.2.1769 schreibt er einem Korrespondenten:
„Vor einigen Tagen ging ich in Maske mit meinem Freund auf diesen Platz, als ich einen von diesen Schelmen bemerkte, die durch die Welt laufen mit gewissen Maschinen oder Kästen in verschiedenen Formen, die der Pöbel ‚Neue Welt‘ betitelt. Er hatte auf eine Art Tisch oder Bank seinen Laden aufgestellt, und lud mit lauter Stimme ein, wer Fürstenhöfe, Jagden, Schlachten zu Lande und zu Wasser und tausend andere seiner Flausen sehen wollte, und das alles gegen Zahlung eines halben Hellers. Mir kam in den Sinn, meine Neugier zu befriedigen …
Als wir nun einen unbesetzten Platz fanden, brachten wir das Auge nahe an zwei Löcher, die, wie ich bemerkte, mit konvexen Kristallen ausgestattet waren, welche die Gegenstände viel größer als in Wirklichkeit erscheinen ließen. Was wollt Ihr, dass ich Euch nun erzählen soll? Man sah einen Königssaal mit dem Monarchen auf dem Thron, Kavaliere, Edelfrauen und Wachen, die alle Kopf und Arme bewegten, vorübergingen, sich verneigten …
Aber schließlich waren alles Puppen, zum Teil aus Holz, zum Teil aus Karton. Ein Garten mit Grünzeug, Springbrunnen und Hintergrundlandschaften, aber alles gemalt. Eine Hirschjagd, Wildschweine mit Edeldamen und Kavalieren zu Pferde, Jäger und Hunde: alle liefen, aber ohne die Füße zu bewegen. Eine Seeschlacht; aber die Schiffe, die gingen und kamen, waren aus Karton; sie fuhren vorwärts und rückwärts, geführt von senkrechten Fäden, die sie hin und her wogen ließen, als ob sie auf dem Meere wären.“
(nach: Zotti Minici, S. 44; Übersetzungen aus dem Italienischen von Vinzenz Karopka)
Der Autor, der diesen anschaulichen Bericht zitiert, ist der Meinung, es handle sich bei dem Apparat um „ein perfektes Modell des Kosmoramas“ (ebda). „Kosmorama“ bezeichnet aber „eine Kleinform des Panoramas, einen dunklen Raum“, der „mit in der Wand angebrachten Linsen versehen“ war, „durch die der Betrachter verschiedene Bilder am Ende eines schwarzen Tunnels erblicken konnte“ (Dewitz, S. 433). Dabei schreibt der Advokat eindeutig von einem „Laden“, der aufgestellt war, einem kleineren Objekt also. Zudem wurde das erste Kosmorama „am 1. Januar 1808 in den glasüberdachten Galerien des Palais Royal in Paris eröffnet“ (ebda).
Der Advokat selbst nennt das von ihm benutzte Gerät „mondo nuovo“. Der Name gilt gemeinhin als italienische Bezeichnung für den Guckkasten. In der Tat ist von einem Kasten mit Löchern und Linsen die Rede („mit konvexen Kristallen“), ferner von Kulissen („Königssaal“, „Garten“, „alles gemalt“) nebst Versatzstücken („Schiffe“) und vor allem von „Puppen“, die „aus Karton“ oder „Holz“ angefertigt waren. Dies erinnert an die Engelbrecht’schen Guckkästen, in denen es nicht nur Bilder, sondern gestaffelte Kulissen und auch Figuren als separate Schauobjekte gab.
Doch es gibt einen wesentlichen Unterschied zum Apparat in Venedig. Die Figuren in den deutschen Kästen „stehen auf dem Bühnenboden oder sind an die Kulissen seitlich ‚angelehnt‘. Sie sind aber … nicht beweglich.“ (Füsslin, 48)
Der Graf hat jedoch beobachtet, dass sich Versatzstücke und vor allem Figuren bewegten – einmal als ganzes („ohne die Füße zu bewegen“), zum andern in sich: Die Schiffe wogten, die Menschen bewegten Köpfe und Arme und verneigten sich. Dies wird mittels der Fäden geschehen sein, die der Betrachter bei den wogenden Schiffen deutlich wahrnahm. Was Giuseppantonio Costantini, alias Graf Agostino Santi Pupieni in seinem Brief beschreibt, ist weder Kosmorama noch Guckkasten, sondern ein Raritätenkasten.
Zwar gab es eine gewisse Dynamik auch in den Guckkästen. Per Schiebe-, Klapp- und Drehmechanismen, mittels Hebeln, Kurbeln und Schnüren wurden nämlich die Bilder gewechselt. Außerdem fiel durch das Öffnen und Schließen von Klappen Licht wechselweise von vorne oder hinten auf Transparentbilder, so dass Veränderungen von Tageszeiten simuliert werden konnten. Man ließ auch Licht auf Teile der Bilder fallen, die mit Metallstaub versehen waren, um so „rudimentäre Bewegungseffekte wie das Changieren von Feuer oder ‚spiegelnden‘ Wasseroberflächen hervorzurufen.“ (Hick, 227) Doch das alles ändert nichts an der Tatsache, dass im Guckkasten die Figuren starr blieben, im Raritätenkasten nicht.
1930 hat Harald Elsner von Gronow ihn zum ersten Mal vorgestellt. Georg Füsslin hat darauf aufbauend den Raritätenkasten explizit als Vorläufer des Guckkastens bezeichnet. Alle neueren Untersuchungen stützen sich auf Gronows und Füsslins Ergebnisse. Doch alle behandeln den Raritätenkasten eher beiläufig, lediglich als Anmerkung zum Guckkasten. Der Begriff „Raritätenkasten“ wurde häufig als alternative Bezeichnung für den Guckkasten verwendet. Dafür sprechen nicht nur die Einträge im Grimmschen Wörterbuch („guckkasten in welchem man raritäten erblickt“) und im Duden(„auf einem Jahrmarkt aufgestellter Guckkasten …, in dem Raritäten … betrachtet werden können“).
Auch die Kaufrufe von Guckkastenmännern enthielten in der Regel das Wort „Rarität“ („Raree Show“, „Rare chose à voir“, „Rarität“, „Raritet“, „Raritäte“, „Rarité“, „Raritäten“). (Vgl. Ganz, 61, 68; Füsslin, 36; Geimer-Stangier, Mombour, 22; Hick, 216; Segeberg, 100.) Sogar in der Forschungsliteratur wird der Begriff als Synonym für Guckkasten verwendet (Grünewald, 19; Dewitz 435; Hick 217). Aus dem Brief des Venezianers geht hervor, dass man umgekehrt den Begriff „Guckkasten“ bzw. „mondo nuovo“ auch für Raritätenkästen benutzt hat – insgesamt eine gewisse Begriffsverwirrung. Daher nimmt es auch nicht Wunder, dass der eigentliche Raritätenkasten eher wenig Aufmerksamkeit gefunden hat.
Harald Elsner von Gronows Hauptquelle ist ein Eintrag in Zedler Universallexikon von 1741:
„Raritäten-Kasten, ist ein Kasten in welchem diese oder jene alte oder neue Geschichte im kleinen und durch darzu verfertigtes Puppenwerck, so gezogen werden kann, vorgestellet wird. Es pflegen gemeine Leute, so mehrentheils Italiäner von Geburth, mit solchen Kasten die Messen in Deutschland zu besuchen, auf den Gassen herum zu lauffen und durch ein erbärmliches Geschrey: Schöne Rarität! Schöne Spielwerck! Liebhaber an sich zu locken, die vors Geld hinein sehen. Weil nun solche Dinge mehr vor Kinder als erwachsene und angesehene Leute gehören, so pfleget man daher Dinge, die man herunter und lächerlich machen will, Schöne Raritäten, schöne Spielwercke zu nennen.“
Das Wort ‚Spielwerck‘ wird hier sicher in dem Sinne verwendet, den das Grimm’sche Wörterbuch als eine Bedeutungsvariante nennt: „bey den land-läufern, die aus dem Mayländischen herum reisen, ist spiel-werk ein kasten voll bilder die sich bewegen, wann sie gezogen werden“. Aufschlussreich ist der Begriff „Puppenwerk“. „Puppenwerck, Dockenwerck, Spielsachen“, so das Zedler’sche Universallexikon unter diesem Stichwort, „nennt man überhaupt alles Spielwerck, so nicht nur den Kindern zu ihrer Lust und Zeitvertreibe dienet, sondern auch viel mahlen seinen guten Nutzen hat“.
Nach einer eingehenden Behandlung des Puppenhauses fährt der Autor fort: „Die Materie, woraus gedachtes Puppenwerck bereitet wird, ist theils Silber, Zinn, Bley, Kupffer, Eisen, Stein, Holtz und dergleichen; theils bestehen aus Zucker, Krafftmehl oder Wachs … Überdieß machet man auch allerhand Puppenwerck von Pappenzeuge, so von aussen bemahlet und mit einem Firniß bestrichen werden.“
Stein, Holz, Zucker, Kraftmehl und Wachs sind übliche Stoffe, aus denen dreidimensionale Puppen angefertigt wurden. Die Metalle beziehen sich wohl auf Miniaturen, entweder Figuren (z.B. Zinnsoldaten) oder Puppenhausinventar. Die Angabe „von aussen“ legt auch bei den erwähnten Puppensachen aus Papier (‚Pappenzeug‘) die Vermutung nahe, dass plastische Objekte gemeint sind. Nun ist in diesem Lexikonartikel offensichtlich von den Puppen als Kinderspielzeug die Rede, nicht von Spielfiguren im Sinne des Figurentheaters.
Dennoch lassen sich Rückschlüsse auf die Figuren in den Raritätenkästen ziehen – nämlich dass sie dreidimensional waren – da auch sie von Zedler „Puppenwerck“ genannt werden. Außerdem: Flache Anziehpuppen aus Papier, die das Vorbild hätten abgeben können, gab es nur vereinzelt im 17. Jh., Verbreitung fand diese Art von Spielzeug erst Ende des 18. und im 19. Jh. (Metken, 163f.; Bachmann, 94, 107).
Somit kann man der Behauptung zustimmen, Raritätenkästen hätten „zur Betrachtung dreidimensionaler Objekte“ gedient. (Füsslin, 64) Dies würde auch zu der Annahme passen, dass die Raritätenkästen keine Linsen hatten (Geimer-Stangier, Mombour, 7). Denn warum sollte man plastische Figuren verwenden, wo es doch gerade das Besondere der Linsen war, Flaches räumlich erscheinen zu lassen? Wie wir gesehen haben, werden aber in der Quelle aus Venedig die Linsen ausdrücklich erwähnt. Es gab also offensichtlich zwei Sorten von Raritätenkästen: eine ohne Linsen und mit plastischen Figuren und eine andere mit Linsen und flachen Figuren.
Das Grimm’sche WÖrterbuch nennt weitere interessante Quellen, in denen der Begriff „Raritätenkasten“ auftaucht. Johann Wolfgang Goethe schreibt am 10.9.1770 an Moritz Joseph Engelbach: „Jeder hat doch seine Reihe in der Welt, wie im Schönerraritätenkasten. Ist der Kayser mit der Armee vorübergezogen. Schau sie, Guck sie, da kommt sich der Papst mit seine Klerisey.“ Am 14.10.1771 sagt Goethe in seiner Rede „Zum Schäkespears Tag“: „Schäkespears Theater ist ein schöner Raritäten Kasten, in dem die Geschichte der Welt vor unseren Augen an dem unsichtbaren Faden der Zeit vorbeywallt.“
Den Werther lässt Goethe in seinem 1774 niedergeschriebenen Roman klagen: „Ich stehe wie vor einem Raritätenkasten und sehe die Männchen und Gäulchen vor mir herumrücken und frage mich oft, ob es nicht optischer Betrug ist.“ Die Verben „vorüberziehen“, „vorbeiwallen“, „herumrücken“, die Erwähnung des „unsichtbaren Fadens“ deuten alle auf bewegte Figuren hin.
Fehlt es also nicht an schriftlichen Zeugnissen, so lassen uns die die zeitgenössischen Abbildungen im Stich: Sie helfen wenig weiter. Zwar sehen wir Objekte, die Raritätenkästen sein könnten oder als solche bezeichnet werden, zwar entdecken wir auf vielen Bildern Fäden, deren Enden hinten, oben oder an der Seite aus den Kästen heraushängen. Meist hält auch ein Mann einen solchen Faden in der Hand oder zieht an ihm.
Jedoch kann man nicht entscheiden, ob es sich bei den einzelnen Abbildungen um einen Guck- oder einen Raritätenkasten handelt, denn bewegt wurde bei beiden etwas. Auf die jeweiligen schriftlichen Angaben kann man sich auch nicht verlassen, da die beiden Begriffe, wie schon gesagt, synonym verwendet wurden. (Manchmal bezeichnete man zu allem Überfluss die Guck- bzw. Raritätenkästen auch als „Laterna magica“; Ganz, 59, 65.)
Auch der Begriff „Theatrum mundi“ taucht im Zusammenhang mit dem Raritätenkasten auf (Duden Fremdwörterlexikon: „frühe Bez. für Guckkasten mit beweglichen Figuren“).
Der Name war wohl so gebräuchlich, dass Hersteller und Betreiber einer ebenfalls Theatrum mundi genannten Theaterform glaubten, in ihren Ankündigungen den Unterschied zu den Raritätenkästen eigens hervorheben zu müssen: „Das mechanische Theater, das Theatrum mundi, verwechsele man nicht mit einem optischen Panorama, welches durch Gläser zu sehen“ (nach: Theatrum mundi, 8) – „Man verwechsle das mechanische Theater nicht mit einem Panorama oder irgendeinem anderen Institut, in welchem man durch Gläsersieht“ (nach: Nagel, 63).
Die Sorge der Schausteller war berechtigt. Das von ihnen angekündigte und betriebene Theatrum mundi bestand nämlich ebenfalls aus Figuren, die auf mehreren Laufschienen über die Bühne gezogen wurden und sich dabei auch in sich bewegten. Die Quelle der Bewegung bestand aus Kurbeln, meist aber aus einem automatischen Uhrwerk. Letzteres war ebenfalls kein grundlegender Unterschied zum Raritätenkasten. Es gab wohl einige Kästen, in denen die Figuren „ihre Bewegungen vielleicht auch automatisch abspielten“ (Füsslin, 10).
Als Hauptunterschied wird in den Ankündigungen genannt, dass man das eigentliche Theatrum mundi nicht „durch Gläser“ betrachtet. Es steckte nicht in einem Kasten, sondern war eine eigenständige Form des Puppentheaters, mit Vorläufern, die bis in die Antike zurückreichen. Als Teil der Aufführung eines Puppenspiels, etwa einer Marionettenbühne, stand es zunächst verdeckt durch einen Prospekt im hinteren Bühnenraum, um dann durch Hochziehen des Prospekts in die Handlung integriert zu werden – z.B. Fausts Höllenfahrt in einer Aufführung von „Dr. Faustus“. Häufig aber benutzten es die Schausteller als Nachspiel einer Marionetten- oder Handpuppenaufführung, gelegentlich als Hauptattraktion.
Der RaritÄtenkasten war also ein Kasten mit Guckloch, mit und ohne Linsen, mit Bewegungsvorrichtungen sowie mit Bildern, Kulissen und mit zwei- und dreidimensionalen Figuren, die von einem Menschen oder aber einem Uhrwerk bewegt wurden. Man nannte ihn auch Guckkasten und Theatrum mundi. Der wesentliche Unterschied zum Guckkasten besteht in der Beweglichkeit der Figuren. Vom eigentlichen Theatrum mundi unterscheidet er sich durch sein Gebundensein an Kasten und Guckloch. Anfänglich wird es nur den einfachen Kasten ohne Linsen und mit dreidimensionalen Figuren gegeben haben, der mit der Zeit von der „raffinierteren“ Variante, derjenigen mit Linsen und flachen Figuren, ergänzt wurde.
FÜsslin behauptet, der Raritätenkasten sei ein „direkter Vorläufer des Guckkastens“ (Füsslin, 8), da der Raritätenkasten in der ersten Hälfte des 18. Jh. aufgetaucht und im 19. Jh. im Gegensatz zu Guckkasten und Theatrum mundi so gut wie verschwunden sei. Altick dagegen sieht in dem Raritätenkasten („the box contained not a stationary scene but one with moving figures“) einen Guckkasten, der sich die Attraktion des Theatrum mundi zu eigen gemacht habe („Here the peepshow adopted another kind of visual entertainment that had developed independendly, the clockwork figure.” Altick, S.56).
Wie auch immer: Richtig ist, dass der Guckkasten in der zweiten Hälfte des 18. Jh. boomte. Zwischen 1737 und 1770 erschienen im Verlag Martin Engelbrechts in Augsburg die Serien der Kulissenbilder nach den Entwürfen und Vorzeichnungen von Jeremias Wachsmuth und Johann David Nessenthaler. Wie wir aber an den oben zitierten Zeugnissen gesehen haben, wurde der Raritätenkasten bis zum Ende des 18. Jh. nicht völlig verdrängt. Das Wort „Vorläufer“ darf also auf keinen Fall so verstanden werden, dass es den Vorläufer zur Zeit der Guckkastenblüte nicht mehr gegeben hätte. Beide Varianten der Kästen existierten eine Zeit lang nebeneinander.
Einigkeit herrscht bei denjenigen, die über das Papiertheater forschten und forschen, dass der Guckkasten zu seinen Vorläufern des Papiertheaters gehört. Sigrid Metken meint, dass der „Vorbildcharakter unübersehbar ist.“ (Metken, S. 253) Wenn aber der Guckkasten ein Vorläufer des Papiertheaters ist, dann erst recht der Raritätenkasten, in dem sich die Figuren bewegten. In einem Nürnberger Warenhauskatalog von 1803 wird in Bild und Text eine „Optik auf Art eines Theaters“ vorgestellt, „ mit durchgehauenen Prospecten und 6 Figuren, die hin und her gezogen werden können … Kinder können kleine Comödien mit dieser Optik auf führen, und überhaupt angenehm sich damit unterhalten.“ (Bestelmeier, Viertes Stück, S.3)
Diese Beschreibung lässt Katharina Siefert, die das Objekt entdeckt hat, „aufhorchen“ und sie meint: „Offenbar handelt es sich um ein Bindeglied zwischen Kulissenguckkasten und einem Papiertheater.“ (Siefert, 11) Mich lässt die Formulierung aufhorchen: „Figuren, die hin und her gezogen werden können“. Wohl wissend, dass das Wort „ziehen“ auch die Bedeutung „bewegen“ haben kann, vermag ich mir nicht die Frage zu verkneifen: Haben wir es bei Bestelmeiers Optik vielleicht mit einem Bindeglied zwischen Raritätenkasten und Papiertheater zu tun?
Wenn auch eine wichtige Quelle aus Italien hinzugefügt werden konnte, so sind die oben zitierten Belege die einzigen, aus denen wir etwas über den Raritätenkasten erfahren können. Die Uneindeutigkeit der Bilderquellen wurde schon erwähnt. Auch nach mehr als 40 Jahren muss man immer noch in Röhlers Klage über mangelndes Archivmaterial einstimmen. (Röhler, 8) Wie schön wäre es, wenn man weitere schriftliche Zeugnisse fände, wenn man gar einen noch existierenden Raritätenkasten sehen und untersuchen könnte. Offenbar haben aber nur die kleineren, für den Hausgebrauch gefertigten Guckkästen überlebt, die auf komplizierte Apparaturen verzichten konnten oder mussten. Alle „Sachüberreste“ nämlich, die in der von mir benutzten Literatur abgebildet sind, lassen keine Fäden oder andere Bewegungsinstrumente erkennen. Sollte keiner von denjenigen Kästen, die einst auf Plätzen und Straßen standen und unter anderen auch Giuseppantonio Costantini anlockten, die Zeitläufte überstanden haben?
Literatur
Altick, Richard D.: The Shows of London. Cambridge, Massachusetts, London: The Belknap Press of Harvard University Press, 1978
Bachmann, Manfred; Hansmann, Klaus: Das große Puppenbuch. Leipzig: Edition Leipzig, 1977. 2. veränderte Auflage
Bestelmeier, Georg Hieronimus: Magazin von verschiedenen Kunst und anderen nützlichen Sachen, … Nürnberg 1803 (Reprint Zürich: Edition Olms, 1979)
Dewitz, Bodo von; Nekes, Werner (Hrsg.): Ich sehe was, was du nicht siehst! Sehmaschinen und Bilderwelten. Die Sammlung Werner Nekes. Göttingen: Steidl, 2002
Füsslin, Georg; Nekes, Werner u.a.: Der Guckkasten. Einblick-Durchblick-Ausblick. Stuttgart: Füsslin Verlag, 1995
Ganz, Bruno: Die Welt im Kasten. Von der Camera obscura zur Audiovision. Zürich: Verlag Neue Züricher Zeitung, 1994
Geimer-Stangier, Mia, Mombour, Eva: Guckkasten. Ausstellungskatalog: Bewegte Bilder und Bildermaschinen. Siegen Villa Waldrich, 12.12.1981–5.1.1982
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Internetquellen
Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm.
Duden: Das große Wörterbuch der deutschen Sprache
Nagel, Stefan: Schaubuden. Geschichte und Erscheinungsformen
Pietro Longhi: Il mondo novo, ca. 1756 – Im Hintergrund links ein Guckkasten