Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

es sollte eine kurze, zwischengeschaltete Ausgabe mit einem Weihnachtsgruß werden und entwickelte sich zu einer Ausgabe mit 4 redaktionellen Beiträgen. Viel Lesestoff also für die Adventszeit, für die wir hoffen, dass es etwas beschaulicher zugeht und so die Zeit bleibt das vergangenen Jahr im Rückschau zu betrachten und sich auf ein ebenso ereignisreiches Jahr 2013 zu freuen.

Viel Vergnügen bei der Lektüre!

(mf)

 

INHALT – Nr. 30 – Dezember 2012

Weihnachtsabend vor 100 Jahren - natürlich mit dem Papiertheater
von Otto Ernst
Seite 2

 

Das Große im Kleinen
von Joachim RüeckSeite 3

Es war einmal ...
von Klaus Beelte
Seite 4

Ein Lob auf das Publikum
von Martin Haase
Seite 5

Vorschau Seite 6

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Das PapierTheater Nr.30                           SEITE 2                       Dezember 2012

Weihnachtsgruß

Weihnachtsabend vor 100 Jahren – natürlich mit dem Papiertheater!


 


                        Weihnachten

"Da, Mutter, hast'n - Griff!" - Weihnachtliches Papiertheater ausnahmsweise mal nicht im Bürgertum; der Autobiograph Otto Ernst wuchs in einem sehr beengten Haushalt auf.

 


Die Figuren hatten Klötze an den Füßen und Drähte am Kopf; aber für Asmus gingen und saßen, tanzten und schwebten sie wie lebendige Menschen und Götter. Nur selten hatte der gute Johannes Zeit, eine Aufführung zu veranstalten; wenn er es aber tat, so tat er’s mit Feuer und großem Pathos. Ein schönes Stück waren die „Hugenotten“; denn darin wurde geschossen; noch schöner war „Kätchen von Heilbronn“; denn darin brannte ein Schloß mit bengalischen Flammen nieder; die Krone aller Stücke aber war der „Freischütz“; denn darin gab es zwei Schüsse, einen Teufel und in der Wolfsschlucht ein Feuerrad. Ja, einmal in einer Galavorstellung unter Anwesenheit hoher Herrschaften wurde der „Freischütz“ sogar mit feurigen Rädern gegeben. Als die feingekleideten, schönen Mädchen im Semperschen Hause erschienen, war es Asmus, als ob ein süßer, feierlicher Klang durch seinen Körper rinne. Die Ältere hatte ein gar feines Gesicht und trug eine große Haarlast von einem wahrhaft heiligen Hellblond; die Jüngere hatte ein rundes Gesicht voll lieblicher Sanftmut. Sie sprachen unendlich vornehm und sagten, wie man in Hamburg zu sagen pflegt, „fuichtbar“ statt „furchtbar“ und „Rchräder“ statt „Räder“. Und sie trugen Handschuhe. Er hatte einmal gehört, dass einige Menschen in den Himmel kämen, andere in die Hölle. Jetzt begriff er das. Solche Mädchen kommen in den Himmel, dachte er. Und er sah an sich herunter und dachte: Mit solchen Hosen und solchen Stiefeln kommst du nie hinein.

Zwischen den Festspielen pflegte er täglich seine Theaterpuppen und Requisiten hervorzunehmen und mit stiller Freude zu betrachten. Jeder Pappfigur sah er minutenlang fest ins Gesicht, um zu sehen, was sie wohl in diesem Augenblick denke. Er stellte sie vor sich auf und betrachtete ihre Gewänder, Hüte und Waffen. Dann nahm er die Dekorationen her und wandelte mit seinen Gedanken tief, tief hinein in die dunkelschattigen Wälder und in die sonnigen Gärten; er ging staunend immer weiter und weiter durch die prangende Säulenhalle der Ritter und schlich schaudernd entlang an den Wänden des Kerkers mit seinem angefesselten Gerippe. Er saß am Grunde der Wolfsschlucht und starrte dort hinauf, wo „Milch des Mondes“ über gespenstische Trümmer rieselte, und seine Gefühle überschlugen sich vor unausdenkbarem Grauen, dass er die Augen schließen musste. Und langsam, aber stark und stärker erwuchs in ihm dass Verlangen: Lesen können! Ach ja, lesen können – dann konnte er selbst all die schönen Stücke spielen! Und er bestürmte seinen Vater:

Vater, lehr mich lesen, man zu, Vater, lehr mich lesen!“




 

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Das PapierTheater Nr.30                           SEITE 3                      Dezember 2012

Papiertheater-Shop

 

Das Große im Kleinen

von Joachim Rüeck

 


                  Laden von Au�en




 

Unter „Aktuell“ hatten wir Anfang Oktober 2012 Papiertheater und Papiertheater-Laden MULTUM IN PARVO vorgestellt. Inzwischen ist das Geschäft eröffnet und wie nachstehend eingehend beschrieben worden.

Mering. Das üppige Bühnenbild zur Wolfsschlucht aus „Der Freischütz“ des Darmstädter Hoftheatermalers Carl Beyer, der beeindruckende Wald von „Rotkäppchen“, der ebenfalls einst im Mainzer Verlag Joseph Scholz erschienen ist: Der Ausstellungsraum von Benno Mitschka und Christine Schenk zieht die Blicke der Passanten magisch an, weil sich dort ein prachtvolles Papiertheater ans andere reiht. Das Ehepaar hat im November in Mering nahe Augsburg „Multum in Parvo“ („Viel in wenig“ oder auch „Großes im Kleinen“) eröffnet – das einzige Papiertheater- Ladengeschäft Deutschlands. „Es geht darum, diese schöne Tradition wieder aufleben zu lassen“, sagt Benno Mitschka. Hochqualitative Reproduktionen liebevoll ausgestatteter Bühnenbilder schmücken den Raum – von Märchen wie „Rotkäppchen“ über Opern wie „Die Zauberflöte“ oder Dramen wie „Wallenstein“ bis hin zu unbekannteren Stoffen wie „Der reuige Pirat“, in dem der Betrachter in die Kulisse eines Schiffsdecks entführt wird. „Wir wollen die Lust an der Kultur wecken“, erklärt der Germanist, Theaterwissenschaftler und Filmemacher Mitschka. „Oper war im 19. Jahrhundert das, was Kino heute ist.“ Zusammen mit anderen Papiertheatern wollen die Betreiber die im 19. Jahrhundert äußerst populäre Kunstform wieder als feste Größe etablieren – in der Region, aus der die Augsburger Gebrüder Engelbrecht stammten, die als maßgebliche Wegbereiter des Papiertheaters gelten.

Im Hinblick auf die fast vergessene Welt der Miniaturbühnen betonte der Meringer Bürgermeister Hans-Dieter Kandler bei der Ladeneröffnung: „Wir haben in Mering die Chance, diese Bildungslücke zu schließen.“ Seine Hoffnung, das „Kulturgut zu bewahren“, verbindet auch der Vorsitzende des Papiertheatervereins, Terry Andrews“, nun mit „Multum in Parvo“. Für ihre 2008 geborenen Zwillinge bauten Benno Mitschka und Christine Schenk ihre ersten klassischen Minitheater und studierten Stücke ein.

Daraus entwickelte sich eine Leidenschaft, die in die Gründung eines Familienunternehmens mündete. Und das liefert alles aus einer Hand. Konzept, Adaption, Produktion in der hauseigenen Manufaktur und Vertrieb – alles wird unter einem Dach erarbeitet, besprochen und umgesetzt. Inzwischen gibt es unter www.papiertheater-shop.com die komplette Kollektion der einstigen Carl-Beyer-Bühnenbilder für Scholz und darüber hinaus sogar eines der größten Online-Angebote an Papiertheater-Reproduktionen. Das Sortiment umfasst außer etwa 600 Kulissen- und über 150 Figurenbögen auch Postkarten, Bilder und andere Geschenkartikel. Im „Multum in Parvo“-Laden in Mering werden künftig nicht nur kunstvolle Papierbögen verkauft, sondern auch der Spaß an Kultur und Begeisterung fürs Bauen, Inszenieren und Spielen weitergegeben. Workshops und Aufführungen sollen den Ausstellungsraum zusätzlich mit Leben erfüllen. „Die Miniaturtheater sind perfekt dazu geeignet, Kindern spielerisch Bildung zu vermitteln und in ihnen ein Gespür für Sinnlichkeit und Schönheit zu wecken“, sagt Christine Schenk. Dreidimensionale Minitheater mit Botschaft: „Perspektiven in die Welt hineintragen“, wie es Pfarrer Prof. Dr. Thomas Schwarz bei der Ladensegnung ausdrückte. Das Große im Kleinen eben.


 

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Laden

Laden im Inneren und von aussen


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Das PapierTheater Nr.30                           SEITE 4                       Dezember 2012

Serie „Wie ich zum Papiertheater kam“ - Folge 6

Es war einmal...

von Klaus Beelte   

                 

                   Beelte

 


1986 stand ich durch meine anstehende Meisterprüfung sehr unter Druck. Zwischen der theoretischen und der praktischen Prüfung lagen drei Wochen und ohne mein Wissen hatte mich meine Frau - damit ich auf andere Gedanken komme - bei der örtlichen Volkshochschule zu einem über drei Abende laufenden Kurs '"Wir bauen ein Papiertheater" angemeldet. Dozent war jener Herr, dessen Aufführung wir einige Jahre vorher gesehen hatten.
Im Kurs wurde nicht nur gebastelt, sondern sehr viel Theorie über die Geschichte des Papiertheaters und über frühere und heutige Bezugsquellen, Spielmöglichkeiten und -grenzen vermittelt. Der alte Reiz war wieder da, jetzt aber nicht mehr als "Du wolltest doch mal...", jetzt als "Du wirst!"

Kurzum, im Spätjahr 1986 entstand in Heimarbeit unsere eigene Bühne und am 8.Dez.1986 gaben wir mit einer Kurzfassung (35 Min) von "Hänsel und Gretel" nach Humperdinck und flatternden Gefühlen im Bauch unser Bühnendebüt. Und da diese Welturaufführung im Rahmen einer Weihnachtsfeier stattfand, an der auch etliche mehr oder weniger stark Hörgeschädigte teilnahmen und diese auch den Inhalt verstehen sollten, wurde das Libretto - je drei Zeilenweise - mit Overhaed-Projektor oberhalb des Proszeniums sichtbar gemacht. Wir gehen davon aus, daß dies die wohl weltweit erste Papiertheater-Produktion mit Obertitel war.
Dem Bayerischen Fernsehen war dieses Novum immerhin einen vierzehnminütigen Filmbericht in der Sendereihe "Sehen statt Hören" wert.

Den aktiv mitspielenden Sohn führte der Zivildienst nach Süddeutschland, so daß vorerst keine großen Stücke mehr folgten. In dieser Zeit konnten wir aber dennoch mit "Dornröschen" nach Grimm und dem Andersen-Märchen "Der Tölpelhans" etliche Kinder erfreuen.

Mit selbst gezeichneten Figurinen und in teils selbst gefertigten Kulissen wurde 1996 Mozarts "Zauberflöte" ins Repertoire genommen und seit 1998 spielen wir unter Verwendung einer historischen Tonaufzeichnung, die im Jahre 1928 als "Kurzoper für die Heimbühne" heraus gebracht wurde, Webers "Freischütz“. Seit Herbst 2002 runden "Max & Moritz" in einer schmissigen Musicalversion, die nicht nur Kinder begeistert, das Programm ab. Hierzu wurden alle Figuren und Kulissen selbst gefertigt.

Bei diesen Spielen ist praktisch die ganze Familie beteiligt: die Figuren werden durch Vater Klaus und Sohn M. geführt, die Ehefrau und Mutter E. und die Gattin des Juniors, S., assistieren vor und hinter der Bühne, der dreijährige Enkel Bennet wird demnächst die Einlasskontrolle und Platzanweisungen durchführen. Die Musik und Textwiedergabe der Stücke erfolgen vom Tonträger.

Gespielt wurde bisher zumeist in eigenen Räumen, jedoch gab es auch Gastspiele im Kieler Umland sowie in Lübeck, im Knochenhaueramtshaus zu Hildesheim und im Schloß zu Wolfenbüttel. Während der jährlich stattfindenden „Internationalen Papiertheatertreffen" in Preetz, dem weltweit größten Festival seiner Art, fanden die Musikstücke bereits in etlichen Aufführungen ihre Anerkennung durch sachkundiges, internationales Publikum.








 

                         Beelte


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Das PapierTheater Nr.30                           SEITE 5                       Dezember 2012

Betrachtung zum Papiertheater

Ein Lob auf das Publikum

von Martin Haase   


                  
 


Aber dann gab es auch ein Publikum, das nur so sprühte von witzigen Kommentaren, und meine Frau und ich konnten uns hinter der Bühne kaum noch halten vor Lachen. Als bei „Bonanza“ die Kutsche in der Wüste anhielt, um die (nicht sichtbaren) Reisenden aussteigen zu lassen, vermuteten die Zuschauer selbst an diesem unwirtlichen Ort eine rote Verkehrsampel! Und als beim „Zauber des Rheins“ der Touristenbus auf die Bühne fuhr und dabei die Nebelmaschine unbeabsichtigt weißen Rauch ausstieß, lästerten die Zuschauer über den qualmenden Diesel und empfahlen eine baldige Kontrolle in der KFZ-Werkstatt.

Erstaunlich, wie genau die Zuschauer beobachten oder sich von ihrer Phantasie verleiten lassen, Dinge zu sehen, die gar nicht da sind. So wurden wir schon mehrfach nach der Aufführung gefragt, wie es denn funktioniere, dass die Figuren beim Sprechen ihren Mund bewegen. Und wie es denn komme, dass der ganze Zeppelin schwanke, wo wir doch nur einen Pappstreifen hin- und herbewegen, auf dem ein paar Berge zu sehen sind.

Viele besondere Menschen sind bei uns zu Gast im Papiertheater: Kinder, die vor lauter Ungeduld die Umbaupause nicht aushalten und von außen den Vorhang hoch schieben, um zu sehen, ob es nicht bald weitergeht; alte Menschen, die sich plötzlich - mit Tränen in den Augen - in ihre Kindheit zurückversetzt fühlen; geistig Behinderte, die offenbar einen ganz besonderen Zugang zu diesem Medium haben und ihrer Begeisterung spontan Ausdruck verleihen.

Das Papiertheater lässt kaum einen Menschen unberührt, und wir sind immer wieder erstaunt, welche Reaktionen es im Publikum hervorruft. Nach unseren Aufführungen steht für eine kurze Zeit noch unser Stück im Mittelpunkt, aber dann erzählen die Menschen von sich und sprechen sogar über sehr persönliche Dinge – so, als habe das Papiertheater „das Eis gebrochen“ und Nähe hergestellt. Und am Ende sind wir es, die beschenkt und bereichert sind durch unser Publikum.


 



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Das PapierTheater Nr.30                           SEITE 6                       Dezember 2012

Vorschau

Webzeitung 31: Ausblick


 

In der Februar-Ausgabe werden wir einen Beitrag von Christian Reuter über einen Schulworkshop zum Papiertheater bringen. Die Serie "Wie ich zum Papiertheater kam" wird fortgesetzt und es werden sicherlich noch einige weitere Beiträge eingegangen sein.

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