Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
Papiertheaterleuten muss man nicht erklären, was, wo und wie Preetz ist. Oder doch? Etwa die Sache mit den Schustern? Oder warum das globale Treffen gerade hier stattfindet, wie es zustande kam, wer für was sorgt usw.?
Wir fragen Dirk Reimers, der es von Anfang an .... oder wie war das genau? Das Interview.
Dazu: eine kleine Preetz-Info.
Ansonsten freuen wir uns auf den 10. bis 12. September.
Und
sehr freuen würden wir uns auch nach wie vor über Beiträge unserer
Leserinnen und Leser, vielleicht auch über das Preetzer Treffen. Für
eventuelle technische Fragen dazu steht gerne bereit
die Redaktion
Das PapierTheater Nr.17 SEITE 2 September 2010
Interview
Website des Preetzer
Papiertheatertreffens
Dirk Reimers und 23 mal größtes internationales
Papiertheatertreffen in
Preetz kann man nicht getrennt voneinander betrachten - aber als wer
oder was
trittst Du da eigentlich auf, außer wenn Du selber und mit
Deiner Frau
Barbara spielst?
Da kann NICHTS getrennt
werden, denn an allen Tagen bin ich
Mitorganisator, Spieler, Verkäufer, Auskunftei und und und
Wie und wann hat es mit Dirk Reimers und dem Papiertheater
überhaupt
begonnen?
Begonnen hat es mit einem
Besuch in Priors Dukketeater
Museum in Kopenhagen vor fast 30 Jahren. Die gemeinsame Neugierde von
meiner
Frau und mir haben dort das Interesse geweckt; einige Jahre später ein
Besuch
des Papiertheaterfestivals in Kiel und die Mitgliedschaft im dänischen
Papiertheaterverein haben uns dann den „Rest“ gegeben.
Wie und wann wurde aus der Leidenschaft fürs Papiertheater die
Institution
des Preetzer Papiertheatertreffens?
Das begann mit einer
vorlauten Bemerkung nach eine
Papiertheatervorstellung in Preetz. Das Papiertheater Krope aus Kiel
zeigte
„Die Kluge“ im Rahmen einer Veranstaltung der Volkshochschule. Der
Ausspruch: „So
etwas müssten wir öfters in Preetz haben“ reizte mich zu der Antwort:
„Ich kenn
da einige“, und schon ging es nach dem Motto „Na, dann mache Sie mal!“
Zu dem Festival selbst: Wie läuft das ab? Wann beginnt Ihr mit den
Vorbereitungen? Wer organisiert und macht was, damit es jedes Jahr am
2.
Septemberwochenende losgehen kann und alles klappt?
Die Vorbereitungen
beginnen eigentlich schon mit dem ersten
Tag des laufenden Treffens, wenn bereits dann die Frage gestellt wird:
„Wann
ist es im nächsten Jahr?“
In den ersten Jahren
haben wir noch sehr viel improvisiert,
nun wird organisiert. Die Hauptlast der Organisation im Bezug auf das
„Drum
herum“ liegt inzwischen bei der Leitung der Volkshochschule Preetz
(VHS), im
Laufe der Jahre hat sich der Organisationsablauf immer mehr verfeinert
und
gefestigt. Das Einwerben von Sponsorenmittel, der Kontakt zu den
Behörden und
alle Öffentlichkeitsarbeit, auch Dinge, die Außenstehende nicht sehen,
gehören
dazu. Das Treffen findet unter dem Dach der VHS statt und ist
inzwischen ein
fester Bestandteil der Einrichtung.
Eine Besonderheit ist die
Zusammenstellung des Programms. Es
gibt zwar schon eine gewisse Routine für den Grobablauf, aber bis es
druckreif
ist, sind viele Dinge zu beachten, und sei es nur die Länge der Stücke.
Das ist
ein Problem: Wir versuchen den Zeitplan so aufzustellen, dass man
möglichst
viele Aufführungen sehen kann. Deshalb soll es keine
Zeitüberschneidungen geben.
Doch obwohl immer wieder gesagt wird, bitte nicht länger als 40
Minuten, sind
Ausreißer dabei.
Als Veranstalter in über zwei Jahrzehnten siehst Du ja viel mehr
als
einzelne Aufführungen, Spieler und Besucher aus aller
Welt. Funktioniert
das als "Fest der Nationen"?
Zu den Stücken möchte ich
sagen: Wenn ich zwei sehen kann,
dann ist es viel. Den Ausdruck „Fest der Nationen“ will ich nicht
benutzen. Sicher,
wir haben Spieler und Besucher aus mehreren Ländern, aber auch wenn es
inzwischen ein kleines Festival ist, ist es immer noch ein Treffen, auf
dem
sich Interessierte austauschen können- nicht in Gala-Robe von einer Vorstellung zu anderen eilen und
auf einem roten Teppich herumstolzieren- Papiertheater ist ein intimes
Theater
und man sitzt mehr aufeinander, als nebeneinander, wir schwitzen alle
gemeinsam.
In den Anfangsjahren
haben wir von einer
Papiertheaterfamilie gesprochen, inzwischen gibt es einen
Papiertheaterclan,
der sich von Jahr zu Jahr vergrößert, aber leider auch verkleinert,
weil einige
schon nicht mehr unter uns weilen.
Ich
bin oft gefragt worden, ob es am Ende Preisträger gebe. Warum kein
Wettbewerb mit Jury etc.?
Die Antwort ist einfach:
Dies ist ein Treffen, bei dem es keine
Konkurrenz gibt. Alle Teilnehmer sind Individualisten. Konkurrenzdenken
zerstört die gemeinsame Sache, das Papiertheater am Leben zu erhalten.
Hier
gibt es kein Geheimnis hinter der Bühne, hier kann jeder von dem
Anderen
lernen.
Nun ist Preetz an den übrigen 362 Tagen des Jahres nicht mehr nur
Papiertheaterstadt. Du lebst dort seit über 40 Jahren und hast dort
Dein
Papier-Curiosa-Geschäft. Was schätzt Du an Preetz sonst noch?
Soll ich jetzt über
Wälder und Seen, über Spaziergänge mit
meinem Hund reden? Wenn man eine lange Zeit an einem Ort gelebt hat, wo
man in 40
Jahren Ehe etwas mit dem Partner zusammen geschaffen hat, dann ist das
eine
Grundlage dafür, auch Dinge zu schätzen, die manchmal nicht sonderlich
schätzenswert erscheinen mögen.
Du
wärest kein Nordlicht und nicht Dirk Reimers, wenn Du nicht ein paar
Döntjes
über Preetz und das Papiertheatertreffen auf Lager hättest. Also?
Also Döntjes möchte ich
es nicht nennen, sagen wir, einige
Begebenheiten, die einem in Erinnerung bleiben.
George Speaight *) erzählte
mir bei einem seiner Auftritte in Preetz,
er habe in einem Reiseführer das Kloster in Preetz als Sehenswürdigkeit
beschrieben. Obwohl er nie dort war und es auch während seines
Aufenthalts
nicht besuchen wollte.
Bei einem Treffen in
Troyes in Frankreich hatte ich einen
kleinen Verkaufstisch, und George kaufte eine Kleinigkeit für 1 oder 2
Franc,
er bezahlte lächelnd mit einem 100 Franc Schein. Da ich nun kein
Wechselgeld
mehr hatte, bat ich Alain mir den Schein zu wechseln. Alain lachte
lauthals und
sagte, ihm habe George auch schon versucht den alten Lappen anzudrehen.
Und nochmals George. Bei
einer Abendvorstellung saß er zwischen
Mary, seiner Frau und mir. Wir musste ihn etwas stützen, den er schlief
sehr
schnell ein. Am nächsten Morgen beim Frühstück fragte Mary mich, ob ich
das
Stück verstanden habe. Ich verneinte und sagte, dass ich auch nicht
Französisch
könnte. In dem Moment der Kommentar von George: „Selbst wenn ihr beide
Französisch
können würdet, hättet ihr es nicht verstanden.“ Mary zu ihm: „But you?!“
Bei den ersten Preetzer
Treffen wurde ich noch lange von einigen
Besuchern misstrauisch beobachtet: Was versuchte man da auf die Beine
zu stellen?
Die Skeptiker waren in der Überzahl, und ich hatte das Gefühl, es gäbe
einige, die
die Lage zu testen hatten.
Es war ein früher
Sonntagmorgen, als ein Besucher vor der
Kasse stand und mich anranzte, was das für eine schlechte Organisation
sei, um
10 Uhr sollte die Kasse geöffnet werden und es sei bereits nach 10 Uhr.
Meine
Antwort war nur: „Bitte entschuldigen Sie, aber heute Nacht hatten wir
wieder
die Zeitumstellung.“ Solche Gespräche festigen Freundschaften.
Ein Anderer klatschte mir bei seiner
Abreise ein „weißes
Buch“ auf den Tisch, mit der etwas bissigen Bemerkung: „Lesen Sie sich
das mal
durch, damit Sie wissen was Papiertheater überhaupt ist.“ Was
Papiertheater für
mich ist, weiß ich, und dieses „weiße Buch“ habe ich immer noch nicht
gelesen.
Es gibt auch immer das
Gerede um die Anzahl der Stücke, die
man maximal sehen kann. Einige Zuschauer machen eine richtige
Wissenschaft
daraus, und es geistert immer die Zahl 12 durch die Gänge. Bei einem
Treffen
sagte mir dann ein guter Freund, er könne 13,6 Vorstellungen sehen, er
habe es
genau errechnet, Pausenzeiten und genaue Länge der Stücke
berücksichtigt. 10
hat er dann doch nur geschafft.
Einmal soll eine
Zuschauerin eine Vorstellung verlassen
haben, weil die Begleitmusik nicht von dem Dirigenten war, den sie
erwartet
hatte.
Bei einem Festival in New
York habe ich von einem Amerikaner
den Tipp bekommen, das es in Deutschland jährlich ein
Papiertheatertreffen gebe!
Zum Abschluss noch
dieses: In den ersten Jahren der Preetzer
Zeit, wurde von vielen Bühnen eng nach alten Vorlagen gespielt, und
unter den
Zuschauern befanden sich überwiegend Sammler. Wir hatten nun in unserer
blauäugigen Art Kulissen und Figuren verschiedener Verlage gemischt,
und als
der Vorhang sich hob, war ein Flüstern und Raunen im Publikum: Die und
die Kulisse
gehöre zu dem und dem Stück und die Figuren sind aus dem Verlag, wo ist
denn
der Text her, geht denn das, also ich weiß nicht usw usw.
Inzwischen geht alles.
Eines möchte ich abschließend
bemerken. Nach dem ich glaube 2.Treffen, hat man zu mir gesagt: „Sie
werden
keine neuen Bühnen finden und schon gar nicht neue Stücke.“ Die
Feststellung
hat mich gereizt und nun die Antwort:
Das 23. Treffen im Jahr 2010.
Das PapierTheater Nr.17 SEITE 3 September 2010
Stadtporträt
Noch ein paar Gründe für einen Besuch oder wenigstens einen Rundgang und etwas Preetzer Geschichte:
Erstmalig erwähnt als Poretz 1185.
1210 wurde eine erste „Wehrkirche“ erbaut, die heutige Stadtkirche (unmittelbar neben der Pestalozzischule, wo die Papiertheatertreffen stattfinden).
1211 gründete Graf Albrecht von Orlamünde das Benediktinerinnenkloster Preetz (auch nicht allzu weit vom Veranstaltungsort, gilt als sehr sehenswert). Bis 1867 war es die höchste Instanz für Rechtsprechung und Verwaltung der Region.
Wirtschaftlich
entwickelte Preetz sich zu einem Zentrum des Handwerks mit dem
Schwerpunkt
Schuhherstellung. Um 1850 arbeiteten in der Stadt (ca. 4.600 Einwohner)
160
selbständige Schuhmachermeister, 360 Schuhmachergesellen sowie 160
Schuhmacherlehrlinge. Preetz wurde als „Schusterstadt“ weithin bekannt.
Das
Schuhmacherdenkmal steht auf dem Marktplatz.
Aber
auch Weber, Töpfer und Goldschmiede fanden ihr Auskommen. Seit 1870 hat
Preetz
Stadtrechte.
Als
das Schusterhandwerk wegen der Konkurrenz der Schuhindustrie Ende des
19.
Jahrhunderts zurück ging, wurde Preetz zur "Schlachterstadt", mit
einem Dutzend Fleisch- und Wurstfabriken. Heute hat Preetz vielfältiges
Gewerbe, u.a. die größte Druckerei Europas.
Das
erste „Circusmuseum“ Deutschlands gibt es in Preetz seit über 30
Jahren, außerdem
ein Heimat- und ein Uhrenmuseum.
Wechselnde Ausstellungen zeitgenössischer Künstler können im Kunstkreis
Preetz
besichtigt werden.
Regelmäßige
Veranstaltungen: Preetzer Kulturnacht, Autoschau, Schusterfest und
Schusterlauf, Kunsthandwerkermarkt und, natürlich, das größte
Papiertheatertreffen der Welt...
Was sonst noch interessiert und Details: www.preetz.de