Ein Vorspann von Sabine Herder und Uwe Warrach
Die Professionalisierung schreitet voran, und hier und da hat sich
das Papiertheater zur ernst zu nehmenden Kunst entwickelt. Auf einem
Festival, das entspannt wirkte wie nie, hatte man zuweilen den
Eindruck, einer perfekt organisierten Familienfeier beizuwohnen. Alle
teilnehmenden Papiertheaterspieler waren mittlerweile „alte Hasen“ und
so blieben die Überraschungen in diesem Jahr weit gehend aus. Neu
waren: Marlis Sennewald, langjährige Kuratorin und Organisatorin des
Festivals als Spielerin – bravo! und Narguess Majds erste eigene
Papiertheaterproduktion – hier kann man nur ehrfürchtig den Hut ziehen.
Eine Erkenntnis in diesem Jahr: Weniger ist – manchmal – mehr, aber ein
guter Soundtrack hilft über viele Klippen hinweg und vermag die
erzählerische Spannung zu halten und voranzutreiben.
Neun von fünfzehn Bühnen kamen diesmal aus Übersee, Großbritannien,
Frankreich, Dänemark und Österreich, und indirekt war eine Königin zu
Gast. Trotz veränderter äußerer Umstände im Schulgebäude klappte alles,
namentlich dank der umsichtigen und wendigen Organisation seitens der
VHS–Leitung mit ihrem wackeren Hausmeister und seinem tüchtigen Team.
Noch ein Extra-Dank gebührt auch dem Catering-Unternehmer, der wie in
jedem Jahr nicht nur mit leckeren Speisen aufwartete, sondern auch mit
stets guter Laune. Wie üblich herrschte sommerliches Wetter, wie
es dem Norden in diesem Jahr ausgiebig beschert wurde. Das Ganze wurde
wie immer begleitet von Gesprächen, Begegnungen, alten und neuen
Bekanntschaften und letztendlich – erster Vorfreude auf das nächste
Jahr...
Im folgenden berichten Sabine Herder, Olaf Christensen, Jens Schröder
und Uwe Warrach von ihren Eindrücken bei den einzelnen Aufführungen,
geordnet nach dem Theaterzettel.
Little Blue Moon Theatre – Valerie und Michael Nelson, USA
A Japanese Ghost Story
Endlich ein Wiedersehen mit Valerie und Michael Nelson! Nicht, wie
angekündigt mit den Canterbury Tales sondern mit einem kleinen aber
feinen Werk aus ihrem Repertoire. Die „Japanese Ghost Story“ erzählt
die Geschichte von Yamome, einem alternden Mann, der untröstlich ist,
als seine junge Gefährtin unvermittelt stirbt. Untermalt mit ruhig
plätschernder japanischer Musik, stimmen uns zunächst einige
Landschaftsansichten auf die japanische Kultur der Edo-Zeit ein. Ein
balzendes Kranichpaar weist uns zum Thema, eine saftige erotische
Darstellung, ebenfalls der japanischen Farbholzschnitttradition des 18.
Jahrhunderts entlehnt, erinnert uns daran, was wir vom „Little Blue
Moon Theatre“ zu erwarten haben. Brav ist hier nichts! Yamome, dem nach
einiger Zeit die Geliebte als Geist erscheint, die jede Nacht zufrieden
gestellt werden möchte, schwinden schon bald die Kräfte. Auch endet der
schöne Spuk immer vor Morgengrauen. Wenn er sie nun über den
Tagesanbruch hinaus beschäftigen könnte – wäre sie dann für immer sein?
Yamome sucht und findet eine Lösung: Bondage! Doch anders als erhofft,
findet sich das Paar bei Tagesanbruch zwar vereint, jedoch nicht mehr
am Leben.
Nelsons erzählen ihre Geschichte mit einfachsten Mitteln: wunderschönen
Bildern, einer zarten, leisen, die Dramaturgie der Handlung
untermalenden Musik, einem poetischen Erzähltext, der von Valerie
Nelson mitreißend gelesen wurde und einer spanischen Wand, die nach und
nach die Ereignisse der Nacht preisgibt. Einfach schön!
Sabine Herder
Was Valerie und Michael Nelson aus den USA mit ihrem Little Blue Moon
Theatre auf die Bühne bringen, ist Papier gewordene Poesie im
Bilderstil japanischer Holzschnitzkunst, die von den beiden in Figuren
und Kulissen mit viel Liebe zum Detail adaptiert wurde.
Das Stück handelt von der Großen Liebe und endet - wie meistens - tragisch.
Doch zwischen Beginn und Ende dieser Geschichte, die von traditionellen
japanischen Geistergeschichten inspiriert ist, erlebt der Zuschauer
eben jene Poesie die dieses Stück ausmacht.
Der ältere Yamome heiratet erst in hohem Alter und erlebt sein Liebesglück mit einer wesentlich jüngeren Frau.
Der Akt körperlicher Liebe wird durch einen Paarungstanz zweier Kraniche versinnbildlich, deren Figurenführung einzigartig ist.
Doch tragischer weise stirbt seine junge Frau viel zu früh.
Die Liebe ist stärker als der Tod und so erscheint ihm jede Nacht der Geist seiner verstorbenen Frau Oyume.
Jeweils nur die Nacht bleibt dem Paar für Liebe und Leidenschaft.
Dann sinnt Yamome, seine Frau für immer an sich zu binden.
Der Plan gelingt, jedoch anders als von Yamome und vermutlich auch von den Zuschauern zunächst gedacht.
Das Stück lebt von den Bildern, ihrer räumlichen Tiefenwirkung und den
zarten Bewegungen der Figuren in ihnen. Der wenige zum Verständnis
notwendige Text wird von Valerie mit melodiöser Stimme vorgetragen,
während sich Michael ganz auf das Figurenspiel konzentriert.
Ein solches Stück käme wohl auch gänzlich ohne Spezialeffekte aus und tatsächlich gehen die Nelsons eher sparsam damit um.
Bei der geisterhaften Erscheinung der Frau oder dem Überqueren einer
langen Flussbrücke zeigt sich aber, dass der pointierte Einsatz nur
weniger Effekte quasi wie das Salz in der Suppe ist.
Es war wieder eine "bildschöne" Aufführung, die eine erotische Geschichte erzählt, ohne über Andeutungen hinauszugehen.
Papiertheater vom Feinsten!
Olaf Christensen
Eulenspiegel Puppet Theatre – Monica Leo, USA
Play to Play (or Hold Your Puppet Up!)
Play to play – von Aufführung zu Aufführung – das könnte gut als
gemeinsame Überschrift über einer Veranstaltung mit einem derart prall
gefüllten Spielplan wie dem Preetzer Papiertheatertreffen stehen.
Hier allerdings stand der Titel für die Lebensgeschichte der durch die
Schulen der USA reisenden Puppenspielerinnen. Man reiste über 30 Jahre
von Stadt zu Stadt, von Schule zu Schule und eben von play zu play, um
für Kindern zu spielen und mit ihnen Puppenspiel-Kurse durchzuführen.
Diese sich ständig wiederholte Abfolge der Reise und die ständig
wiederholte Aufforderung an die Kinder „hold your puppet up!“ – so der
Untertitel des Stückes – drückt zwar eine gewisse Monotonie im Leben
der Puppenspielerinnen aus; wenn aber dieses Leben nur annähernd so
bunt war, wie das hier gezeigte Stück, dann finde ich es beneidenswert.
Monica Leo hat ihr autobiographisches und als Hommage an Ihre Partnerin
Teri Jean Breitbach zu verstehendes Stück alternierend in zwei Sprachen
angeboten. Ich habe eine deutschsprachige Aufführung erwischt und bin
mir aber sicher, dass bei der Fülle der gebotenen visuellen Eindrücke
auch die englische Version meine Begeisterung nicht hätte geringer
ausfallen lassen.
Sechs Stationen des Puppenspielerlebens entfalteten sich aus einem
großen Pop-up-Buch und boten eine Fülle an optischen Überraschungen,
vor allem auch durch die Unmengen an zusätzlichen Ausstattungsteilen
und Figuren, die Monica Leo für jede einzelne Szene angefertigt hatte.
Immer wieder kommen Diskussionen auf, ob eine Aufführung Papiertheater
ist oder nicht. Bei der hier gesehenen Aufführung stellt sich aus
meiner Sicht diese Frage nicht. Ein Beitrag zur dieser Diskussion kann
aber sein, dass eine Papiertheateraufführung wie diese von Monica Leo,
die den Rahmen des üblichen kleinen und für manche als ein
entscheidendes Kriterium genannten papierenden Proszeniums verlässt,
für die Augen des Betrachters in der Kette von dreizehn Preetzer
Aufführungen an drei Tagen eine sehr entspannende, entlastende und
willkommene Abwechslung darstellt.
Danke, dass wir an dieser bunten Lebensgeschichte teilhaben durften.
Jens Schröder
Paperplay Theatre – Joe Gladwin, Großbritannien
Frankenstein lives!
Zu Beginn der Vorstellung betrat ein unheimlicher Geselle mit
breitkrempigem Hut, Umhang und Laterne den Theaterraum. Joe Gladwin
präsentierte sich in dieser Verkleidung als Sohn des legendären Dr.
Frankenstein. Der Vorhang des Papiertheaters öffnete sich, und eben
jener unheimliche Geselle mit Hut und Umhang war als Papierfigur zu
sehen und die unheilvolle Handlung nahm ihren Lauf. Ich muss zugeben,
dass sich mir dieser Wechsel von der realen zur papierenen Figur erst
am Ende der Aufführung erschlossen hat, wenn auf der nun
dekorationslosen Bühne Frankensteins Sohn im Outfit des Anfangs, nun
ergänzt durch einen Regeschirm, verbleibt und Joe Gladwin in gleicher
Verkleidung, nun auch mit Schirm, den Raum verlässt und verschwindet.
Glücklicherweise lockt der aufbrandende, verdiente Applaus Joe Gladwin
zurück.
Zwischen Auf- und Abtritt lag eine sehenswerte Aufführung, bei der
Gladwin wieder einmal in gewohnter und langjährig bekannter Weise
virtuos hinter seinem Theater agierte und artikulierte.
Das Theater, in dem sich die Geschichte um den Sohn Frankensteins, der
sich „Herr Schmidt“ nennt und nun auf Schloss Karloff die Experimente
seines Erzeugers wieder aufnehmen will, vollzog, war eine Augenweide.
Ein Theater in der typisch englischen Bauweise, aber komplett in Gold
gehalten mit reliefartigen Strukturen, die sich bei späterem näheren
Hinsehen als mit der Heißklebepistole gezogene Linien entpuppten – sehr
effektvoll. Der Grundbau des Bühnenbildes bestand aus mehreren in der
Tiefe gestaffelten Bögen mit ähnlicher Struktur, aber dunklerer
Farbgebung; einen passenderen Rahmen hätte man sich für diese
Geschichte kaum vorstellen können.
Im gelungenen wirkungsvollen Kontrast dazu standen die vielen von Joe
Gladwin selbst gezeichneten farbigen Kulissenteile und Versatzstücke
der einzelnen Szenen sowie die Figuren. Erwähnenswert auch die vielen
in das Stück eingebauten „Papiertheater-Tricks“ – besonders begeisterte
mich die Gelungene Darstellung der Übergabe eines Briefes von Gräfin
Karloff an ihre Zofe „Frau Preetz“.
Der herrliche optische Eindruck ergab in Verbindung mit dem
intelligenten Text und der Gladwin eigenen Sprachgestaltung ein
wunderbar schaurig-schönes Theatererlebnis.
Jens Schröder
Robert Poulter’s New Model Theatre – Robert Poulter, Großbritannien
THE MUMMY’S cheap day RETURN
Absurd, skurril, grotesk - diese Vokabeln beschreiben äußerlich, was
sich da auf Robert Poulter's New Model Theatre-Bühne an Geschichte
entspinnt.
Schon den Inhalt wiederzugeben fällt entsprechend schwer.
Grob gesagt geht es um die Pharao-Mumien des British Museums, die sich
vor einer Übernahme "ihres" Museums durch ihre Erzfeindin Madame Loos
Lee fürchten.
Wie in "The Mummy's Purse" soll Hilfe aus der Unterwelt von Yummy Mummy kommen.
Auch Inspector Wainscoat ist wieder mit von der Partie, als die wilde
Jagd auf die "Meisterverbrecherin" durch das alte London ihren Lauf
nimmt.
Robert Poulter spart an deftigem Wortwitz genauso wenig wie an den
kräftigen Pinselstrichen, mit denen er seine Figuren und Kulissen
selbst zeichnet und lebendig werden lässt.
Begleitet von einem stimmigen Soundtrack und Musik schafft Robert es
bei fliegendem Kulissenwechsel, seine Figuren in bildgewaltigen Szenen
auftreten zu lassen, in denen er auch nicht mit funktionierenden
Fahrstühlen, rasanten Jagdszenen im Hafen und andern bewegten Effekten
geizt.
Zusätzlich schafft er es, durch sein Spiel mit der Perspektive seiner
kleinen Bühne eine Dreidimensionalität zu verleihen, die einen mehr als
einmal in den zehn Szenen in ihren Bann schlägt.
Badende Mumien, eine Terrakotta-Armee aus Blumentöpfen und die Londoner
Feuerwehr stilecht mit Dennis-Löschfahrzeug bei der Brandbekämpfung
eines chinesischen Drachen gehören ebenso zu dem Stück wie der Auftritt
der Göttin Ipet, der "Nilpferdgöttin", mit dem Robert seine fundierten
Geschichtskenntnisse unter Beweis stellt (die Göttin gab es im Alten
Reich Ägyptens tatsächlich).
Sie ist es auch, die Madame Loos Lee - zumindest für dieses Stück - endgültig in die Flucht schlägt.
Auch für Yummy Mummy wird es nun am Ende des Stücks im wahrsten Sinne
des Wortes "Höchste Eisenbahn", denn ihr 24-Stunden-Billig-Ticket läuft
ab…
Ein verdienter und sehr langer Schlussapplaus beendete dann Roberts 39. Stück.
Olaf Christensen
Sarah’s Paper Theatre – Sarah Peasgood, Großbritannien
The Wild Swans
Sarah Peasgood ist flügge geworden. Nach ihren
Papiertheateradaptionen amerikanischer Comic Strips, hat sie sich
diesmal ein klassisches Andersen-Märchen ausgesucht und dessen
Ausstattung vollständig selbst entworfen. Angeregt von den
Bühnenbildern des russischen Avantgardekünstlers Iwan Bilikin,
entstanden zarte, poetische Dekorationen und Figuren, die in ihrer
stilisierten „Volkstümlichkeit“ gut zur Illustration eines Märchens
passen. Auch sie setzt konsequent auf einen begleitenden Soundtrack –
in diesem Fall die Musik des deutschen Komponisten Max Richter. Dass
Sarah Peasgood alleine spielt und live dazu spricht, verdient
Bewunderung. Erleichtert wurde ihr das unter anderem durch die
Bühnentechnik, die den Bühnenprospekt durch eine neuartige, in
unterschiedlichen Tönen glühende Lichtbox ersetzte, wie wir sie sicher
künftig öfter sehen werden. Der Theaterzettel verrät, dass in der
Familie Peasgood offenbar die Papiertheatertradition nicht nur von
Sarah weitergeführt wird: William, der jüngste Spross der Familie,
baute Bühnentechnik und Lichtanlage. Wir hoffen auf mehr!
Sabine Herder
Papierthéâtre – Narguess Majd, Alain Lecucq, Frankreich
Black or White
Es war die größte Bühne des diesjährigen Festivals. Im ohnehin schon
großräumigen „Speicher“ nahm sie fast die gesamte Breite des Raumes ein
und wirkte in ihrem dröhnenden Schwarz mit der eigenartig geformten,
kleinen Bühnenöffnung beinahe einschüchternd. Das „Papierthéâtre“,
wartete, trotz gewohnter Besetzung, in diesem Jahr mit einer Neuerung
auf: Erstmals präsentierte Narguess Majd in Preetz ein eigenes Stück.
Alain Lecucq, ihr einstiger Lehrer, begab sich für diese Produktion in
die zweite Reihe.
„Black or White“ erzählt in sieben gleichnishaften Episoden vom
Abschied eines Jungen von seinem sterbenden Großvater. Irgendwann
dämmert dem Betrachter, dass diese, sich immer weiter öffnende Bühne
ein Auge ist, das Auge des Jungen, der von seinem Großvater noch einige
Lehren mit auf seinen Lebensweg bekommt. Mit seiner wachsenden
Erkenntnis weitet sich sein Blick auf die Welt, an dem wir aus der Loge
hinter seiner Stirn teilhaben dürfen. Narguess Majd entführt uns mit
Ihren berauschend schönen Bildern, die, stark stilisiert und in zarten
Farben, an die Hochblüte des Jugendstils erinnern, in die
Vorstellungswelt eines Kindes. Hier gibt es noch Wunder, Märchenmotive
und Fleisch gewordene Allegorien. Die Wirklichkeit ist noch von der
Vorstellungswelt überlagert, die Wahrnehmung wird von Erwartungen
beeinflusst. Dies zu entwirren, überfordert den Jungen; aber, wenn wir
uns die Lehre des Großvaters zueigen machen: Geht es uns Erwachsenen
nicht auch oft so?
„Black or White“ ist Papiertheater der Profiliga, weit jenseits der oft
augenzwinkernden Toleranz, mit der wir den einen oder anderen Schnitzer
zu verzeihen bereit sind. Eine Geschichte mit Anspruch, großartig
vorgetragen und fulminant präsentiert. Diese Bühne war nicht nur die
größte, sie war auch die schönste dieses Festivals!
Sabine Herder
Théâtre de Table – Eric Poirier, Frankreich, Marlis Sennewald, Hamburg
Willibald. Balèze
Das „Herz“ des Festivals als Debütantin. Wenn das mal keine Nachricht
ist! Eric Poirier hat sich Hilfe gesucht und ist bei Marlis Sennewald
fündig geworden. In monatelanger Vorarbeit in Frankreich und Schönberg
entstand das Spiel nach einem Kinderbuch. Das „Théâtre de Table“ fand
diesmal nicht auf dem Tisch statt, sondern auf einem „richtigen“
Theater. Und was für einem! Wenn Eric Poirier schon nicht jedes ihn
umgebende Möbelstück bespielen kann, muss sein Proszenium doch
wenigstens vier Spielebenen haben. Und selbst da kann man noch etwas
dran bauen.
Das Spiel erzählt von Mäuserich Willibald, der die von ihm selbst
geschürte Angst der Mäusegemeinschaft vor der Katze nutzt, um ein
diktatorisches Regime aufzubauen. Wie sich die Mäusebande zunächst
allen Schneid, dann die Freiheit und schließlich den Spaß abkaufen
lässt, ist ein Lehrstück darüber, wie die Mechanismen totalitärer
Systeme arbeiten. Die wunderbar schrägen Figuren aus der Feder von
Christiane Comtat machen das ursprünglich zahm illustrierte Kinderbuch
auf der Bühne zur Augenweide, bizarre Regieeinfälle zu einem Spaß für
große und kleine Zuschauer. Marlis Sennewald leiht mit viel Charme und
bezaubernder Keckheit ihre Stimme Lilly, der in die Bibliothek
verbannten Mäusedame, die am Ende ihre Mitmäuse wieder zur Vernunft
bringen kann. Eric Poirier tut es gut, sich an einen festgelegten
Spieltext halten zu müssen, statt zu improvisieren. Es nimmt seinem
Spiel zwar nicht die Rasanz, aber die sonst oft vorhandene
Atemlosigkeit, der man in den vergangnen Jahren manchmal nur schwer
folgen konnte. Dieses Team hat Zukunft!
Sabine Herder
Eine lustige Mäusegeschichte und zugleich eine Parabel über politische Gewaltherrschaft. Wie das geht? So:
Mäuserich Willibald schwingt sich zum Chef der Mäusegesellschaft auf,
die in einer Menschenvilla lebt, irgendwo unten, wie das untere
Bühnenfenster verdeutlicht. Oben tanzen die Mäuse nur, wenn die
Menschen nicht zu Hause sind, die auch wir aus der Mäuseperspektive
wahrnehmen, als Beine mit Puschen dran.
Mittels einer maßlos überzogenen Katzenphobie erzeugt Willibald ein
Klima der Angst und schwingt sich zum Führer auf. Das normale Leben,
das sich Mäuse ebenso wie Menschen wünschen, wird durch Aufmärsche,
Manöver und Kampfdrill ersetzt. „Ein Haus – eine Familie – ein Chef!“
lautet die Parole, in der wir etwas wieder erkennen. Albino- Maus Lilli
mit Fehlfarben und eigener Meinung wird selektiert und in die
unfressbare Bibliothek gesperrt. Dort aber lernt sie Lesen und Denken,
durchschaut die Tücken der Mausefallen und des Herrschaftsapparats und
führt ihre Freunde in die Freiheit.
Eric Poirier hat aus dem Kinderbuch von Willi Fährmann ein Lehrstück
über die Entstehung von Tyrannei gemacht, ohne Kindern die Freude an
der Kerngeschichte über eine kecke Mausbande zu nehmen und den
Erwachsenen die Möglichkeit zur tieferen Einsicht, auch dank Marlis
Sennewalds Übersetzung. Beide (!) sprechen live und heizen den von Eric
treffend gestalteten Figuren mit Ecken und Kanten mauseschnelles,
Schweiß treibendes Leben ein, mit viel action sind hinter, neben und
vor der Bühne.
Uwe Warrach
Wiener Papiertheater – Kamilla und Gert Strauss, Österreich
Mondrevue
Die Ankündigung einer Revue – da erwartet der Zuschauer optisch
Opulenz, phantastische Bühnenbilder, herrlichste Kostüme, Scharen von
Tänzern und Sängern. Und wenn dann diese Revue-Ankündigung vom Wiener
Papiertheater kommt, dann ergibt sich in Verbindung mit der Erinnerung
um die Aufführungen der Vorjahre und dem Wissen um die einzigartigen
technischen Möglichkeiten dieser Bühne eine besondere Erwartungshaltung.
Diese Erwartungshaltung, soviel gleich vorweg, wurde nicht enttäuscht.
Frei nach Motiven der Operette „Frau Luna“ erlebten wir den bekannten
und berühmten dänischen Papiertheater-Star Peder Most in der Rolle des
Fritz Steppke, der mit seinen Berliner Kumpels in einem selbst
konstruierten Fluggerät eine Reise zum Mond plant. Wir erleben ihn in
seiner von der Witwe Pusebach angemieteten Mansarde, von der aus er
dann tatsächlich seine Reise startet: Ziel sind die bekannten
„Schlösser, die im Monde liegen“. Der Mondflug, an dem sich in letzter
Sekunde auch Steppkes Vermieterin beteiligt, vollzog sich in
spektakulärer Weise vor einem hier nicht horizontal sondern vertikal
angeordneten Wandelpanorama.
Die „Berliner Luft“ wird mit zunehmender Flughöhe dünner, und nach
glücklicher Landung, bei der allerdings das Fluggerät der Raumfahrer
Schaden nimmt, staunt Vermieterin Pusebach nicht schlecht: Sie trifft
Herrn Theophil wieder, der vor gar nicht langer Zeit eine Reise zur
Erde unternommen und dabei Frau Pusebach den Hof gemacht hat. Auf dem
Mond ist dieser Theophil allerdings mit der Kammerzofe der dortigen
Chefin Frau Luna liiert. Auf dem Mond geht es lustig zu - die Besucher
und die Mondbewohner – unter Ihnen der Frau Luna verehrende und
begehrende Prinz Sternschuppe und eben diese Frau Luna höchstselbst,
die allerdings nur Augen für Herrn Steppke hat, singen, tanzen und
feiern, dass es eine Freude ist, ihnen dabei zuzusehen.
Der eine oder andere mag vielleicht anmerken, dass die Zeit bis zur
glücklichen Rückkehr der Mondbesucher mit dem Spährenmobil von Prinz
Sternschnuppe um das eine oder andere Couplet hätte verkürzt werden
können – ich habe aber dieses intergalaktische Vergnügen im vollen
Umfang genossen.
Jens Schröder
Svalegangens Dukketeater – Per Brink Abrahamsen & Sören Mortensen, Dänemark
Comedy in Florence
Florentinische Kirchen, Paläste und Gassen im Licht des Südens,
künstlerisch überzeugend gestaltet von der Bühnenmalerin Königin
Margarethe II von Dänemark. Laute und Trommel stimmen auf das 13.
Jahrhundert ein. Schweres Gewitter in Meeresnähe sorgt für Dramatik am
Beginn, doch fällt der Spannungsbogen danach rasch ab.
Die Erwartungen auf das Spiel sind hoch, angesichts des
Programmzettels, der „königlichen Glanz“ von Bühne und Stimme verheißt.
Die aparten pastellfarbenen und dabei ausdrucksstarken Figurinen
vollenden das schöne Bühnenbild, indessen bewegen sie sich langsam, bis
zum Stillstand, verharren lange vor Mauern, in Gassen und in einer
düsternen Taverne, zu andauernden Mono- und Dialogen verurteilt - auf
Dänisch. Da diese Passagen zumindest gefühlt vier Fünftel der nahezu
einstündigen Aufführung ausmachen, der englische Rest sich überdies mit
dem dänischen teilweise überlappt, kann man nur ahnen, welcher Plot
einem da entging. Schade.
Uwe Warrach
Haases Papiertheater – Sieglinde und Martin Haase, Remscheid
Eine Stunde mehr
Wer will das nicht: dem voll gestopften Alltag hier und da „eine Stunde
mehr“ abringen, um sich den schönen Dingen des Lebens zuwenden zu
können? So auch der junge Redakteur Schreiber, der über einen
Großeinsatz der Feuerwehr berichten soll und, von schlechtem Gewissen
geplagt, der Verabredung mit seiner Freundin Trudi fernbleiben muss.
Was er allerdings am Ort des explodierten Labors erlebt, ist eine
furiose Science-Fiction-Achterbahnfahrt. Da behauptet doch tatsächlich
Professor Oehmigke, der Verursacher des Unglücks, eine Zeitmaschine
erfunden zu haben! Schreiber glaubt natürlich kein Wort, lässt sich
aber auf eine Verabredung am kommenden Tag ein und muss sich eines
Besseren belehren lassen. Tatsächlich steht die Zeit still und
Schreiber sieht sich mit der Möglichkeit konfrontiert, unbemerkt den
Tresor einer Bank leer zu räumen. Leider vergaß Professor Oehmigke
aber, seinen Schützling darauf hinzuweisen, dass seine Erfindung nicht
ganz ausgereift ist. Nach einigem Hin und Her landen sie schließlich
glücklich wieder in der Gegenwart, wo Schreiber zu dem Schluss kommt,
dass eine so unglaubwürdige Geschichte seinen Lesern allenfalls in Form
eines Papiertheaterstücks zu vermitteln sei. Am Ende ist alles gut und
Schreiber und Trudi spazieren in den Sonnenuntergang. Nach und nach
leuchten die Sterne auf und zuletzt eine Straßenlaterne.
Wer auf einen „Fernsehabend“ hoffte wie im vergangenen Jahr, sah sich
zunächst enttäuscht. Haases präsentierten ihr neuestes Werk umrahmt vom
altbekannten Urania-Proszenium aus der m&n Reprise. Doch kaum hatte
sich der Vorhang gehoben, zeigte er sich wieder: der Haase-Zauber. Und
während man noch das schöne Interieur bestaunt und schmunzelnd im
Chefredakteur Martin Haase selbst erkennt, fragt man sich angesichts
des eifrig tippenden Reporters Schreiber: Wie hat er denn das schon
wieder gemacht? Haases spielen auch in diesem Jahr fröhlich auf der
Klaviatur unserer kollektiven Medienerinnerung und bedienen das alte
Cineastenspiel „wer erkennt die meisten Zitate?“. Sie sollten demnächst
einen Preis für die richtige Lösung ausloben. Schön, auch hier ein
längst vergessenes Schätzchen des sechziger Jahre Fernsehens wieder zu
entdecken! In diesem Fall gepaart mit einer weiteren Haase-Spezialität:
dem Spiel mit optischen Tricks. Auch wenn sich inzwischen ein
Haase-Stil mit wieder erkennbaren Merkmalen herausgebildet hat: Diese
technische Raffinesse, die überraschenden Perspektivenwechsel, der
filmische Blick. Das muss ihnen erst einmal jemand nachmachen!
Sabine Herder
Muthesius Kunsthochschule – Prof.Dr. Ludwig Fromm, Martin Witzel und Studenten, Kiel
Fischgericht – eine tiefgründige Erzählung
Bei der traditionellen Eröffnungsveranstaltung in der Mehrzweckhalle
konnte ich bereits einen Blick in die nicht durch einen Vorhang
versperrte Bühne werfen, die wieder von den Studierenden der Muthesius
Kunsthochschule Kiel unter Leitung von Prof. Dr. Ludwig Fromm gestaltet
wurde, und ich erblickte eine viel versprechende Drehbühne. Bei der
späteren Aufführung war ich dann etwas enttäuscht darüber, dass diese
Drehbühne lediglich für eine einzige 180�-Drehung eines darauf
platzierten Bühnenelementes genutzt wurde.
Auch sonst spielte sich das Geschehen – anders als in den Vorjahren –
in einem einzigen Bühnenbild ab. Dieses Bühnenbild wurde anfangs noch
teilweise von einer Projektionsfläche verdeckt, auf der man im Film
einen Fischer bei seiner namensgebenden Tätigkeit beobachten konnte.
Galt es doch, den Hunger seiner Frau auf Makrelen zu stillen. Diese
Vor-Handlung bestätigte meine Vermutung, dass es sich bei dem Titel
„Fischgericht“ wohl um etwas essbares handeln würde, dann aber wurde
der Fischer in die Tiefen des Meeres hinab gerissen und musste sich vor
einem Gericht aus Fischen für seine Ermordung von deren Artgenossen
verantworten; auf diese Deutung des Titel wäre ich nie gekommen!
Dieser Fischgerichtshof unter Wasser war – wie schon erwähnt – der
einzige Ort des Geschehens. In dieser Aufführung vermittelte sich der
Inhalt weniger visuell als tatsächlich durch gesprochenen Text; die auf
dem tiefen Meeresgrund stattfindende Gerichtsverhandlung war
tatsächlich – im wahrsten Sinne des Wortes – eine tiefgründige
Erzählung. Tauchten in den Inszenierungen der Vorjahre Texte nur als in
die Bühne hineingehaltene Texttafeln, Sprechblasen oder in Form
einzelner projizierter Sätze oder Wörter auf, so wurde dieses Mal die
Geschichte explizit erzählt.
Auch wenn es bei einer so konkret verbal präsentierten Handlung weniger
Spielraum für eigene Assoziationen gab als bei den Aufführungen
der Vorjahre – mir hat es sehr gut gefallen und ich bin, wie immer,
gespannt auf das nächste Jahr!
Jens Schröder
Papieroper am Sachsenwald – Uwe Warrach, Reinbek
Moin Moin, Herr Hofrat
Schon der Titel und die Anrede machen deutlich: hier stimmt etwas nicht!
Dieses Gefühl beschleicht auch den Papiertheaterspieler Dr. Kuno
Eulenfater und seine Tochter, als sie unterwegs zum Internationalen
Papiertheatertreffen in Preetz vom Weg abkommen.
Unversehens befinden sie sich im „Weißen Schwan“ im thüringischen
Weimar und treffen dort auf zwei Herren, die Goethe und Schiller aufs
Haar ähneln.
Was dann folgt ist eine bisweilen in Mundart vorgetragene Diskussion
zwischen den drei Hauptdarstellern, in der sich „altes“ Deutsch der
Goethe/Schiller-Zeit mit Anglizismen von heute mischt.
Das Gespräch dreht sich u. a. auch um die Geschichte des Papiertheaters, die man sozusagen nebenbei erzählt bekommt.
Das Ganze findet in besagter Gaststube statt, in der es ein gemütliches
Kaminfeuer durch eine Flackerglühlampe als Sondereffekt gibt.
Und wo wir gerade bei Sondereffekten sind:
Das Stück lebt von der Nachvollziehbarkeit der Diskussion, und Uwe
Warrach von der „Papieroper am Sachsenwald“ versteht es, die
Hörspielgrundlage gekonnt mit den Bewegungen der Figuren zu
synchronisieren.
Da während des Stücks von den drei Herren dem Wein reichlich
zugesprochen wird, nimmt es nicht wunder, dass die Figuren beweglich
gestaltet sind und die Weinzufuhr höchst lebendig und nachvollziehbar
gestaltet wurde.
Doch auch die Tochter des Spielers spielt durchaus eine Rolle:
Die mischt während des Männergesprächs derweil den Ballsaal nebenan mittels Gettho-Blaster und Rockmusik auf.
Und während der Zuschauer akustisch an der Rockmusik teilhat, wird ihm
das Geschehen im Inneren des Saales mittels Schattenspiel nahe gebracht.
So kommen letztlich Auge und Ohr auf ihre Kosten, auch wenn das Stück für sich auch als Hörspiel durchgehen könnte.
Insgesamt 30 Minuten Papiertheater, bei dem vor allem Freunde des
geschliffenen Textes und fein gedrechselten Wortwitzes auf ihre Kosten
kommen.
Olaf Christensen
Théâtre Mont d’Hiver – Birthe und Sascha Thiel, Saarbrücken
Frösche küsst man nicht
.. sondern man isst sie - entweder, weil man sie beim Betreten der
„Alten Schneiderei“ von Birthe und Sascha Thiel in Fruchtgummi-Form
überreicht bekommt oder aber, weil man verarmt in einem Schloss lebt
und die Schenkel der im Schlossteich lebenden Frösche die einzige noch
finanzierbare Nahrungsquelle darstellen.
So ging es der ehemals hochherrschaftlichen Familie in dieser
originellen Froschkönig-Version. Wir befinden und in einem sehr
verarmten Königreich, in dem es der herrschenden Familie nicht besser
geht als seinen Untergebenen – der König und seine beiden Töchter sind
auch arm. Zur Schlossbesatzung gehört noch die Haushälterin, die im
sich im Laufe der Jahre erstaunliche Fähigkeiten im Froschfang
angeeignet hat.
Das Dilemma der Schlossbewohner, deren Papiertheaterfiguren übrigens
wieder alle Gesichtszüge der Reimers’schen Familie trugen, könnte sich
lösen lassen, wenn Tochter Rosa den ungeliebten Prinz des reichen
Nachbarn heiraten würde; dieser ist aber weder kunstinteressiert, noch
teilt er die Vorliebe der Prinzessin für „Wer wird Millionär“ – dies
ist die wichtigste Voraussetzung für die Eignung als Ehegatte. In einem
der Frösche findet Rosa alternativ den geeigneten Lebenspartner- nur
ein Kuss, und schon wird aus ihm ein netter Quiz-Show-liebender Prinz…
Doch so einfach ist das nicht. In dieser mit sehr passend zur Handlung
ausgewählten Musikstücken ergänzten Geschichte gab es noch diverse
Komplikation auf dem Weg zum Happy-End.
Eine besondere Freude ist es, den beiden Spielern bei ihrer Tätigkeit
zusehen zu dürfen. Die Art und Weise, wie sie miteinander spielen und
über ihr Theater hinweg miteinander kommunizieren, ist sehenswert. Hier
wird spürbar, dass die beiden jederzeit bereit wären, Ihrem Partner
beim Schauen der bereits erwähnten Quiz-Sendung Gesellschaft zu
leisten… Es bleibt zu hoffen, dass die Beiden nicht auf die Idee
kommen, ihre Bühnen um einen frontalen Vorhang, hinter dem die Spieler
verschwinden, zu erweitern, es würde viel verloren gehen.
Über ein Wiedersehen mit den beiden Saarländern in der „Alten
Schneiderei, die sich übrigens fast schon auf Grund der besonders
Papiertheater-geeigneten Wohnzimmeratmosphäre zu meiner
Lieblingsspielstätte in Preetz entwickelt hat, würde ich mich sehr
freuen.
Jens Schröder
Don Giovanni, Käthchen & Co. – Peter Schauerte-Lüke, Marie-Sophie Caspar, Köln
Schubert Lieder: Die Bürgschaft – Der Erlkönig – Der Fischer
Ich wollte damit den langen Sonnabend ausklingen lassen und wurde sehr
belohnt. Peter Schauerte-Lüke zeigt uns, dass Balladen des 18.
Jahrhunderts nie alt werden müssen, wenn man sie richtig vorträgt, will
sagen: sie ernst nimmt in ihrer Tiefe und der seinerzeitigen Botschaft,
erhöht durch Schuberts Melodien.
Drei Klassiker, die vielleicht den einen oder anderen zu Schulzeiten
quälten oder, namentlich bei Schillern, zu Verbalhornisierungen
Zuflucht suchen ließen, kommen uns hier als dramatische Erzählungen.
Erstaunlich, wie das geht. Peter Schauerte-Lüke und seine Partnerin
Ulrike Jöris-Pitschmann singen live zu den adäquat gestalteten
Bühnenbildern; besonders reizvoll fand ich den Wechselgesang, der einem
selten geboten wird. Originell auch der Umzug von der relativ
großen Bühne zu einer normalformatigen, auf der „Der Fischer“
stattfand.
Der Abend war erfüllt und die mitgebrachte innere Unruhe vom Tage gestillt.
Uwe Warrach
Hellriegels Junior – Gerlinde Holland, Willem Klemmer, Kiel
Die Glocke von grünem Erz
Nun wissen wir, wo die russischen Schlittenglöckchen herkommen. Von
einer großen Glocke nämlich, die ein Bauer beim Pflügen fand und die
seinem Dorf Freude und Glück brachte, zunächst wenigstens. Der sich
verbreitende Ruhm dieser Glocke und der Glaube, sie sei ein Geschenk
Gottes, riefen indessen die Neider auf den Plan. Der schlimmste und
leider auch mächtigste von ihnen war der Zar: Die Glocke mit ihren
magischen Kräften musste sein werden. Doch ließ sie sich
wunderbarerweise nicht abtransportieren. So befahl der Herrscher, sie
zu zerschlagen. Nun waren alle traurig, und der Bauer beschloss, die
Scherben wenigstens dem Acker zurückzugeben, wo er die vermeintlich
himmlische Glocke gefunden hatte. Doch ein zweites Wunder verwandelte
die Bruchstücke in lauter kleine Glocken, und die - siehe oben.
Kulissen und Figuren hat der jüngste Preetzer Spieler diesmal allein
gestaltet, in Pastellfarben mit Buntstiften. Die Geräusche kommen von
Töpfen und anderen alltäglichen, umfunktionierten Gerätschaften, ebenso
live wie die Stimmen von Großmutter und Enkel, dies alles kindgerecht
gestaltet, aber mit einem Schuss Lebensweisheit für das überwiegend
erwachsene Publikum.
Uwe Warrach