Zeitungskopf

Editorial

Liebe Leserinnen und Leser,

noch bis 9. März wird im Stadtmuseum Fellbach eine Ausstellung über Papiertheater mit Exponaten unserer Vereinsmitgliedes Volker Schulin gezeigt. Uwe Warrach berichtet darüber und wir hoffen, dass viele Interessente die Ausstellung auch live besichtigen.

Über die Probleme der Wahl der richtigen Theaterfiguren berichtet mit einem Augenzwinkern Uwe Warrach und Martin Haase teilt mit uns seine Gedanken über die Frage, was ist noch Papiertheater und was ist ... eben auch noch Papiertheater


Viel Vergnügen bei der Lektüre!

(mf)

 

INHALT – Nr. 34 – Januar 2014

Alte Pracht in frischem Glanz - ein Besuch in Fellbach 
von Uwe Warrach
Seite 2

CASTING! - CASTING?
von  Uwe WarrachSeite 3

„Ist das noch Papiertheater?“
von Martin Haase
Seite 4


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Das PapierTheater Nr.34                           SEITE 2                       Januar 2014

Ausstellung

Alte Pracht in frischem Glanz – ein Besuch in Fellbach

von Uwe Warrach

 

                              

        Fellbach

 


Zur Herstellungstechnik sagt Volker Schulin:
„Ein Drittel der Theater ist mit Originalbogen gebaut, ein weiteres Drittel mit Kopien nach eigenen Originalen. Der Rest wurde gebaut mit Kopien von Museen und mit Nachdrucken z.B. von Oldfux. Bei den Figuren und Dekorationen sind ca. 3/4 mit Originalbogen erstellt. In der flachen Tischvitrine bei den Inszenierungen ohne Proszenien sind nur Originale. Der Rest in den Theatern wieder mit Kopien, davon das Allermeiste nach eigenen Originalen. Die Kopien habe ich in einem Kopiergeschäft als A3 Kopien erstellt und dann zusammengesetzt. Von zwei alten Schreiber Proszenien konnte ich mir vom Landesmuseum die Bogen ausleihen und habe in einer Kopierfirma Drucke in Originalgröße machen lassen (nicht billig !).“

Der Aussteller bietet Kulissen- und Figurenbögen zum Verkauf an und hatte gehofft, bei Großeltern, Eltern, Kindern die Lust zum gemeinsamen Werkeln auszulösen. Indessen fragen die Besucher fertige Bühnen zum Mitnehmen nach, und die gibt es nun nicht.

Weitere Figurinen und Kulissen sind frei aufgestellt, ohne den „Mantel“ des Bühnenhauses, richtige Tischtheater also; sie könnten diejenigen zum Spielen anregen, die die Bastelarbeit scheuen. Aber vielleicht kommt die Zielgruppe der Heimwerker noch, denn die Eröffnung und unser Besuch fiel in die Adventszeit, also einerseits in die Papiertheater-Saison, andererseits in die turbulenten Vorweihnachtswochen.
In seiner bescheidenen Art hat Volker Schulin nicht viel Aufhebens um seine Ausstellung gemacht, umso stärker wirken ihre Fülle, ihre Qualität und ihre Farbenpracht auf den Besucher. Lob verdienen nicht nur die Exponate selbst, sondern auch ihre Präsentation einschließlich der informativen und augenfreundlichen Beschriftung.

Was bleibt noch zu sagen übrig? Eigentlich nur: „Hin  nach Fellbach!“


Fellbach

 

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Kleine führung für kleine leute

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Zwei welten auf einen blick

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ausstellungsmacher vor dem fellbacher museum

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Das PapierTheater Nr.34                           SEITE 3                      Januar 2014

Papiertheaterspieler berichten

CASTING! – CASTING?

von Uwe Warrach

 


                    

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FIGURINEN IM WERDEN: DER ALTE MOOR, AMALIA (DIE RÄUBER-OPER) 




 

Casting? Im Papiertheater?

Ja, was soll das denn? Die Figurinen sind doch alle da, zu Hunderten oder mehr warten sie auf den einschlägigen Bögen, man muss sie nur abrufen und eintüten.

Na, viel Erfolg! Das wäre so, als würde ein heutiger Intendant Agathe, King Richard, Mephisto, Maria Stuart und den Geizigen in Klamotten und Kulissen stellen, wie Weber, Shakespeare, Goethe, Schiller, Molière es sich gedacht hatten, ganz eng am Original. Möchte das jemand sehen ? Natürlich, auch, nicht alles ist gut, nur weil es modern ist, und ich schöpfe selbst gern aus dem Fundus des Germanischen Museums Nürnberg. Aber eben: auch. Doch die Hauptsache ist ganz etwas anderes.

Am Anfang stehen nicht fertige Figuren und Kulissen, am Anfang stehen Ideenfetzen, erste Bilder, die im Kopf auftauchen, erst vage, dann angereichert von wirklichen Szenerien, die einem über den Weg laufen und plötzlich gedanklich angehalten werden, wo man sonst weiter getrottet wäre. Ganz allmählich schält sich die Gestaltung aus Worten, Figuren, Erinnerungsbildern, manchmal auch Musik heraus. Das wechselt ständig: im Kopf, in den ersten Skizzen, bei den Proben. Was eben noch genial erschien, erscheint im nächsten Moment schal, selten umgekehrt. Mut zum Wegwerfen braucht man.

Am meisten Mühe machen mir bei alledem die Figurinen. Sie müssen passen, ich muss sie mögen. Und sie müssen die ironische Distanz zum Stück wahren, die ich beim Papiertheater für unerlässlich halte. Dramen und Opern eins zu eins auf die Papiertheaterbühne zu bringen, riskiert die Gratwanderung zwischen Erhabenem und Lächerlichem. Das zu bedenken, macht die Auswahl der Figuren so schwierig, wenn sie „stimmen“ sollen.

Zum Beispiel der Räuberhauptmann in meiner „Banditenoperette“: ein Schurke, der nicht viel Federlesens macht, um einen Verräter umzulegen (nur ist leider mal wieder die Munition alle), der aber Raeuberauch ein fürsorglicher Vater seiner Fiorella ist. Ein einfach gestrickter Typ, im Grunde ein Trottel, aber blitzgescheit, wenn es um einen vorteilhaften Stellungswechsel geht. Lange habe ich gesucht, bis ich den passenden hatte – aus einem alten Figurenbogen, selbst ergänzend angetuscht. Fiorella wiederum stammt von einem Lesezeichen, das ich seit Jahrzehnten hüte. Oder mein anderer Räuberhauptmann (ja, ich habe es mit Räubern), Karl Moor: den fand ich nach langem Suchen in einer echten Theaterinszenierung aus den 60er Jahren, ebenso seinen Bruder Franz, für den Martin Benrath herhalten musste: er hatte das Fiese, Verschlagene, das man erst auf den zweiten Blick wahrnimmt. Aber die übrige Bande? Unvermutet stellte sie sich in Sven-Erik Olsens Angebot in Preetz vor, natürlich aus ganz anderen Stücken, wahrscheinlich dänischen, die ich gar nicht kenne. Als Wirt in der Schänke wiederum musste Long John Silver aus der „Schatzinsel“ herhalten.

„Die Sache mit dem Stern“, mein „etwas eigensinniges Krippenspiel“, war als Idee schon über 40 Jahre alt, als mir die „richtigen“ Gestalten über den Weg liefen: Biblische Figuren aus der Theatersammlung des Victoria-und-Albert-Museums in London. Lukas wiederum, in meinem Stück ein etwas zwielichtiger Journalist, war nicht darunter, ihn entnahm ich einem Bibelgeschichtenbuch aus dem 19. Jahrhundert, ebenso die wertvollen Mitbringsel der drei Weisen.

Eine echte Herausforderung war mein „Ring“: ironisch sollte er sein und doch voller Respekt vor Wagners Musik. Woher all diese schiefen Helden nehmen? Sie sollten ihrer Rolle entsprechen ohne unfreiwillig komisch zu wirken. Als Siegfried musste dennoch eine Comic-Figur herhalten, aber das war eben ironische Distanz; seine Kolleginnen und Kollegen sammelte ich aus einem Graphik-Art-Programm.
Für den Sarastro in meiner "Zauberflöte" griff ich mir Miraculix aus den "Asterix"- Heften.

Ein ander Mal wirkten lauter (fotografierte) Gestalten aus einem Duty-free-Katalog für Parfum und Schmuck mit, auf die ich nie gekommen wäre ohne eine Flugreise. So hat oft alles gar nichts miteinander zu tun, ehe es im Kopf reift, sich verbindet, verwandelt oder den halbfertigen Werken dazwischen kommt.
Bekanntlich arbeitet das Gehirn oft unabhängig von unserem Wollen, nicht nur bei der Aufrechterhaltung des ganzen Körperbetriebes, sondern auch wenn wir an nichts Bestimmtes denken. Da kann man lange an einem witzigen Reim, einem schönen Gag pfriemeln, und dann rufen sie einen auch noch zum Abendbrot. Doch unverhofft: ein Anblick, eine Melodie, ein Gedankenfetzen, eine Stimme, und eine ganze Welt setzt sich in Gang. Auch wenn es nur die kleine Welt unserer Tischtheater ist.

Eingangs sprach ich von der Hauptsache des Papiertheaterspielens. Hauptsache ist, Plot, Figurinen und Kulissen entfalten sich in einem schöpferischen Prozess und wir gewinnen das Publikum für das Ergebnis. Um dann doch mal mit dem alten Goethe zu sprechen: „Das Publikum weiß meist gut zu urteilen,  so lange die Kritiker es nicht irremachen.“ Dass es seit 26 Jahren in wachsender Zahl nach Preetz kommt oder anderswohin, lässt den Schluss zu, dass Figurinen- Casting und all die anderen Mühen sich lohnen und die Spieler/innen nicht ganz falsch liegen.



 


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MELCHIOR, LUKAS (DIE SACHE MIT DEM STERN) 


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Das PapierTheater Nr.34                           SEITE 4                       Januar 2014

Papiertheater

„Ist das noch Papiertheater?“

von Martin Haase   



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Was aber soll ich tun, wenn ich ein Thema wähle, das in der jüngsten Gegenwart spielt? Dann brauche ich anderes und neues Material, was mir auch der reichhaltige Fundus der alten Bögen nicht liefern kann. Dann muss ich selbst zu Pinsel und Stift greifen, dann muss ich Illustrierte und Bücher ausschlachten, Fotos verwenden und vieles mehr. Wo es geht, verwende ich natürlich die alten Vorlagen (ganz einfach, weil ich nicht so ein großartiger Zeichner bin wie die alten Künstler).
 
Es geht doch darum, das Papiertheater lebendig zu erhalten und eine Bildsprache zu benutzen, die auch heutigen Menschen verständlich ist. Es geht darum, Themen zu finden, die auch jüngere Menschen ansprechen. Schon Walter Röhler – sicherlich ein Experte auf dem Gebiet des klassischen Papiertheaters - schrieb 1963 in seinem Buch „Grosse Liebe zu kleinen Theatern“: „Um aber dem Kleintheater seine einstige Verbreitung und Beliebtheit wiederzugewinnen, bedarf es einer sich weiterentwickelnden, zeitgemäßen Aktualität, sowohl in der Bühnentechnik wie in Repertoire und Ausstattung“ (S. 62).

Wie das geschehen kann - dafür gibt es keine fertigen Rezepte. Das muss man ausprobieren. Man muss sehen, welche Wege zum Ziel führen und welche vielleicht nicht. Dazu ist aber Freiheit notwendig. Und ich sage: eine Freiheit, wie sie Preetz gibt.

Nicht alles, was dort gezeigt wird, gefällt mir. Aber jede Aufführung bietet zumindest die Gelegenheit, den eigenen Standort zu bestimmen. Und – was für mich besonders wichtig ist: die experimentellen Bühnen bieten vieles, was auch der klassischen Bühne zugute kommen kann. Ich denke dabei z.B. an die Bühnenpräsenz der Figuren, die auf der experimentellen Bühne wesentlich größer ist. Oder an den Einsatz von Licht und Farbe, von dem die klassische Bühne noch einiges lernen kann. Und auch in der Frage, wie der Zuschauer besser mit in die Vorstellung einbezogen werden kann und wie er überhaupt eine bessere Sicht auf das Geschehen hat, sind die experimentellen Bühnen sicherlich einen Schritt voraus.

Ich bin froh, dass es diese Unterschiede gibt. Ich fände es langweilig, wenn nun jeder auf der Leiter spielen würde, aber auch, wenn jeder nur noch den „Freischütz“ spielen würde. Ich will beides! Ich will das ganze Spektrum sehen, denn alles zusammen gehört zu dieser wunderbaren Papiertheaterwelt.

Natürlich hat jeder seine eigenen Vorlieben – das ist völlig legitim und steht außer Frage. Daraus aber einen Absolutheitsanspruch ableiten zu wollen, halte ich für falsch. Die Frage „Ist das noch Papiertheater?“ kann ich persönlich getrost mit „ja“ beantworten.


 

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