Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Das Heft nach dem 22. Preetzer Papiertheatertreffen – wer würde uns berichten? Chronist Warrach fiel aus – er ist ins Lager der Spieler gewechselt. Und Chronist Amtrup musste zur Reha: Würde er rechtzeitig auf die Beine kommen, Preetz zu besuchen? Er hat es geschafft: Lesen Sie selbst!
Und Spieler Uwe Warrach hat uns doch nicht sitzen lassen: Er berichtet über die Entstehung seiner Inszenierung der Räuber.
Im letzten Beitrag dieser Ausgabe erinnert Volker Schulin an Kurt Eiselt, Ehrenmitglied des Forum Papiertheater, und dessen Leben mit dem Papiertheater.
Auch diesmal wieder: viel Vergnügen bei der Lektüre!
(rs)
Das PapierTheater Nr.13 SEITE 2 Oktober 2009
Theaterkritik
Das Festival-Plakat mit zwei Figuren vom 21. Treffen
Bilder
Pilgerreise nach Westen
The Maid and the Macpie
Die Abenteuer des Tom Sawyer
Die Jungfrau von Orléans
Die Räuber-Oper
3 Tage in Bildern
Website des Preetzer Papiertheatertreffens
EIN JAHR OHNE PREETZ? Ein Jahr ohne ein Wiedersehen mit weit verstreut lebenden Freunden und Bekannten? Ein Jahr ohne interessante, oft begeisternde Premieren-Erlebnisse auf dem Papiertheater? Nicht auszudenken!! Das ist die beste Krankheit nicht wert – also habe ich meine Reha in St. Peter-Ording unterbrochen, um wenigstens einen Tag lang dabei sein zu können. Und siehe da: es gab sogar mehrere Freunde in gleicher oder ähnlicher Situation, die sich ihre langjährig gewohnte Teilhabe an diesem „Familientreffen“ ebenfalls nicht hatten nehmen lassen wollen. Alle meine Erwartungen erfüllten sich – auch der reduzierte Besuch war ein Genuss und baute sicherlich stärker auf, als es die Reha könnte.
Pilgerreise nach Westen
Natürlich kann ich es mir dann auch nicht verkneifen, wenigstens einen kurzen Bericht über das Gesehene zu verfassen, auch wenn es letztlich leider nur fünf Vorstellungen waren. Es begann für mich mit der „Pilgerreise nach Westen“ von „Römers Privattheater“. Geschildert wird – angelehnt an einen im 16. Jahrhundert geschriebenen Abenteuerroman – die Reise eines chinesischen Mönchs nach Indien, um von dort heilige Schriften Buddhas zu holen, eine Reise, die nach zahlreichen gefährlichen Abenteuern nur deshalb erfolgreich endet, weil der Mönch von dem Affenkönig Sun Wukong begleitet und beschützt wird. Diese alte „Räuberpistole“ ist in China offensichtlich noch heute sehr populär – ich habe vor Jahren eine noch 1976 in 3. Auflage erschienene Ausgabe mit über 100 Federzeichnungen zu „Sun Wukong besiegt das Weiße-Knochen-Gespenst dreimal“ gekauft. Horst Römer hat unter Verwendung weitgehend ausgestorbener Formen des japanischen Papiertheaters und der Laterna-Magica-Show (siehe dazu seinen Essay in PapierTheater Nr. 24 und 25) an chinesische Vorlagen anknüpfende sehr variantenreiche Dekorationen und Figurinen geschaffen, die ihm und seiner Frau Motoko ein vielfach sehr differenziertes Spiel gestatten. Es beginnt durch die einleitende Erzählung zunächst ein wenig ereignisarm, gewinnt dann aber rasch ein sich immer mehr steigerndes Tempo. Man sieht mehrfach rasante Verwandlungen auf offener Szene – beeindruckend z.B. die Entfesselung des in einem Felsen eingeschlossenen Affenkönigs unter Blitz und Donner –, packende Kampfszenen, einen wirbelnden Sun Wukong, furchterregende Seeungeheuer und andere skurrile Gestalten. Auch die immer stimmige Musikuntermalung hat mir ausnehmend gut gefallen.
The Maid and the Macpie
Etwas weniger glücklich war ich aus einem ganz äußerlichen Grunde mit der Vorstellung des von mir immer sehr hochgeschätzten Joe Gladwin. Der Inhalt seines Stückes „The Maid and the Macpie“ ist aus Rossinis „Diebischer Elster“ – „La gazza ladra“ – allgemein bekannt – es geht um den berühmten Diebstahl silberner Löffel, der einer Dienstmagd angelastet wird, während in Wahrheit eben jene Elster die Übeltäterin war. Wie immer sprach Gladwin alle Personen in toller (nur vereinzelt etwas übersteigerter) Nuancierung live, sang und summte Teile von Rossinis Ouvertüre und von „Britannia rules the Waves“ hinzu – das alles war ein wirklicher Genuss! Aber die Bühne: Gladwin spielte mit Proszenium, Dekorationen und Figurinen von Pollock und hatte das ganze leider aus Sparsamkeitsgründen in der Originalgröße mitgebracht. Eine solche Miniaturbühne ist aber für ein größeres Publikum ziemlich ungeeignet – der genannte Genuss wurde für etwas weiter entfernt sitzende Zuschauer wie mich leider etwas getrübt.
Die Abenteuer des Tom Sawyer
Weiter ging’s mit den „Abenteuern des Tom Sawyer“ von „Bodes Koffertheater“ mit Jens und Pauline Schröder. Die beiden, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, populäre Klassiker der Literatur auf dem Papiertheater darzustellen, hatten sich diesmal einzelne Szenen aus dem Roman von Marc Twain herausgesucht.
Jens Schröder hatte Dekorationen und Figurinen aus verschiedenen Vorlagen zusammengestellt und bearbeitet, und beide Spieler erfreuten ihr Publikum erneut besonders mit wirklich sehr gelungenen Verwandlungen auf offener Bühne. Das begann schon ganz zu Beginn, als das Buch mit dem Titel langsam aufgeklappt wurde und Tom mit seinem Freund Huckleberry Finn erscheinen ließ, wenig später wurde aus einem Schulklassenraum eine offene Landschaft als Schauplatz für eine erste Annäherung zwischen Tom und seiner Freundin Betty. Richtig begeistert war ich dann von der Darstellung eines Gerichtsverfahrens um den Mord an einem Arzt, der mit Hilfe des Gangsters Indianer Joe und eines weiteren Helfers Leichen auf dem Friedhof ausgegraben hatte. Man lese die Story im Original nach, weil sie zu kompliziert ist, um hier nacherzählt zu werden. Worauf es mir ankommt, ist die Verwandlung des Gerichtssaals, in dem Tom Sawyer als Zeuge den wahren Ablauf des Mordgeschehens schildert, in die Szene auf dem Friedhof, in der diese Schilderung sichtbar wird. Das war überzeugend gut gemacht!
Die Jungfrau von OrlEans
Im Schillerjahr durften natürlich Stücke des Jubilars auch auf dem Papiertheater nicht fehlen. Ich begann mit der „Jungfrau von Orléans“, auf einer stark vergrößerten Pollock-Bühne mit Schreiber’schen Dekorationen und Figurinen gespielt von „Don Giovanni, Käthchen & Co.“, sprich: Peter Schauerte-Lüke und Sabine Herder. Das war im Text klassischer, natürlich gekürzter Schiller, von beiden sehr gut und eindrucksvoll gestaltet. Die Dekorationen kennt man natürlich – aber man kann sie ja höchst unterschiedlich benutzen, und bei dieser Aufführung haben sie mich durch ihre tiefe Staffelung und sehr geschickte Ausleuchtung besonders angesprochen – ich erwähne nur ein faszinierendes Trugbild einer Hölle, den wunderschönen Marktplatz von Reims und das gelungene Palast-Innere im letzten Teil des Geschehens. Lobend hervorzuheben sind auch die mehrfachen lebhaften Kampfszenen mit teilweise beweglichen Gliedern. Gerade bei ihnen war auch der Soundtrack des Kampfgetöses gut integriert. Tröstlich dann die Apotheose mit dem Engelschor am Schluss: „Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude“ (Originalton Johanna). Insgesamt: Eine ausgesprochen gute Vorstellung.
Die RÄuber-Oper
Als Abschluss hatte ich mir das Preetzer Debüt von Uwe Warrachs „Papieroper am Sachsenwald“ mit der „Räuber-Oper“ ausgesucht – und war sehr angetan! Warrach hat sich von seinem Freund Hans-Jürgen Gesche ein neues Libretto schreiben lassen und spielt es mit überarbeiteten Dekorationen und Figurinen aus verschiedenen Quellen (Schreiber u.a). Die Vorstellung beginnt in einer Studentenkneipe, in der Schiller höchstpersönlich erscheint und seinen Zuhörern den Plot seiner „Räuber“ erläutert; die Geschichte ist bekannt, ich muss sie nicht wiederholen. Man muss die bewusst eingesetzten Überlagerungen von Geräuschen, Stimmen und anschließend Musik ziemlich konzentriert verfolgen, und es gab Zuschauer, die damit Mühe hatten. Ich selbst empfand den Soundtrack als atmosphärisch ausgesprochen dicht, zumal als er von Schillers Erläuterungen in die eigentliche Spielhandlung übergeht, wo dann zunächst teils nur untergelegt, teils aber auch dominant Musik aus Verdis Oper „I Masnadieri“ eingesetzt wird. Hier ist ein spezielles Lob für den Librettisten am Platze: Über dem musikalischen Pathos der Verdi’schen Melodien liegt ein mehrfach sehr spritziger, ironischer, teilweise sogar bewusst „platter“ Text, der eine gelungene Persiflage ergibt. Als später die Räuber tatsächlich auftreten, wird Verdi von Musik aus der Räuber-Rockoper der Gruppe Bonfire abgelöst; selbst das hat mich überzeugt. Mit viel Witz endet die Vorstellung mit der Diskussion darüber, ob der Räuberhauptmann Karl wirklich gehenkt werden muss – er muss nicht und kriegt am Ende seine Amalie. Gespielt wird das ganze auf der von Warrach ja schon beschriebenen Bühne aus einem Umzugskarton mit einem interessanten Vorhang in der Form eines Gefängnisgitters. Die Bühnenbilder haben mir besonders in ihrer guten Ausleuchtung gefallen. Auch die Figurenführung war gekonnt; einzig die Sprachgestaltung der Frauenrollen hätte besser sein können.
DA TROTZ DER FINANZ- UND WIRTSCHAFTS-KRISE die Weiterführung des Treffens auch im nächsten Jahre einigermaßen gesichert zu sein scheint, freue ich mich schon jetzt auf das dann auch für mich wieder volle Programm. Und wieder passt Johanna: „Kurz ist der Schmerz, und ewig ist die Freude“.
Auf diesem Tableau sind alle Aufführungen des 22. Preetzer Papiertheatertreffens versammelt
Das PapierTheater Nr.13 SEITE 3 Oktober 2009
Schillerjahr 2009
In Preetz gab es zwei Mal Schiller:
Peter Schauerte-Lüke und Sabine Herder mit der Bühne Don Giovanni, Käthchen & Co. gaben Die Jungfrau von Orléans, Uwe Warrachs Papieroper am Sachsenwald stellte Die Räuber-Oper vor. Beide sind mit Rüdiger Kochs Papiertheater Invisius und Carsten Niemanns Figurentheater Liselotte zum Schillerjahr 2009 nach Marbach eingeladen (siehe AKTUELL auf der Startseite). Zur Räuber-Oper tragen Spieler und Librettist im Folgenden ein paar Erkenntnisse und Gedanken nach, die ihnen zu Schiller kamen.
Schiller? Na ja …
Etwas verstaubt und gipsköpfig, oder?
Aber in Preetz beim Internationalen Papiertheatertreffen und in Schillers Geburtsstadt Marbach zur Feier seines 250. Geburtstags spielen zu dürfen, ist doch zu verlockend für den Papiertheaterspieler.
Also Schiller.
Schillers Dramen sind voller Dialoge und Monologe, nicht so gut für unser Medium mit den statischen Figuren. Deshalb sollte es etwas mit Musik sein. Was wurde von Schiller „veropert“? Fast alles. Und welche Plots geben Bühnenwirksames her? Wilhelm Tell (Rossini), Maria Stuart (Donizetti). Aber mit Wilhelm Tell war Robert Poulter 2005 in Preetz. Und Maria Stuart? Allenfalls die stümperhafte Enthauptung könnte etwas Action bieten, sie findet aber hinter den Kulissen statt.
Hans-Jürgen Gesche, der unsere Libretti reimt, ist für Die Räuber: Lagerfeuer im Wald, brennendes Prag, der Alte im Verlies – das gibt doch was her, meint er. I Masnadieri heißt die Räuber-Oper von Verdi.
Dramenlektüre. Sagen uns Die Räuber heute überhaupt noch etwas?
Im Frühjahr 2008 eine schöne Fundsache. In Ingolstadt werden The Räuber als Rockoper inszeniert. Der Lead Gitarrist gibt zu, dass er mit Schiller in der Schule nichts habe anfangen können und er das Theater gehasst habe. Doch nachdem die Musiker eingestiegen sind, erkennen sie die politische Brisanz: „Ab und zu denkst du, Mann, da musst du erst mal drauf kommen, so zu schreiben.“ Gipsköpfe waren wohl eher die Lehrer als die Dichter.
Wir besuchen im November 2008 ein Symposium des Hamburger Thalia Theaters zu seiner Räuber- Aufführung. Die Vorträge helfen uns nicht viel weiter.
Es wird eine Kostprobe gegeben: Vier Schauspieler in sämtlichen Rollen (bis auf Amalias). Sie äußern sich anschließend sehr zufrieden über diese Form, die niemanden von ihnen benachteilige: Keiner müsse „nur“ den Spiegelberg spielen, alle seien eben die Räuber plus Franz und Vater. Hm. Und das Wohl des Zuschauers …?
Was mich bewegt, wird nicht behandelt, auch nicht von den vortragenden Experten. Also: Was war es, das die Premierenbesucher 1782 in Mannheim dermaßen erschütterte, dass sie „mit den Augen rollten, schrieen, in Ohnmacht fielen“, wie ein Augenzeuge berichtete. Was war dermaßen gefährlich an Schiller, dass der Württemberger Herzog Carl Eugen ihm Schreibverbot erteilte und ihn wegen der Räuber verfolgte und bestrafte?
Schiller floh, setzte seine Karriere, seine Freiheit, vielleicht sein Leben, aufs Spiel, verschuldete sich für den Selbstverlag der Räuber. Aber die waren nicht mehr aufzuhalten, sie stürmten sozusagen die Charts und riefen zum Aufbruch in eine neue Zeit. Die Französische Revolution winkte im Hintergrund.
200 Jahre danach: Hans Lietzaus Inszenierung von 1969. Wir hören die CD. Sie lässt ein wenig ahnen, was damals los war. 1782 und 1968 trafen sich. Bei manchen Passagen stutzt man. Hat das wirklich Schiller geschrieben? („Betet doch, in Teufels Namen!“)
Lektüre: Sigrid Damms Schiller-Biografie und der Briefwechsel Goethe-Schiller. Schiller kommt einem näher. Kein Gipskopf. Idealist, Träumer, Kämpfer; lange Zeit selbst von Goethe und dem freisinnigeren Weimarer Herzog zunächst nicht ganz für voll genommen. Liebender Vater und Ehemann, verlässlicher Freund, schließlich auch Goethes. Goethe und Schiller tauschen Manuskripte aus, Goethe „schenkt“ ihm die Tell-Idee, kürzt den Wallenstein, der Schiller über den Kopf gewachsen ist.
Sie heben gerne einen. Ich stelle mir vor, dass einer von ihnen, die in Weimar in Sichtweite wohnen, abends ein Lichtzeichen gibt: Wollen wir noch in den Schwan?
Auf der Bühne ist Schiller der Erfolgreichere. Er trifft den Ton der Zeit, wühlt auf. Er drängt Goethe zum Dichten und rät ab, die Zeit mit Naturwissenschaften zu vertun. Aber Goethes Leib weiß wohl, dass er fast vierzig Jahre mehr auf dem Konto hat als Schillers.
Auch bei den Komponisten zünden Schillers Ideen. Außer den schon genannten Dramen werden komponiert: Kabale und Liebe/ Luisa Miller, Don Carlos (beide wie I Masnadieri von Verdi), Die Jungfrau von Orléans (Verdi, Tschaikowsky). Auch bei Verdi schlägt die Zensur zu, und hinter ihr lauern manchmal noch ganz andere Schläge.
Unser Bild rundet sich.
Wissen wir Deutschen des 21. Jahrhunderts eigentlich, was wir Geistern wie Schiller und Verdi verdanken? Die Freiheit, die wir als selbstverständlich nehmen (auch auf dem Gebiet der ehemaligen DDR) und, etwa in Gestalt der Nichtwähler, verschmähen?
Hans-Jürgen hat sein Libretto fertig. Ernsthaft, aber nicht humorlos. Nur leider zu lang. Die 3 Stunden der Originale haben wir zwar auf 70 Minuten runter gemangelt, aber in Preetz sind nur maximal 45 Minuten erlaubt. Auch den Marbachern können wir nicht viel mehr zumuten. Doch versteht man die dermaßen rasierte Geschichte überhaupt noch? Wir wollen nicht unterstellen, dass jeder den Plot drauf hat (hatten wir ja selber nicht, bevor wir anfingen).
Wir lassen ihn Schiller selbst erzählen. Die Kürzungen tun uns zwar weh, aber der Sache gut.
Bloß dieser gnadenlose, mörderische Schluss will uns nicht gefallen. Der Alte tot vor Kummer mag hingehen, Franz selbst erhängt ist auch okay, aber: Amalia erdolcht?! Karl aufs Schafott? Abgesehen von der bühnentechnischen Herausforderung sind die ausgewählten Figurinen viel zu liebenswert.
Karl stellt sich der Justiz. Man geht davon aus, dass sie ihn aufknüpfen werden. Doch ist überliefert, dass Schiller zeitlebens ein Manuskript mit einer Fortsetzung mit sich herumtrug. Also? Wir lassen nicht nur Amalia leben, sondern auch Karl. Und bei uns kriegen sie sich.
Die folgenden Bilder auf der website zum 22. Preetzer Papiertheatertreffen
Schiller in der Schänke:
Ihr glaubt es nicht! Die Leute sind total ausgeflippt,
rollten mit den Augen, schrieen …
Eine soll sogar entbunden haben! Es war fantastisch!
Franz und der alte Moor:
Du alter Sack voll Knochen!
Franz mit Amalia, dem verkleideten Hermann und dem alten Moor:
Ein Bote kommt, willst du ihn hören?
Die Nachricht könnte dich verstören.
Franz und Amalia vorm Schloss:
Meidest du mein Festbankett?
Find ich aber gar nicht nett.
Räuber:
Auf, ihr Brüder, lasst uns eilen,
lasst uns mit den Wölfen heulen.
Karl vorm Verlies des Vaters:
Wer begrub dich hier, verroht,
welcher Teufel, welcher Geist …
Der Herzog:
Damit ihr nun nichts Schlechtes denkt,
wird Bürger Moor heut’ nicht gehängt.
Das PapierTheater Nr.13 SEITE 4 Oktober 2009
Erinnerung
Kurt Eiselt,
Ehrenmitglied des Forum Papiertheater, verstarb Anfang September im Alter von 94 Jahren. Leider konnte er in den letzten sechs Jahren, in denen er in einem Altenheim lebte, nicht mehr an den Veranstaltungen des Vereins teilnehmen.
Kurt Eiselt wurde 1915 in Hamburg geboren und lebte seit den 50er Jahren in Düsseldorf. Seine Leidenschaft für das Papiertheater entstand bereits im Kindesalter. Seine erste Berührung war zu der Zeit, als der Schreiber-Verlag seine letzten Stücke herausbrachte. Sein Vater hatte ihm zu Weihnachten einen Stall mit Tieren in der Größe einer Puppenstube gebastelt. Ein Arbeitskollege seines Vaters hatte zur gleichen Zeit für seinen Sohn ein Papiertheater gebaut. Die Faszination des jeweils anderen Geschenks war bei beiden Buben so stark, dass sie diese tauschten.
Kurt Eiselt hatte bereits als junger Mann mit dem Sammeln begonnen, leider ist bei einem Luftangriff auf Hamburg alles verbrannt.
Neben dem Papiertheater hatte er noch eine zweite Leidenschaft, die Welt des Zirkus, weniger das Geschehen in der Manege, als das Leben der Zirkusleute. Er baute ihre Wohnwagen als Modelle bis ins kleinste Detail genau nach. Charakteristisch für ihn ist, dass er dafür eigens einen Fernlehrkurs für Technisches Zeichnen absolvierte.
Kurt Eiselt lebte allein, unterhielt jedoch im selben Hause eine zweite kleinere Wohnung für seine Zirkussammlung und besonders für sein Theater.
Ein größeres Zimmer war durch einen deckenhohen roten Samtvorhang in zwei Bereiche teilbar. Der vordere Teil bildete den Theaterraum, in der Mitte sah man auf das Proszenium, das in eine halbe Holzwand eingesetzt war. Eine dicke rote Kordel mit Quasten über zwei schweren Messingständern schaffte einen Abstand zu zwei Stühlen. Der Raum hinter dem Vorhang hatte Tageslicht und dort standen die aufwändig gebaute Bühne und ein schwerer Arbeitstisch, seine Werkstatt. Die ganze Bühnentechnik war fest eingebaut. 26 Seilzüge mit genau austarierten Eisengewichten wurden über die Decke an die Wand geleitet. Die komplizierte Beleuchtung war fachmännisch installiert.
Kurt Eiselt war eigentlich kein Spieler. Er war fasziniert von prächtigen und imposanten Dekorationen. Er hatte sich vier Programme zusammengestellt, für die er mehrere Dekorationen in wenigen Sekunden wechseln konnte, dazu lauschte er seinen geliebten Opern und Balletten.
Die Dekorationen bestanden zumeist aus leicht vergrößerten Trentsensky-Kopien und Jacobsen-Bogen der A-Serie. Figuren wurden nur selten aufgestellt. Leider haben diese Ausstellung vermutlich nur ganz wenige Papiertheaterfreunde gesehen, da er sie erst zeigen wollte, wenn sie fertig war, und er, bei seinen hohen Ansprüchen eigentlich nie ganz fertig geworden ist.
Als er schon längere Zeit im Altenheim war, wurde die zweite Wohnung vermietet und das Theater abgebaut. Kurt Eiselt schenkte mir damals die auswechselbaren Proszenien mit den Vorhängen und die Dekorationen, in der Hoffnung dass wir einen ehrenvollen Platz finden, wo wir sie in seinem Sinne zeigen können.
Die Bedeutung von Kurt Eiselt für die Geschichte des Papiertheaters liegt besonders darin, dass er mit vielen Sammlern und Spielern bekannt und befreundet war. Er hatte Kontakte zu Museen und Institutionen und hat manchen Theaterbogen und andere grafische Blätter dorthin vermittelt.
Lange schon vor der Papiertheaterrenaissance hat sich Kurt Eiselt um versteckte Quellen bemüht, so hat er sich z. B. 1966 von Immo Beyer, dem Enkel des Malers der Scholz-Satzdekorationen Carl Beyer, Fotos von Entwurfsaquarellen zu Aida-Dekorationen machen lassen.
Er hatte Kontakt mit Walter Röhler, und schon vor Gründung unseres Vereins hat sich Kurt Eiselt Sorgen um die Röhler-Sammlung gemacht und einen namhaften Betrag für ihre Erhaltung gestiftet. Er trat schon wenige Monate nach der Gründung unserem Verein bei, den er ebenfalls durch Sach- und Geldspenden unterstützt hat.
Wir sind ihm zu großem Dank verpflichtet.
Das Foto eines seiner Bühnenbilder machte Kurt Eiselt selbst.
Es zeigt den Altgothischen Saal von Trentsensky (Nr. 184–186) im Rokoko-Portal.