Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

das 27. Preetzer Papiertheatertreffen ist vorüber. Dieses Jahr konnten wir wieder 4 Rezensenten gewinnen, die uns einen Über- und Einblick der 16 Stücke geben werden.

Sabine Herder berichtet vom 1. Papiertheatertreffen auf Schloss Burgau in Düren.


Viel Vergnügen bei der Lektüre!

(mf)

 

INHALT – Nr. 39 – November 2014

Preetz 2014: Harmonie, Perfektion und 9:6                                                  von Sabine Herder, Olaf Christensen, Jens Schröder und Uwe Warrach
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1. Papiertheatertreffen auf Schloss Burgau in Düren
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Das PapierTheater Nr.39                           SEITE 2                       November 2014

Festival

Preetz 2014:

Harmonie, Perfektion und 9:6


 

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Wiener Papiertheater – Kamilla und Gert Strauss, Österreich
Mondrevue

Die Ankündigung einer Revue – da erwartet der Zuschauer optisch Opulenz, phantastische Bühnenbilder, herrlichste Kostüme, Scharen von Tänzern und Sängern. Und wenn dann diese Revue-Ankündigung vom Wiener Papiertheater kommt, dann ergibt sich in Verbindung mit der Erinnerung um die Aufführungen der Vorjahre und dem Wissen um die einzigartigen technischen Möglichkeiten dieser Bühne eine besondere Erwartungshaltung.
Diese Erwartungshaltung, soviel gleich vorweg, wurde nicht enttäuscht. Frei nach Motiven der Operette „Frau Luna“ erlebten wir den bekannten und berühmten dänischen Papiertheater-Star Peder Most in der Rolle des Fritz Steppke, der mit seinen Berliner Kumpels in einem selbst konstruierten Fluggerät eine Reise zum Mond plant. Wir erleben ihn in seiner von der Witwe Pusebach angemieteten Mansarde, von der aus er dann tatsächlich seine Reise startet: Ziel sind die bekannten „Schlösser, die im Monde liegen“. Der Mondflug, an dem sich in letzter Sekunde auch Steppkes Vermieterin beteiligt, vollzog sich in spektakulärer Weise vor einem hier nicht horizontal sondern vertikal angeordneten Wandelpanorama.
Die „Berliner Luft“ wird mit zunehmender Flughöhe dünner, und nach glücklicher Landung, bei der allerdings das Fluggerät der Raumfahrer Schaden nimmt, staunt Vermieterin Pusebach nicht schlecht: Sie trifft Herrn Theophil wieder, der vor gar nicht langer Zeit eine Reise zur Erde unternommen und dabei Frau Pusebach den Hof gemacht hat. Auf dem Mond ist dieser Theophil allerdings mit der Kammerzofe der dortigen Chefin Frau Luna liiert. Auf dem Mond geht es lustig zu -  die Besucher und die Mondbewohner – unter Ihnen der Frau Luna verehrende und begehrende Prinz Sternschuppe und eben diese Frau Luna höchstselbst, die allerdings nur Augen für Herrn Steppke hat, singen, tanzen und feiern, dass es eine Freude ist, ihnen dabei zuzusehen.
Der eine oder andere mag vielleicht anmerken, dass die Zeit bis zur glücklichen Rückkehr der Mondbesucher mit dem Spährenmobil von Prinz Sternschnuppe um das eine oder andere Couplet hätte verkürzt werden können – ich habe aber dieses intergalaktische Vergnügen im vollen Umfang genossen.

Jens Schröder

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Svalegangens Dukketeater – Per Brink Abrahamsen & Sören Mortensen, Dänemark
Comedy in Florence

Florentinische Kirchen, Paläste und Gassen im Licht des Südens, künstlerisch überzeugend gestaltet von der Bühnenmalerin Königin Margarethe II von Dänemark. Laute und Trommel stimmen auf das 13. Jahrhundert ein. Schweres Gewitter in Meeresnähe sorgt für Dramatik am Beginn, doch fällt der Spannungsbogen danach rasch ab.
Die Erwartungen auf das Spiel sind hoch, angesichts des Programmzettels, der „königlichen Glanz“ von Bühne und Stimme verheißt. Die aparten pastellfarbenen und dabei ausdrucksstarken Figurinen vollenden das schöne Bühnenbild, indessen bewegen sie sich langsam, bis zum Stillstand, verharren lange vor Mauern, in Gassen und in einer düsternen Taverne, zu andauernden Mono- und Dialogen verurteilt - auf Dänisch. Da diese Passagen zumindest gefühlt vier Fünftel der nahezu einstündigen Aufführung ausmachen, der englische Rest sich überdies mit dem dänischen teilweise überlappt, kann man nur ahnen, welcher Plot einem da entging. Schade.

Uwe Warrach

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Haases Papiertheater – Sieglinde und Martin Haase, Remscheid
Eine Stunde mehr

Wer will das nicht: dem voll gestopften Alltag hier und da „eine Stunde mehr“ abringen, um sich den schönen Dingen des Lebens zuwenden zu können? So auch der junge Redakteur Schreiber, der über einen Großeinsatz der Feuerwehr berichten soll und, von schlechtem Gewissen geplagt, der Verabredung mit seiner Freundin Trudi fernbleiben muss. Was er allerdings am Ort des explodierten Labors erlebt, ist eine furiose Science-Fiction-Achterbahnfahrt. Da behauptet doch tatsächlich Professor Oehmigke, der Verursacher des Unglücks, eine Zeitmaschine erfunden zu haben! Schreiber glaubt natürlich kein Wort, lässt sich aber auf eine Verabredung am kommenden Tag ein und muss sich eines Besseren belehren lassen. Tatsächlich steht die Zeit still und Schreiber sieht sich mit der Möglichkeit konfrontiert, unbemerkt den Tresor einer Bank leer zu räumen. Leider vergaß Professor Oehmigke aber, seinen Schützling darauf hinzuweisen, dass seine Erfindung nicht ganz ausgereift ist. Nach einigem Hin und Her landen sie schließlich glücklich wieder in der Gegenwart, wo Schreiber zu dem Schluss kommt, dass eine so unglaubwürdige Geschichte seinen Lesern allenfalls in Form eines Papiertheaterstücks zu vermitteln sei. Am Ende ist alles gut und Schreiber und Trudi spazieren in den Sonnenuntergang. Nach und nach leuchten die Sterne auf und zuletzt eine Straßenlaterne.
Wer auf einen „Fernsehabend“ hoffte wie im vergangenen Jahr, sah sich zunächst enttäuscht. Haases präsentierten ihr neuestes Werk umrahmt vom altbekannten Urania-Proszenium aus der m&n Reprise. Doch kaum hatte sich der Vorhang gehoben, zeigte er sich wieder: der Haase-Zauber. Und während man noch das schöne Interieur bestaunt und schmunzelnd im Chefredakteur Martin Haase selbst erkennt, fragt man sich angesichts des eifrig tippenden Reporters Schreiber: Wie hat er denn das schon wieder gemacht? Haases spielen auch in diesem Jahr fröhlich auf der Klaviatur unserer kollektiven Medienerinnerung und bedienen das alte Cineastenspiel „wer erkennt die meisten Zitate?“. Sie sollten demnächst einen Preis für die richtige Lösung ausloben. Schön, auch hier ein längst vergessenes Schätzchen des sechziger Jahre Fernsehens wieder zu entdecken! In diesem Fall gepaart mit einer weiteren Haase-Spezialität: dem Spiel mit optischen Tricks. Auch wenn sich inzwischen ein Haase-Stil mit wieder erkennbaren Merkmalen herausgebildet hat: Diese technische Raffinesse, die überraschenden Perspektivenwechsel, der filmische Blick. Das muss ihnen erst einmal jemand nachmachen!

Sabine Herder


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Muthesius Kunsthochschule – Prof.Dr. Ludwig Fromm, Martin Witzel und Studenten, Kiel
Fischgericht – eine tiefgründige Erzählung

Bei der traditionellen Eröffnungsveranstaltung in der Mehrzweckhalle konnte ich bereits einen Blick in die nicht durch einen Vorhang versperrte Bühne werfen, die wieder von den Studierenden der Muthesius Kunsthochschule Kiel unter Leitung von Prof. Dr. Ludwig Fromm gestaltet wurde, und ich erblickte eine viel versprechende Drehbühne. Bei der späteren Aufführung war ich dann etwas enttäuscht darüber, dass diese Drehbühne lediglich für eine einzige 180�-Drehung eines darauf platzierten Bühnenelementes genutzt wurde.

Auch sonst spielte sich das Geschehen – anders als in den Vorjahren – in einem einzigen Bühnenbild ab. Dieses Bühnenbild wurde anfangs noch teilweise von einer Projektionsfläche verdeckt, auf der man im Film einen Fischer bei seiner namensgebenden Tätigkeit beobachten konnte. Galt es doch, den Hunger seiner Frau auf Makrelen zu stillen. Diese Vor-Handlung bestätigte meine Vermutung, dass es sich bei dem Titel „Fischgericht“ wohl um etwas essbares handeln würde, dann aber wurde der Fischer in die Tiefen des Meeres hinab gerissen und musste sich vor einem Gericht aus Fischen für seine Ermordung von deren Artgenossen verantworten; auf diese Deutung des Titel wäre ich nie gekommen! 
Dieser Fischgerichtshof unter Wasser war – wie schon erwähnt – der einzige Ort des Geschehens. In dieser Aufführung vermittelte sich der Inhalt weniger visuell als tatsächlich durch gesprochenen Text; die auf dem tiefen Meeresgrund stattfindende Gerichtsverhandlung war tatsächlich – im wahrsten Sinne des Wortes – eine tiefgründige Erzählung. Tauchten in den Inszenierungen der Vorjahre Texte nur als in die Bühne hineingehaltene Texttafeln, Sprechblasen oder in Form einzelner projizierter Sätze oder Wörter auf, so wurde dieses Mal die Geschichte explizit erzählt.
Auch wenn es bei einer so konkret verbal präsentierten Handlung weniger Spielraum für eigene  Assoziationen gab als bei den Aufführungen der Vorjahre – mir hat es sehr gut gefallen und ich bin, wie immer, gespannt auf das nächste Jahr!

Jens Schröder


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Papieroper am Sachsenwald – Uwe Warrach, Reinbek
Moin Moin, Herr Hofrat

Schon der Titel und die Anrede machen deutlich: hier stimmt etwas nicht!
Dieses Gefühl beschleicht auch den Papiertheaterspieler Dr. Kuno Eulenfater und seine Tochter, als sie unterwegs zum Internationalen Papiertheatertreffen in Preetz  vom Weg abkommen.
Unversehens befinden sie sich im „Weißen Schwan“ im thüringischen Weimar und treffen dort auf zwei Herren, die Goethe und Schiller aufs Haar ähneln.
Was dann folgt ist eine bisweilen in Mundart vorgetragene Diskussion zwischen den drei Hauptdarstellern, in der sich „altes“ Deutsch der Goethe/Schiller-Zeit mit Anglizismen von heute mischt.
Das Gespräch dreht sich u. a. auch um die Geschichte des Papiertheaters, die man sozusagen nebenbei erzählt bekommt.
Das Ganze findet in besagter Gaststube statt, in der es ein gemütliches Kaminfeuer durch eine Flackerglühlampe als Sondereffekt gibt.
Und wo wir gerade bei Sondereffekten sind:
Das Stück lebt von der Nachvollziehbarkeit der Diskussion, und Uwe Warrach von der „Papieroper am Sachsenwald“ versteht es, die Hörspielgrundlage gekonnt mit den Bewegungen der Figuren zu synchronisieren.
Da während des Stücks von den drei Herren dem Wein reichlich zugesprochen wird, nimmt es nicht wunder, dass die Figuren beweglich gestaltet sind und die Weinzufuhr höchst lebendig und nachvollziehbar gestaltet wurde.
Doch auch die Tochter des Spielers spielt durchaus eine Rolle:
Die mischt während des Männergesprächs derweil den Ballsaal nebenan mittels Gettho-Blaster und Rockmusik auf.
Und während der Zuschauer akustisch an der Rockmusik teilhat, wird ihm das Geschehen im Inneren des Saales mittels Schattenspiel nahe gebracht.
So kommen letztlich Auge und Ohr auf ihre Kosten, auch wenn das Stück für sich auch als Hörspiel durchgehen könnte.
Insgesamt 30 Minuten Papiertheater, bei dem vor allem Freunde des geschliffenen Textes und fein gedrechselten Wortwitzes auf ihre Kosten kommen.

Olaf Christensen


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Théâtre Mont d’Hiver – Birthe und Sascha Thiel, Saarbrücken
Frösche küsst man nicht

.. sondern man isst sie - entweder, weil man sie beim Betreten der „Alten Schneiderei“ von Birthe und Sascha Thiel in Fruchtgummi-Form überreicht bekommt oder aber, weil man verarmt in einem Schloss lebt und die Schenkel der im Schlossteich lebenden Frösche die einzige noch finanzierbare Nahrungsquelle darstellen.
So ging es der ehemals hochherrschaftlichen Familie in dieser originellen Froschkönig-Version. Wir befinden und in einem sehr verarmten Königreich, in dem es der herrschenden Familie nicht besser geht als seinen Untergebenen – der König und seine beiden Töchter sind auch arm. Zur Schlossbesatzung gehört noch die Haushälterin, die im sich im Laufe der Jahre erstaunliche Fähigkeiten im Froschfang angeeignet hat.
Das Dilemma der Schlossbewohner, deren Papiertheaterfiguren übrigens wieder alle Gesichtszüge der Reimers’schen Familie trugen, könnte sich lösen lassen, wenn Tochter Rosa den ungeliebten Prinz des reichen Nachbarn heiraten würde; dieser ist aber weder kunstinteressiert, noch teilt er die Vorliebe der Prinzessin für „Wer wird Millionär“ – dies ist die wichtigste Voraussetzung für die Eignung als Ehegatte. In einem der Frösche findet Rosa alternativ den geeigneten Lebenspartner- nur ein Kuss, und schon wird aus ihm ein netter Quiz-Show-liebender Prinz…
Doch so einfach ist das nicht. In dieser mit sehr passend zur Handlung ausgewählten Musikstücken ergänzten Geschichte gab es noch diverse Komplikation auf dem Weg zum Happy-End.
Eine besondere Freude ist es, den beiden Spielern bei ihrer Tätigkeit zusehen zu dürfen. Die Art und Weise, wie sie miteinander spielen und über ihr Theater hinweg miteinander kommunizieren, ist sehenswert. Hier wird spürbar, dass die beiden jederzeit bereit wären, Ihrem Partner beim Schauen der bereits erwähnten Quiz-Sendung Gesellschaft zu leisten… Es bleibt zu hoffen, dass die Beiden nicht auf die Idee kommen, ihre Bühnen um einen frontalen Vorhang, hinter dem die Spieler verschwinden, zu erweitern, es würde viel verloren gehen.
Über ein Wiedersehen mit den beiden Saarländern in der „Alten Schneiderei, die sich übrigens fast schon auf Grund der besonders Papiertheater-geeigneten Wohnzimmeratmosphäre zu meiner Lieblingsspielstätte in Preetz entwickelt hat, würde ich mich sehr freuen.

Jens Schröder


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Don Giovanni, Käthchen & Co. – Peter Schauerte-Lüke, Marie-Sophie Caspar, Köln
Schubert Lieder: Die Bürgschaft – Der Erlkönig – Der Fischer

Ich wollte damit den langen Sonnabend ausklingen lassen und wurde sehr belohnt. Peter Schauerte-Lüke zeigt uns, dass Balladen des 18. Jahrhunderts nie alt werden müssen, wenn man sie richtig vorträgt, will sagen: sie ernst nimmt in ihrer Tiefe und der seinerzeitigen Botschaft, erhöht durch Schuberts Melodien.
Drei Klassiker, die vielleicht den einen oder anderen zu Schulzeiten quälten oder, namentlich bei Schillern, zu Verbalhornisierungen Zuflucht suchen ließen, kommen uns hier als dramatische Erzählungen. Erstaunlich, wie das geht. Peter Schauerte-Lüke und seine Partnerin Ulrike Jöris-Pitschmann singen live zu den adäquat gestalteten Bühnenbildern; besonders reizvoll fand ich den Wechselgesang, der einem selten geboten wird. Originell auch der Umzug  von der relativ großen Bühne zu einer normalformatigen, auf der „Der Fischer“ stattfand.
Der Abend war erfüllt und die mitgebrachte innere Unruhe vom Tage gestillt.

Uwe Warrach


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Hellriegels Junior – Gerlinde Holland, Willem Klemmer, Kiel
Die Glocke von grünem Erz

Nun wissen wir, wo die russischen Schlittenglöckchen herkommen. Von einer großen Glocke nämlich, die ein Bauer beim Pflügen fand und die seinem Dorf Freude und Glück brachte, zunächst wenigstens. Der sich verbreitende Ruhm dieser Glocke und der Glaube, sie sei ein Geschenk Gottes, riefen indessen die Neider auf den Plan. Der schlimmste und leider auch mächtigste von ihnen war der Zar: Die Glocke mit ihren magischen Kräften musste sein werden. Doch ließ sie sich wunderbarerweise nicht abtransportieren. So befahl der Herrscher, sie zu zerschlagen. Nun waren alle traurig, und der Bauer beschloss, die Scherben wenigstens dem Acker zurückzugeben, wo er die vermeintlich himmlische Glocke gefunden hatte. Doch ein zweites Wunder verwandelte die Bruchstücke in lauter kleine Glocken, und die  - siehe oben.
Kulissen und Figuren hat der jüngste Preetzer Spieler diesmal allein gestaltet, in Pastellfarben mit Buntstiften. Die Geräusche kommen von Töpfen und anderen alltäglichen, umfunktionierten Gerätschaften, ebenso live wie die Stimmen von Großmutter und Enkel, dies alles kindgerecht gestaltet, aber mit einem Schuss Lebensweisheit für das überwiegend erwachsene Publikum.

Uwe Warrach


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Die Spieler

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Die Eröffnung

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Das PapierTheater Nr.39                           SEITE 3                      November 2014

Papiertheatertreffen

1. Papiertheatertreffen auf Schloss Burgau in Düren

von Sabine Herder

             


                  Burgau

                        schloss burgau

 

Und wieder ein neues Papiertheaterfestival! Diesmal in Düren, der für Papierherstellung und –kunst bekannten Stadt zwischen Aachen und Köln. Am 8. und 9. November lud Pit Goertz, ein ortsansässiger Papierkünstler, zum 1. Papiertheatertreffen in das idyllisch gelegene Schloss Burgau.

Die Papierkunst wird in Düren seit langem systematisch gepflegt und gefördert und so wundert es kaum, dass hier Pappmaché- und Scherenschnittkünstler die örtliche Kunstszene bereichern. In diesem Kreis begann man vor einiger Zeit, aus Papierinstallationen kleine Performances zu entwickeln. Die Künstler suchten Gleichgesinnte, stießen im benachbarten Köln auf das „Kölner Kästchentreffen“ und entsandten schließlich einen Scout nach Preetz. Mit den Erkenntnissen aus dieser Recherche wagten sie den Schritt zur Festivalgründung.

Eingeladen waren das „Kölner Kästchentreffen“ mit seinem Programm „Vom Reisen und Träumen“ (siehe Webzeitung Nr. 33/November 2013, Printausgabe Nr. 15/Dezember 2013), „Haases Papiertheater“ mit „Vom Zauber des Rheins“ (siehe Webzeitung Nr. 29/November 2012, Printausgabe Nr. 13/ Dezember 2012), „Das Papiertheater“ aus Nürnberg mit „Verflixt und zugenäht“ und Sarah Schiffer mit „The Death and The Lady“ und „The Two Magicians“. Das Programm spiegelt die nicht ausdrücklich benannte Ausrichtung des Festivals. Hier ist das historische Papiertheater eher die Ausnahme als die Regel und das künstlerische, offene Spiel gefragt.

Die Textilkünstlerin Susanne Winter und der Bildhauer Johannes Volkmann bilden „Das Papiertheater“ und präsentierten mit „Verflixt und zugenäht“ ein Stück für Menschen ab 4 Jahren. Die Bühne, eine übermannshohe weiße Papierwand, wurde nach und nach mit Schere, Nadel und verschiedenfarbigen Fäden bearbeitet. Objekttheater, Clownerie, Pantomime, Schatten und Projektionen formten ein magisches Theaterereignis, das selbst die kleinsten unter den Zuschauern vierzig Minuten lang in seinen Bann zu schlagen wusste. Auf Festivals international gezeigt, kommt das Stück eigentlich ohne Worte aus. In der deutschen Fassung wurde die Aufführung mit viel Witz durch Wortspiele und Redensarten rund um das Thema Nähen begleitet und bot damit auch dem erwachsenen Publikum ein Extravergnügen. Herzlicher Applaus aus dem ausverkauften Ratssaal belohnte die Spieler und ihre aus dem Publikum rekrutierte kleine „Assistentin“. Die angekündigte 18-Uhr-Vorstellung musste mangels Publikum leider ausfallen. Der Termin war für eine Kindervorstellung wohl zu spät.

The Death and the Lady“ und „The Two Magicians“ sind das erste Papiertheaterstück der Scherenschnittkünstlerin Sarah Schiffer. Die schaurig-schönen englischen Volksballaden aus der Sammlung Francis J. Childs fanden im Gewölbekeller des Schlosses einen adäquaten Aufführungsort. Eingestimmt durch ein „Frühlingslied“, ließ Sarah Schiffer zunächst auf einer offenen Bühne eine Dame dem leibhaftigen Tod begegnen. Unheimliche, bewegliche Figuren illustrierten diesen Totentanz, in dem die Dame zur Einsicht gelangte, dass alles Gold und schöne Kleider sie nicht vor dem Unausweichlichen bewahren konnten. In der zweiten Ballade begehrt ein Zauberer eine Zauberin und will sie unterwerfen. Sie flüchtet in Verwandlungen, doch der Zauberer folgt ihr jeweils in der Rolle des Jägers. Als Bühne diente eine Metallplatte, die durch verschiedene Metallzylinder und –kugeln gegliedert war. Schreiber-, Scholz- und Jacobsen-Figuren, nach Bekenntnis der Künstlerin in Preetz aus der Grabbelkiste erworben, repräsentierten Zauber und Zauberin und wurden bei den Verwandlungen mit bizarren, witzigen Papiercollagen überformt. Am Ende stand die ganze Bühne voller Figurenpaare, die finale Szene, in der die Gejagte zur Jägerin wurde, unmittelbar an der Rampe. Ein schönes Bild! Sarah Schiffer gab mit viel Charme, Witz und Herzblut die Bänkelsängerin. Begleitet wurde sie auf der Gitarre von Peter Bernhards, der bei der zweiten Ballade auch den männlichen Gesangspart übernahm.

Schade nur, dass es durch die ungünstige Spielplangestaltung nicht möglich war, alle Stücke zu sehen! Das „Kölner Kästchentreffen“ trat am Samstagabend auf. Die übrigen Vorstellungen am Sonntag liefen parallel, so dass ein gegenseitiger Besuch durch die Spieler nicht möglich war. Die fast zweistündige Pause zwischen den Vorstellungen hätte sinnvoller genutzt werden können. Ein „Treffen“, wie der Titel der Veranstaltung suggeriert, war dieses Festival daher leider nicht. Bei den Dürener Bürgern, die zahlreich zu einzelnen Vorstellungen erschienen, kam das Angebot jedoch gut an.

Aber es war ja nur das erste von hoffentlich zahlreichen weiteren Papiertheatertreffen in Düren! Ein großartiger Rahmen, viel Enthusiasmus bei den Organisatoren, gut besuchte Vorstellungen, ein städtisches Kulturamt und die örtliche Stadtsparkasse, die das Projekt finanziell unterstützen – die Voraussetzungen, dass sich dieses Festival in der Zukunft etablieren kann, sind gegeben. Wir hoffen auf ein Wiedersehen!


        

                     burgau

                      Sarah Schiffer: The Two Magicians - hummel

                    burgau
                    Sarah Schiffer: The Two Magicians - fliege und spinne

                    burgau
                     Sarah Schiffer: The Two Magicians - Maiskorn und Vogel

                    burgau
                      Torbogen Schloss Burgau







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