Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

Das Heft nach dem 22. Preetzer Papiertheatertreffen – wer würde uns berichten? Chronist Warrach fiel aus – er ist ins Lager der Spieler gewechselt. Und Chronist Amtrup musste zur Reha: Würde er rechtzeitig auf die Beine kommen, Preetz zu besuchen? Er hat es geschafft: Lesen Sie selbst!

Und Spieler Uwe Warrach hat uns doch nicht sitzen lassen: Er berichtet über die Entstehung seiner Inszenierung der Räuber.

Im letzten Beitrag dieser Ausgabe erinnert Volker Schulin an Kurt Eiselt, Ehrenmitglied des Forum Papiertheater, und dessen Leben mit dem Papiertheater.

Auch diesmal wieder: viel Vergnügen bei der Lektüre!

(rs)

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

INHALT – Nr. 13 – Oktober 2009 

Willers Amtrup zum
22. Preetzer Papiertheatertreffen Seite 2

Uwe Warrach erzählt vom Machen der Räuber Seite 3

Erinnerung: Volker Schulin über den Sammler Kurt Eiselt Seite 4

alle Ausgaben

 

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Old Shatterhand grÜsst aus Preetz –
Figur aus „BlutsbrÜder“

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Das PapierTheater Nr.13                           SEITE 2                           Oktober 2009

Theaterkritik

Preetz als Heilmittel

Willers Amtrup zum 22. Preetzer Papiertheatertreffen  

 

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Das Festival-Plakat mit zwei Figuren vom 21. Treffen

 

Jens Schröder hatte Dekorationen und Figurinen aus verschiedenen Vorlagen zusammengestellt und bearbeitet, und beide Spieler erfreuten ihr Publikum erneut besonders mit wirklich sehr gelungenen Verwandlungen auf offener Bühne. Das begann schon ganz zu Beginn, als das Buch mit dem Titel langsam aufgeklappt wurde und Tom mit seinem Freund Huckleberry Finn erscheinen ließ, wenig später wurde aus einem Schulklassenraum eine offene Landschaft als Schauplatz für eine erste Annäherung zwischen Tom und seiner Freundin Betty. Richtig begeistert war ich dann von der Darstellung eines Gerichtsverfahrens um den Mord an einem Arzt, der mit Hilfe des Gangsters Indianer Joe und eines weiteren Helfers Leichen auf dem Friedhof ausgegraben hatte. Man lese die Story im Original nach, weil sie zu kompliziert ist, um hier nacherzählt zu werden. Worauf es mir ankommt, ist die Verwandlung des Gerichtssaals, in dem Tom Sawyer als Zeuge den wahren Ablauf des Mordgeschehens schildert, in die Szene auf dem Friedhof, in der diese Schilderung sichtbar wird. Das war überzeugend gut gemacht!

Die Jungfrau von OrlEans
Im Schillerjahr durften natürlich Stücke des Jubilars auch auf dem Papiertheater nicht fehlen. Ich begann mit der „Jungfrau von Orléans“, auf einer stark vergrößerten Pollock-Bühne mit Schreiber’schen Dekorationen und Figurinen gespielt von „Don Giovanni, Käthchen & Co.“, sprich: Peter Schauerte-Lüke und Sabine Herder. Das war im Text klassischer, natürlich gekürzter Schiller, von beiden sehr gut und eindrucksvoll gestaltet. Die Dekorationen kennt man natürlich – aber man kann sie ja höchst unterschiedlich benutzen, und bei dieser Aufführung haben sie mich durch ihre tiefe Staffelung und sehr geschickte Ausleuchtung besonders angesprochen – ich erwähne nur ein faszinierendes Trugbild einer Hölle, den wunderschönen Marktplatz von Reims und das gelungene Palast-Innere im letzten Teil des Geschehens. Lobend hervorzuheben sind auch die mehrfachen lebhaften Kampfszenen mit teilweise beweglichen Gliedern. Gerade bei ihnen war auch der Soundtrack des Kampfgetöses gut integriert. Tröstlich dann die Apotheose mit dem Engelschor am Schluss: „Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude“ (Originalton Johanna). Insgesamt: Eine ausgesprochen gute Vorstellung.

Die RÄuber-Oper
Als Abschluss hatte ich mir das Preetzer Debüt von Uwe Warrachs „Papieroper am Sachsenwald“ mit der „Räuber-Oper“ ausgesucht – und war sehr angetan! Warrach hat sich von seinem Freund Hans-Jürgen Gesche ein neues Libretto schreiben lassen und spielt es mit überarbeiteten Dekorationen und Figurinen aus verschiedenen Quellen (Schreiber u.a). Die Vorstellung beginnt in einer Studentenkneipe, in der Schiller höchstpersönlich erscheint und seinen Zuhörern den Plot seiner „Räuber“ erläutert; die Geschichte ist bekannt, ich muss sie nicht wiederholen. Man muss die bewusst eingesetzten Überlagerungen von Geräuschen, Stimmen und anschließend Musik ziemlich konzentriert verfolgen, und es gab Zuschauer, die damit Mühe hatten. Ich selbst empfand den Soundtrack als atmosphärisch ausgesprochen dicht, zumal als er von Schillers Erläuterungen in die eigentliche Spielhandlung übergeht, wo dann zunächst teils nur untergelegt, teils aber auch dominant Musik aus Verdis Oper „I Masnadieri“ eingesetzt wird. Hier ist ein spezielles Lob für den Librettisten am Platze: Über dem musikalischen Pathos der Verdi’schen Melodien liegt ein mehrfach sehr spritziger, ironischer, teilweise sogar bewusst „platter“ Text, der eine gelungene Persiflage ergibt. Als später die Räuber tatsächlich auftreten, wird Verdi von Musik aus der Räuber-Rockoper der Gruppe Bonfire abgelöst; selbst das hat mich überzeugt. Mit viel Witz endet die Vorstellung mit der Diskussion darüber, ob der Räuberhauptmann Karl wirklich gehenkt werden muss – er muss nicht und kriegt am Ende seine Amalie. Gespielt wird das ganze auf der von Warrach ja schon beschriebenen Bühne aus einem Umzugskarton mit einem interessanten Vorhang in der Form eines Gefängnisgitters. Die Bühnenbilder haben mir besonders in ihrer guten Ausleuchtung gefallen. Auch die Figurenführung war gekonnt; einzig die Sprachgestaltung der Frauenrollen hätte besser sein können.

DA TROTZ DER FINANZ- UND WIRTSCHAFTS-KRISE die Weiterführung des Treffens auch im nächsten Jahre einigermaßen gesichert zu sein scheint, freue ich mich schon jetzt auf das dann auch für mich wieder volle Programm. Und wieder passt Johanna: „Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude“.

 

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Auf diesem Tableau sind alle Aufführungen des 22. Preetzer Papiertheatertreffens versammelt

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Das PapierTheater Nr.13                           SEITE 3                           Oktober 2009

Schillerjahr 2009

Beim Machen der Räuber

von Uwe Warrach  

 

 

Schiller floh, setzte seine Karriere, seine Freiheit, vielleicht sein Leben, aufs Spiel, verschuldete sich für den Selbstverlag der Räuber. Aber die waren nicht mehr aufzuhalten, sie stürmten sozusagen die Charts und riefen zum Aufbruch in eine neue Zeit. Die Französische Revolution winkte im Hintergrund.

200 Jahre danach: Hans Lietzaus Inszenierung von 1969. Wir hören die CD. Sie lässt ein wenig ahnen, was damals los war. 1782 und 1968 trafen sich. Bei manchen Passagen stutzt man. Hat das wirklich Schiller geschrieben? („Betet doch, in Teufels Namen!“)

Lektüre: Sigrid Damms Schiller-Biografie und der Briefwechsel Goethe-Schiller. Schiller kommt einem näher. Kein Gipskopf. Idealist, Träumer, Kämpfer; lange Zeit selbst von Goethe und dem freisinnigeren Weimarer Herzog zunächst nicht ganz für voll genommen. Liebender Vater und Ehemann, verlässlicher Freund, schließlich auch Goethes. Goethe und Schiller tauschen Manuskripte aus, Goethe „schenkt“ ihm die Tell-Idee, kürzt den Wallenstein, der Schiller über den Kopf gewachsen ist.

Sie heben gerne einen. Ich stelle mir vor, dass einer von ihnen, die in Weimar in Sichtweite wohnen, abends ein Lichtzeichen gibt: Wollen wir noch in den Schwan?
Auf der Bühne ist Schiller der Erfolgreichere. Er trifft den Ton der Zeit, wühlt auf. Er drängt Goethe zum Dichten und rät ab, die Zeit mit Naturwissenschaften zu vertun. Aber Goethes Leib weiß wohl, dass er fast vierzig Jahre mehr auf dem Konto hat als Schillers.

Auch bei den Komponisten zünden Schillers Ideen. Außer den schon genannten Dramen werden komponiert: Kabale und Liebe/ Luisa Miller, Don Carlos (beide wie I Masnadieri von Verdi), Die Jungfrau von Orléans (Verdi, Tschaikowsky). Auch bei Verdi schlägt die Zensur zu, und hinter ihr lauern manchmal noch ganz andere Schläge.
Unser Bild rundet sich.

Wissen wir Deutschen des 21. Jahrhunderts eigentlich, was wir Geistern wie Schiller und Verdi verdanken? Die Freiheit, die wir als selbstverständlich nehmen (auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR) und, etwa in Gestalt der Nichtwähler, verschmähen?

Hans-Jürgen hat sein Libretto fertig. Ernsthaft, aber nicht humorlos. Nur leider zu lang. Die 3 Stunden der Originale haben wir zwar auf 70 Minuten runter gemangelt, aber in Preetz sind nur maximal 45 Minuten erlaubt. Auch den Marbachern können wir nicht viel mehr zumuten. Doch versteht man die dermaßen rasierte Geschichte überhaupt noch? Wir wollen nicht unterstellen, dass jeder den Plot drauf hat (hatten wir ja selber nicht, bevor wir anfingen).
Wir lassen ihn Schiller selbst erzählen. Die Kürzungen tun uns zwar weh, aber der Sache gut.

Bloß dieser gnadenlose, mörderische Schluss will uns nicht gefallen. Der Alte tot vor Kummer mag hingehen, Franz selbst erhängt ist auch okay, aber: Amalia erdolcht?! Karl aufs Schafott? Abgesehen von der bühnentechnischen Herausforderung sind die ausgewählten Figurinen viel zu liebenswert.

Karl stellt sich der Justiz. Man geht davon aus, dass sie ihn aufknüpfen werden. Doch ist überliefert, dass Schiller zeitlebens ein Manuskript mit einer Fortsetzung mit sich herumtrug. Also? Wir lassen nicht nur Amalia leben, sondern auch Karl. Und bei uns kriegen sie sich.

 

Die folgenden Bilder auf der website zum 22. Preetzer Papiertheatertreffen

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Schiller in der Schänke:
Ihr glaubt es nicht! Die Leute sind total ausgeflippt,
rollten mit den Augen, schrieen …
Eine soll sogar entbunden haben! Es war fantastisch!

 

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Franz und der alte Moor:
Du alter Sack voll Knochen!

 

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Franz mit Amalia, dem verkleideten Hermann und dem alten Moor:
Ein Bote kommt, willst du ihn hören?
Die Nachricht könnte dich verstören.

 

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Franz und Amalia vorm Schloss:
Meidest du mein Festbankett?
Find ich aber gar nicht nett.

 

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Räuber:
Auf, ihr Brüder, lasst uns eilen,
lasst uns mit den Wölfen heulen.

 

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Karl vorm Verlies des Vaters:
Wer begrub dich hier, verroht,
welcher Teufel, welcher Geist …

 

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Der Herzog:
Damit ihr nun nichts Schlechtes denkt,
wird Bürger Moor heut’ nicht gehängt.

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Das PapierTheater Nr.13                           SEITE 4                           Oktober 2009

Erinnerung

Eine Wohnung fürs Theater:
Der Sammler Kurt Eiselt

von Volker Schulin  

 

 

Kurt Eiselt war eigentlich kein Spieler. Er war fasziniert von prächtigen und imposanten Dekorationen. Er hatte sich vier Programme zusammengestellt, für die er mehrere Dekorationen in wenigen Sekunden wechseln konnte, dazu lauschte er seinen geliebten Opern und Balletten.

Die Dekorationen bestanden zumeist aus leicht vergrößerten Trentsensky-Kopien und Jacobsen-Bogen der A-Serie. Figuren wurden nur selten aufgestellt. Leider haben diese Ausstellung vermutlich nur ganz wenige Papiertheaterfreunde gesehen, da er sie erst zeigen wollte, wenn sie fertig war, und er, bei seinen hohen Ansprüchen eigentlich nie ganz fertig geworden ist.

Als er schon längere Zeit im Altenheim war, wurde die zweite Wohnung vermietet und das Theater abgebaut. Kurt Eiselt schenkte mir damals die auswechselbaren Proszenien mit den Vorhängen und die Dekorationen, in der Hoffnung dass wir einen ehrenvollen Platz finden, wo wir sie in seinem Sinne zeigen können.

Die Bedeutung von Kurt Eiselt für die Geschichte des Papiertheaters liegt besonders darin, dass er mit vielen Sammlern und Spielern bekannt und befreundet war. Er hatte Kontakte zu Museen und Institutionen und hat manchen Theaterbogen und andere grafische Blätter dorthin vermittelt.

Lange schon vor der Papiertheaterrenaissance hat sich Kurt Eiselt um versteckte Quellen bemüht, so hat er sich z. B. 1966 von Immo Beyer, dem Enkel des Malers der Scholz-Satzdekorationen Carl Beyer, Fotos von Entwurfsaquarellen zu Aida-Dekorationen machen lassen.

Er hatte Kontakt mit Walter Röhler, und schon vor Gründung unseres Vereins hat sich Kurt Eiselt Sorgen um die Röhler-Sammlung gemacht und einen namhaften Betrag für ihre Erhaltung gestiftet. Er trat schon wenige Monate nach der Gründung unserem Verein bei, den er ebenfalls durch Sach- und Geldspenden unterstützt hat.

Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet.

 

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Das Foto eines seiner Bühnenbilder machte Kurt Eiselt selbst.
Es zeigt den Altgothischen Saal von Trentsensky (Nr. 184–186) im Rokoko-Portal.

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