Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
der Sommer bringt uns wieder eine volle Webzeitung, die zum Schmökern einlädt.
Ein besonderer Nachruf von Robert Poulter gedenkt Norbert Neumann.
Ein Bericht vom Vischmarkt Papiertheaterfestival im niederländischen
Hardenwijk gibt Einblicke in dieses ganz besondere Veranstaltung.
Klaus Loose betrachtet das historische Papiertheater und blickt auch auf die Theatergeschichte im Grossen.
Zu unserem Bericht im letzten Heft zum Theaterschiff in Hamburg berichtet nun auch Heike Schaufuß aus Sicht der Spielerin.
Robert Jährig hat Jules Vernes "in 80 Tagen um die Welt" inszeniert
und dabei einges zu Tage gefördert (ein weiter Bilderbogen erwartet Sie
in unserer gedruckten Ausgabe).
Vom Paiertheaterdialog in Schmiedebach berichten gleich zwei
Autoren. Sieglinde Haase und Sabine Herder zeigen uns, dass sich ein
Besuch im thüringschen Schmiedebach für alle Papiertheaterfreunde
ziemlich lohnt.
Uwe Warrach berichtet in zwei kleinen Artikeln von seinen Belisa-und-Max Romanen.
(mf)
INHALT – Nr. 41 – Juni 2015
Norbert Neumann, Friend & Mentor
von Robert Poulter
Seite 2
Die Vielfalt von Harderwijk
von Brigitte Lehnberg
Seite 3
Das Besondere am historischen Papiertheater
von Klaus Loose Seite 4
Papiertheateraufführungen auf dem Theaterschiff
am Jungfernstieg in der Adventszeit 2014
von Heike Schaufuss Seite
5
Was hinter Jules Vernes „In 80 Tagen um die
Welt“ steckt und über die Version für das Papiertheater
von Robert Jährig Seite 6
Unser erster Schultag ...
von Sieglinde Haase Seite 7
Zwei Lehrer, eine Sammlung und eine Schule mit Geschichte
Papiertheaterdialog in Schiedebach
von Sabine Herder Seite 8
Zehn Jahre Belisa-und-Max-Papiertheaterromane!
von Uwe Warach Seite 9
Belisa und Max Teil 6
von Uwe Warrach Seite 10
alle Ausgaben
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Erinnerung
Norbert Neumann, Friend & Mentor
von Robert Poulter
Norbert und Robert
Norbert Neumann hielt Robert Poulter für einen der größten lebenden
Papiertheaterspieler, wenn nicht für den größten. Robert wiederum weiß,
was er Norbert verdankt. Er gedenkt seiner in einem sehr persönlichen
Nachruf, der auch den endgültigen Abschied von Norbert einschließt.
Dazu ein Foto ihres gemeinsamen Auftritts in Preetz 2006: Kuttel
Daddeldu.
The wonderful thing about
Norbert Neumann was, that although a great collector of traditional
forms of paper theatre, he loved new developments in the medium;
something l personally am thankful to him for, as he promoted my work
in Germany over many years, introducing me to many galleries and
museums.
Norbert was very much like George
Speaight, the great English writer, collector & performer of
tradtional toy theatre, in that both had a profound love and knowledge
of the old forms, but both realised the need for new developments in
the medium to keep it alive and vibrant. It is thanks to Norbert's
skill & persistance in getting things done, that we were able to
create the 1st reconstruction of de Loutherbourg's large miniature
18th. century theatre: The Eidophusikon, for the exhibition:
Wolkenbilder at the Janisch Haus in Hamburg. Ten years on it is still
giving regular performances in the Altonaer Museum. Four more have been
made since then, including those in the USA & Monaco, and the
latest one for the Exhibition: Uber Unterwelten at Zeche Zollern ll,
Dortmund: all thanks to Norbert's initial work. Therefore I was so
pleased that Norbert managed to come all the way down from Hamburg to
Dortmund to see the opening performances of it in March 2014, and write
about it too, which was probably his last piece for the Papier Theater
Forum magazine.
I have so far said nothing about
what a wonderful photographer Norbert was, 8 how for many years he made
a photographic record for the Preetzerpapiertheatertreffen, of not only
my shows, but all the other performers too. An invaluable record in the
history of paper theatre.
Although rarely a performer
himself, Norbert did translate into German & publish my childrens
show: Buccaneer Brogas & the last of the dinosaurs-and did actually
do one show with me.lt was quite late in my friendship with Norbert,
that I discovered his fondness for the poems of Joachim Ringelnatz-
especially the ones about the wild drunken sailor, Kuttel-Daddeldu.
Virtually untranslatable into English, when we came up with the idea of
making a New Model Theatre show around Kuttel-Daddeldu & Prinz
Wittgenstein together, it meant I had to try & improve my poor
understanding of German, as we were to do the show live! I don't know
if it improved my German, but to hear Norbert recite the verse, was a
joy in itself; performed with great gusto, adding live sound effects
with hilarious results.
Thanks to Norbert & Gaby- who
seemed the perfect couple together, I have looked forward over the
years to my stays with them in Hamburg- it almost becoming my second
home. One final happy memory I recall, was when after Gaby had died,
and Norbert was not in the best of health either; he announced just
after l had landed in Hamburg, that we must hurry down to the Binnen
Alster, where they had an open air cinema on the lake, for he wanted me
to see the Hamburg film: Grosser Freiheit Nummer Seben, which featured
Hans Albers singing La Paloma, as he knew I would enjoy it.
And every time 5.30pm comes around,
Norbert’s words come to my ears: "Time for a whisky, Robert" and l
aways raise a glass to him, imaginary or not !
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Papiertheaterfestival
Die Vielfalt von Harderwijk
von Brigitte Lehnberg
Tinecke und Harry Oudekerk
Vom 13. bis 15. Mai in diesem Jahr fand wieder das
Vischmarkt Papiertheaterfestival in Hardervijk statt. Brigitte Lehnberg
war da – und begeistert.
Wir, Susanne Schuchardt und ich,
freuen uns auf unsere liebenswerten Gastgeber. Der erste Weg, nachdem
wir unser Gepäck im Hotel abgegeben haben, führt uns in die alte
Synagoge. Treffpunkt für alle Papiertheaterspieler. Da sitzen sind sie
auch schon und warten. Harry und Tinecke Oudekerk. Die alte Synagoge
steht für drei Tage im Zeichen des Papiertheaters. Herzlich und
fröhlich wird jeder begrüßt, ein Stimmengewirr vieler Sprachen belebt
den Raum. Wir sind da und angekommen.
Diesmal sind wir als Spieler dabei,
trotzdem bleibt Raum, um andere Bühnen zu besuchen. Die Auswahl ist
groß und vielschichtig. Der erste Abend bleibt Haases Papiertheater
vorbehalten, mit „Zeppelin“. Vom ersten Moment an werde ich in
die Bühne hineingezogen. Schlüssig wird gezeigt, wie sich ein Bankraub
in Berlin mit dem Flug des Zeppelin zu dramatischen Ereignissen an Bord
verknüpft. zwei scheinbar verschiedene Ereignisse später miteinander zu
dramatischen Ereignissen verknüpfen. Tolle Lichteffekte unterstreichen
die Bühnenbilder, die in ihrer Perspektive eine unendliche Tiefe
simulieren. Als der Zeppelin in einen Sturm gerät bange ich förmlich
mit, vor allem, als in einer Schräglage alle Passagiere ihren Halt
verlieren.
Papiertheater Heringsdorf ist unser
nächstes Ziel. „Der Barbier von Sevilla“ wird gegeben. Robert Jährigs
schöne und aufwändig gebaute Bühne steht etwas quer zur Sitzgruppe
seiner Gastgeber. Diese lässt sich aus Platzgründen nicht anders
aufstellen. Leider erwische ich den Platz ganz außen auf der Seite und
schaue durch die Seitenkulissen ständig in die angrenzende Küche. Das
stört den Gesamteindruck erheblich. Die Idee, eine Oper mit alten
Grammophonaufnahmen zu spielen, ist ein interessanter Ansatz. Meine
Ohren sind jedoch diese Tonqualität nicht mehr gewöhnt und somit bleibt
für mich die schöne italienische Sprache im Hintergrund und Rossinis
Musik kann sich nicht entfalten. Am nächsten Abend führt Robert Jährig
seine Oper vor einer holländischen Gruppe auf, die in Kostümen die
viktorianische Zeit nachstellen. Wir hatten das Vergnügen, den Einzug
in das Theater zu beobachten und wie wir erfuhren, war es ein voller
Erfolg.
„Die Nixe im Teich“ wird als
Schattentheater von Elvira Wrensch gespielt. Ein Kellerraum mit Gewölbe
und steiler Treppe ist diesmal der Theaterort. Vom Gastgeber des Hauses
werden wir im Frack begrüßt. Das Märchen ist traurig und geht erst ganz
zum Schluss doch noch gut aus, wie es von einem Märchen auch erwartet
wird. Dazwischen zeigt und erzählt Elvira Wrensch die Geschichte der
Gebrüder Grimm in liebevollen Bildern mit leisen Harfenklängen
untermalt. Entspannung pur.
Papiertheaterspieler-Nachwuchs
Ted Hawkins zeigt „Hänsel und
Gretel“. Zunächst war ich unschlüssig, ob ich mir dieses alt bekannte
Märchen überhaupt ansehen soll. Doch dann gewinnt die Neugier und wird
nicht enttäuscht. Auch diesmal hat Ted Hawkins eine besondere Bühne
dabei. Wir schauen durch einen alten Bilderrahmen auf das Geschehen.
Ted hat seine kleine Bühne als Pop up Stück vorbereitet. Leider sitze
ich auch hier wieder viel zu weit seitlich und stehe immer wieder mal
kurz auf, um einen Gesamteindruck zu erwischen. Gute Idee: Ted spricht
vom Band und lässt seinen Text nochmals in niederländisch sprechen.
„Der Mikado“, gut getarnt als der
„Henker von Titipu“, steht auf dem Programm. Dick Zijlstra zieht uns
gleich den Zahn der Erwartung auf ein gruseliges Stück. Obwohl
ausschließlich in niederländisch gesprochen verstehe ich doch vieles,
weil die ruhige Figurinenführung den Erzählstrang selbsterklärend
unterstreicht. Die Bühnenbilder sind wunderschön und werden ohne große
Umbaupausen verschoben. Die Musik von Gilbert und Sullivan wird hier
eher sparsam eingesetzt, was einige Zuschauer bedauern. Mir gefällt es
gut, bin ich doch mehr der Theater als der Opern- und Operettenfreund
auf der kleinen Bühne.
„Zar und Zimmermann“, die bekannte
Verwechslungskomödie von Albert Lortzing, wird von Florentine, Sabine
und Armin Ruf flott gespielt. Herrlich der Holzschuhtanz, der zu
Zwischenapplaus führt. Die gute Tonqualität der verwendeten Aufnahme
lässt mich den Text verstehen, die Musik Lortzings verleitet zum
mitsummen. Die Musikeinlagen sind gekonnt eingesetzt. Als dann ein
kleiner, von Sabine Ruf selbstgezeichneter Männerchor mit Frauenstimmen
singt, überdenke ich meine „Opernfeindlichkeit“ neu.
Hier endet mein Programm. Leider, denn
ich habe mit Sicherheit viel verpasst. Doch zwischendurch genieße ich
auch mal die Sonne und das wunderschöne Ambiente der alten Stadt. Am
letzten Abend dann die große Freude: Auch 2017 wird es wieder ein
Festival in Harderwijk geben. Sponsoren wurden gefunden. Das Team der
alten Synagoge verabschiedet uns mit den Worten, dass unser Tisch in
zwei Jahren für uns wieder gedeckt sein wird.
Es waren Tage, voll von menschlichen
Begegnungen, intensiven und fröhlichen Gesprächen, Theater, Theater ...
Papiertheater.
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Historisches Papiertheater
Das Besondere am
historischen Papiertheater
von Klaus Loose
Wenn man, wie bei den Theatertagen 2014 in Wolgast,
besonderen Wert auf die F a m i
l i e n - Beschäftigung mit dem h i s t o r
i s c h e n Papiertheater legt, lohnt sich ein Blick auf die
Vergangenheit der dramatischen Kunst. Im Abendland haben Theater
und Religion eine gemeinsame Wurzel, die in der Antike liegt. Etwa die
Wahrung der Würde gehört dazu.
Religiöse Feiern waren bereits
tausende von Jahren vor Christi Geburt stets mit dem Merkmal einer
Würde umgeben, nicht nur in äußeren Formen, sondern in ihrer Ganzheit;
gottesdienstliche besondere Kleidung, feierliche Musik, Prozessionen,
Formen der Architektur. Überall galt der Grundsatz "Symmetrie ist die
Harmonie des Göttlichen". Wer Phantasie hat, sieht das alles auf der
Berliner "Museumsinsel" beim Anblick einer vollkommen aufgebauten
antiken Prozessionsstraße vor seinem inneren Auge. Da liegen auch die
Wurzeln des europäischen T h e a t e rs . Das Theater hielt sich
an diese Urformen länger als die Kirche, die im 18. Jahrhundert mit der
Aufklärung, der Geburtsstunde des noch heute herrschenden
Rationalismus, manches aufgab. Dem entspricht das Aufblühen des
"Regietheaters" (im Ausland mitunter "'german trash" (etwa: „deutscher
Dreck, deutscher Mist“) genannt. Der Regisseur braucht für sein nun
endlich aufklärerisches Wirken oft ein dickes Programmheft mit
Erläuterungen, leider verbunden mit enormem Zuschauerschwund,
weil es nur Intellektuelle nachvollziehen können und das Publikum
gleich lieber zu einer "Comedy" geht.
Eine berühmte Theaterweisheit sei hier
angefügt: P a r o d i e n von Opern haben nur dann Sinn, wenn sie in
einer Kultur stattfinden, die das parodierte Werk kennt und liebt. Das
gibt es in Deutschland überhaupt nicht mehr, und es ist deshalb am Ziel
vorbeigeschossen, wenn man – um konkret zu werden - auf einer
Papiertheaterveranstaltung, die das historische Familien-Papiertheater
pflegen will (Anmerkung der Red.: Gemeint ist eine Aufführung bei den
Wolgaster Papiertheatertagen 2014), eine Holländervorstellung (Richard
Wagner) damit aufpeppt, dass man nach einem Schiffsuntergang ein Duett
einfügt: "Das kann doch einen Seemann nicht erschüttern" und am Schluss
statt einer Erlösung des Helden diesen zum Gondoliere und Senta zum
Fahrgast werden lässt – vielleicht angeregt durch eine Einstudierung,
in der Senta erschossen wurde. Den neunjährigen Nachbarskindern, denen
ein Papiertheaterspieler so etwas vorsetzt, sind unter fast 100 %iger
Garantie weder der Komponist noch seine Oper auch nur dem Namen nach
bekannt. Fazit: Wer h i s t o r i s c h e s Papiertheater
pflegen und erhalten will, lasse die Hände von solchen Scherzen.
Wie kam es überhaupt zu dem von uns
gepflegten Papiertheater?
E i n e n Zahn muss man sich erst mal
ziehen lassen: von einem K i n d e r t h e a t er war bis weit
ins 19. Jahrhundert hinein überhaupt keine Rede! Entwickelt hat es sich
aus den "'Dioramen", besonders gepflegt im 18. Jahrhundert in Augsburg:
Kästchen mit etwa postkartengroßen Abbildungen in mehreren Staffelungen
wie Kulissen, hinten abgeschlossen durch einern Prospekt
(=Hintergrund), bevölkert mit eingezeichneten Figuren und -gruppen -
etwa als Krippe in mehreren Staffelungen der Figuren. Ebenso gab
es viele Themen als Genre-Bilder. Bald kam die Idee, das in
Einzelteile aufzuteilen zu einer beliebig zu nutzenden kleinen Bühne,
besonders, als die Lithographie (Steindruck) aufkam, die viel billiger
war als der Kupferstich. In Frankfurt/Main sieht man im Goethehaus noch
das Theater aus Goethes Kindheit, damals sicher noch mit kleinen
Figuren (Marionetten) bespielt. Man sagt, Deutschland habe infolge der
Beliebtheit dieser kleinen Theater die größte Dichte an großen Theatern
weit und breit.
Bei der
Beschäftigung mit dem h i s t o r i s c h e n Papiertheater darf
man nie außer acht lassen, dass es in Hinsicht auf das Publikum n i c h
t vorwiegend um Kinder, mit entsprechenden K i n d e r-Stücken, ging.
Nein, die Kinder bekamen dasselbe zu sehen wie die Erwachsenen. Noch
bis weit ins 19. Jahrhundert hinein war unter dem Begriff K i n d
e r t h e a t e r eine reisende Darstellergruppe zu verstehen , die nur
aus Kindern bestand. Und die spielten nicht etwa "Der Bär Mumpelfritz"
oder dergleichen, sondern das Repertoire der großen Bühnen, das wir
heute klassisch nennen. Erst um 1850 fingen die Verlage an, zunächst
kindlich vereinfachte Texte der "Großen" und bald auch gleichzeitig
reine Kinderstücke (etwa Märchen) zu verlegen, nebst Figuren und
Dekorationen. Und wie lief das mit dem großen Theater? Das begann in
den zahlreichen Residenzen mit Hoftheatern und ihren Gebäuden. In den
sonstigen Städten behalf man sich, indem man öffentliche Säle wie z.B.
im Rathaus (wo es schon lange Säle für den Wochenmarkt u.ä. gab),
benutzte und dort reisenden Gesellschaften fallweise Genehmigungen
erteilte, genau wie reisenden Gauklern, Seiltänzern und dergleichen
Artisten. Doch das Interesse wuchs und wuchs allmählich, und so kamen
die ersten städtischen reinen Theaterbauten auf, die aber- zunächst
fallweise wie vorher, dann mit Fundus an Dekorationen und Kostümen,
saisonweise an Prinzipale mit einer Gesellschaft verpachtet wurden - in
meiner Geburtsstadt bis ins 20. Jahrhundert hinein (Guben). In Cottbus
entstand ein Theaterbau erst später als in Guben; man spielte dort in
einem zum Theatersaal ausgebauten Saal im Rathaus bis ca. 1905 (Bau
eines Stadttheaters ).
Übrig, aber a u c h
interessiert blieben die Kleinstädte und das flache Land, wo es nur
Gasthöfe gab. Die füllten sich mit dramatischem Leben durch M a r
i o n e t t e n t h e a t e r mit großen, etwa 60 cm hohen
Figuren und entsprechend anspruchsvoller Ausstattung und Beleuchtung
und nahmen so die Rolle der früheren wandernden Menschen-Gesellschaften
ein. Man spielte in einer Ortschaft so wie vorher die "Großen" einige
Wochen und zog dann weiter, wie etwa 150 Jahre lang das Genzelsche
Marionettentheater, das von Oldenburg aus den ostfriesischen Raum
bereiste. Seine Dekorationen wurden z.B. vom Entwurf bis zur
handwerklichen Ausführung vom Oldenburgischen Großherzoglichen
Hoftheater hergestellt. Diese aufwendigen Bühnen wurden mit dem
Aufkommen des Kinos immer seltener und starben praktisch aus.
Die Zukunft sieht für die stehenden
Staats- und Städtischen Bühnen nicht viel rosiger aus. Inzwischen gibt
es für diese in vielen Fällen Reihen von fünf, sechs Tagen, in denen
das jeweils "Große Haus" gar nicht spielt, oder es werden Gastspiele
mit Bühnen aus der "Freien Szene" veranstaltet, die vor dünn gesätem
Publikum "Noch nie Dagewesenes" einschieben. Oder es finden nur
gelegentliche Gastspiele von "richtigen" Ensembles statt - sonst steht
es leer.
Das alles sollte dem Papiertheaterspieler bekannt sein, wenn er h
i s t o r i s c h e s Papiertheater pflegen will. Abschließend
sei bemerkt, dass es seit dem Aufkommen des Miniaturtheaters zunächst
gar keinen Unterschied zwischen Marionetten- und Papiertheater gab. Man
konnte Kleinmarionetten genau so und in den üblichen historischen
Kostümen, die zu den Stücken passten, wie Figurenbogen kaufen und
benutzte auch beides auf ein- und derselben Bühne mit den gleichen
Dekorationen. Als Kind habe ich die Papierfiguren verachtet, bis "der
Groschen fiel". Danach gab es auch große Stücke wie "Macbeth" und das
etwa dreistündige "Käthchen" mit Papierfiguren – wie die Opern stets
ungekürzt immer mit vollem Haus und begeistertem Publikum, und das 44
Jahre lang. Da sage mir noch einer, dass die Leute heute für "Würde"
und Schönheit nicht mehr ansprechbar sind. Das ist ein Irrtum!
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Papiertheaterspieler
Papiertheateraufführungen auf dem Theaterschiff am Jungfernstieg in
der Adventszeit 2014
von Heike Schaufuss
In unserer Ausgabe 40 berichteten wir von der
Papiertheateraufführung auf dem Theaterschiff in Hamburg (siehe hier).
Und hier kommt die Spielerin nun selbst zu Wort:
Inszeniert
wurde das Märchen von Hans-Christian Andersen „ Das Feuerzeug“ und an
fünf Dienstagen mit je sieben Vorstellungen am Tag aufgeführt. Es ist
keine Vorstellung ausgefallen.
Die Tage waren in vier Vormittags- und
drei Nachmittagsvorstellungen aufgeteilt. Vormittags kamen die
Kindergartengruppen bzw. Grundschulen und nachmittags die Eltern bzw.
Großeltern mit ihren Kindern oder Enkeln.
Nach den Vorstellungen wurde das
Publikum von mir eingeladen, hinter die Kulissen zu sehen.
Besonders beliebte Figuren waren die Prinzessin, die Hunde, die Hexe
mit der Schlange und der Soldat mit dem Gold und der Goldberg aus der
Höhle. Außerdem waren einige Kulissen immer wieder beliebte
Vorzeigemodelle.
Mir war es ein Anliegen, Bilder
entstehen zu lassen, das Märchen in seiner dichterischen
Sprachschönheit zu erhalten, also dem Wort zu dienen, Spannung
aufzubauen schon im Theaterraum selbst sowie Theateratmosphäre zu
schaffen.
Das Konzept ist zu meiner Überraschung
und natürlich Freude aufgegangen, entgegen einiger Warnungen, dass
Kinder sich heute nicht mehr konzentrieren können.
Immer wieder war ich über die
Beobachtungsgabe überrascht. Beispielsweise konnten die meisten Kinder
genau die im Text genannten Attribute der jeweiligen Hundeaugen
benennen. „… kann ich bitte den Hund sehen, der Augen wie
Teetassen hat und den, der Augen hat wie Mühlräder und den, der Augen
hat wie große Türme…?“
Mein Fazit: Kindern muss man
Alternativen zum immer schneller werdenden Konsum anbieten.
Sie haben Bedarf an Bildern, die Raum schaffen für ihre eigene
Phantasie, Kreativität und Poesie.
Besonders deutlich wurde das durch Migrantenkinder, die wenig oder gar
kein Deutsch verstanden.
Sie haben sich nur durch die Bilder
tragen lassen und waren besonders dankbar und erfüllt.
Einige Erzieher sind mehrmals gekommen mit jeweils anderen
Kindergruppen. Einige betonten, dass sie so etwas Schönes lange nicht
gesehen hätten und dass sie angeregt wurden, selbst ein Papiertheater
zu bauen. Das war auch mein Ziel.
Nachfolgend einige
Gesprächsauszüge mit Kindern, aber auch mit Erwachsenen
Ein betont cooler Junge, der nur mit
Gruppenzwang ins Theater gegangen ist und augenscheinlich keine Lust
hatte, kam begeistert nach der Vorstellung und sagte: „…eh, das war
vielleicht cool eh…“
Nachdem ich Hans-Christan Andersen als
Dichter vorgestellt hatte, rief ein Mädchen: „Mein Papa heißt auch
Christian.“
Meistens sind die Kinder schon
emotional „mitgegangen“, als einige Märchen von Andersen vorgestellt
wurden. Sie warfen immer wieder ein „Ja“ ein nach dem Satz „Vielleicht
erinnert ihr euch an…“
Eine Frau aus einem anderen
Kulturkreis sagte nach der Vorstellung: „Und das ist Kunst“
Ein Mädchen sah nach der Vorstellung hinter das Theater und rief
erstaunt „…das ist ja ganz ohne Computer.“
Teilweise waren die Kinder vor der
Vorstellung so still, dass sie flüsterten. Ein Junge flüsterte z.B.:
„..ich kann die Schauspieler schon sehen.“
In besonderer Erinnerung ist mir ein
etwa dreijähriges Mädchen geblieben. Hier der nachgestellte Dialog.
Mädchen: „Wann geht es denn los.“
Ich: „In etwa fünfzehn Minuten. Weiß Du, wie lange fünfzehn Minuten
sind?“
Mädchen: „Nein“
Ich: „Das sind drei Mal fünf Minuten.“
Immer noch erstauntes und erwartungsvolles Schauen. Nach zwei Minuten:
Mädchen: „Geht es bald los?“
Ich: „Es sind immer noch fast fünfzehn Minuten“
Mädchen: „Kannst Du nicht eher anfangen?“
Ich: “Vielleicht kommen ja noch andere Kinder, die sind dann
enttäuscht, wenn das Märchen schon begonnen hat.“
Pause – nach etwa zwei Minuten
Mädchen: „ geht es nun endlich bald los? Können die Hunde sprechen?“
Ich: „Erst, wenn das Märchen begonnen hat und wenn es zu Ende ist,
können sie nicht mehr sprechen.“
Ab sofort hatten die Hunde ihre volle Aufmerksamkeit.
Während der Vorstellung hatte es Angst vor den „sprechenden Hunden“.
Nach der Vorstellung kamen ihre begeisterten Eltern und ließen sich
alles zeigen. Das Mädchen aber hat nur die Hunde beobachtet und blieb
einige Schritte zurück.
Ich sagte: „Jetzt können die Hunde nicht mehr sprechen.“ Diese Aussage
war dem Mädchen zu wenig. Erst als ich sagte, dass der Soldat die
schöne Prinzessin nur durch die Hunde aus dem Kupferschloss befreien,
heiraten und König werden konnte, kam sie Schritt für Schritt näher.
Ein ernsthafter Dialog während der
Vorstellung zwischen einem Mädchen und einem Jungen nach
„..die Prinzessin war so schön, der Soldat musste sie küssen“
Mädchen: „iiiiii“
Junge ganz selbstverständlich:“Aber das macht doch ein Soldat.“
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Backstage
Was hinter Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ steckt und
über die Version für das Papiertheater
von Robert Jährig
Bei seiner Inszenierung ist Robert Jährig auf die
Hintergründe des weltberühmten Bestsellers gestoßen und hat eine große
Anzahl seltener und faszinierender Bilder gefunden.
Wer von uns hat nicht als Kind die
Bücher von Jules Verne gelesen und sich in die Abenteuer der Helden
hineinversetzt. Später kamen die Filme dazu, wodurch unsere Helden und
ihre Abenteuer dann noch lebendiger wurden. Und selbst für das
Papiertheater sind Einige der Stücke von Jules Verne bekannt. "In 80
Tagen um die Welt“ ist eines der bekanntesten Bücher.
Die Idee für das Buch bekam Verne
durch den Reisebericht des Amerikaners George Francis Train. Seine
Weltreise im Juli 1870 war Vorbild für Jules Vernes Roman: „In 80 Tagen
um die Welt“.
George Francis Train (* 24. März 1829
in Boston, Massachusetts; † 5. Januar 1904) war ein US-amerikanischer
Kaufmann, Schriftsteller, Autor und exzentrischer Reisender.
George Francis Train wurde 1829 als Sohn von Oliver Train geboren. 1832
siedelte sich die Familie in New Orleans an. Train wurde von seiner
Großmutter aufgezogen.
Nach jahrelanger Tätigkeit als Kaufmann in Chicago siedelte er 1853
nach Australien um und gründete das Unternehmen Caldwell, Train, and
Co.. Er war ein sehr reisefreudiger Zeitgenosse und ständig weltweit
unterwegs. 1859 war er der Initiator der Straßenbahn in London, aber
letztlich war die Umsetzung nicht erfolgreich. Er hielt Vorlesungen in
Großbritannien und Irland. 1862 kehrte er in die USA zurück und wurde
ein erfolgreicher Autor. Er schrieb insgesamt 11 Bücher und
machte mehrere Weltreisen.
Die Weltreise von 1870
Reihenfolge der Stationen:
New York
San Francisco (Zug, nachdem er bereits 3 Tage nach Beginn der Weltreise den Mississippi erreichte)
von dort nach Japan (Segelschiff - In Japan verursacht er einen
Skandal, weil er nackt in ein öffentliches Bad springt. Der
Zwischenfall bleibt jedoch für ihn ohne Folgen.)
Hongkong
Saigon
Singapur (dann durch den Suezkanal)
Marseille
Lyon (hier kommt er für 13 Tage ins Gefängnis)
Liverpool (von Lyon mit einem Privatzug bis zum Ärmelkanal; dann Überfahrt nach England)
New York (das Schiff in Liverpool erwischt er nur knapp, so dass er nach genau 80 Tagen zurückkehrt)
Jules Vernes Roman erschien drei Jahre später.
Über „seine“ Namens- und Charakteränderung in Jules Vernes Roman zeigte
Train sich erbost. Seine trotzigen letzten Worte waren daher angeblich:
„Ich bin Phileas Fogg!“
Bis zu seinem Lebensende absolvierte er drei weitere Weltreisen. 1892
schaffte Train es sogar, in 60 Tagen um die Erde zu reisen.
Die gemeinsame, von Adolphe d’Ennery
und Jules Verne geschriebene Bühnenbearbeitung, hatte in Paris, am 7.
11.1874 im Théâtre de la Porte Saint-Martin Premiere. Es war mit 3708
Aufführungen ein sehr erfolgreiches Stück. Für das „Spektakelstück“
steuerten Charles Alexander Raida und Franz von Suppé die Bühnenmusiken
bei. Das Stück wurde unter dem Titel „Die Reise um die Erde in achtzig
Tagen nebst einem Vorspiel Die Wette um eine Million.“
Ausstattungsstück mit Gesang, Tanz, Evolutionen und Aufzügen in 5
Abteilungen und 15 Bildern auch im 1859 eröffnete Victoria-Theater an
der Münzstraße 20 in Berlin-Mitte aufgeführt.
Wer das Buch kennt und zum ersten Mal
den Theatertext in den Händen hält, wird schnell einige Unterschiede
zum Buch feststellen. Aus dem Reformclub ist der Club der Exzentriker
geworden in dem Passepartout als Diener angestellt ist. Auch hat
Fogg noch einen mitreisenden Amerikaner mit dem er sich mehrmals
duelliert. Bis letzterer es endlich aufgibt und sich Fogg anschliesst.
(Vielleicht ist das eine Anspielung auf G.F.Train, weil dieser sich
über die Änderung seines Namens in Phileas Fogg so sehr erbost zeigte.
Er verklagte J. Verne sogar, doch es half ihm nicht). In Kalkutta
treffen Sie die Schwester von Aouda, welche ebenfalls mit auf die Reise
genommen wird. Und selbst Passepartout bleibt nicht von der Liebe zu
einer gewissen Margarethe verschont, die wie er im Club arbeitete und
sich in ihn verliebt hatte. Am Ende des Stücks haben wir dann auch
folgerichtig die gewonnene Wette und 3 Brautpaare.
Aber nicht nur auf der großen Bühne gab es dies Stück sondern auch für das Papiertheater.
So brachte Schreiber auch von diesem Stück eine Fassung für das
Kindertheater heraus. In dieser kam alles vor, was auch auf der großen
Bühne gezeigt wurde. Angefangen vom Club, über Suez, Indien, Borneo
(Schlangengrotte), Amerika, die Überfahrt nach Liverpool und der
Ankunft im neuen Club. Auch bei Alfred Jacobsen erschien die Reise um
die Erde. Anders als bei Schreiber verzichtete man hier auf das
Abenteuer auf Borneo und ging von Indien kommend gleich nach Amerika.
Was ebenfalls auffällt ist beim Vergleich der beiden Texte, dass sich
die Dänen mehr am originalen Text orientierten als dies bei Schreiber
der Fall war.
Auch wenn sich eine direkte
Nachahmung, der Bühnenbilder bei Schreiber und Alfred Jacobsen nicht
nachweisen lässt, so sind doch viele Parallelen zu den großen
Bühnenbildern zu erkennen. Der Kai am Suezkanal, der indische Tempel,
die Schlangengrotte, der Indianerüberfall und der Schiffbruch der
„Henrietta“ vor Liverpool spiegeln dies wieder. Aber seht selbst...
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Schmiedebach I
Unser erster Schultag ...
von Sieglinde Haase
das papiertheater- und marionettenmuseum in schmiedebach
Dass sich in Schmiedebach etwas tut, haben
Papiertheaterfreunde schon seit einer Weile erfahren, zumindest davon
gehört, und einige waren auch schon dort. Nun berichtet erstmalig ein
Vereinsmitglied darüber: Haases Papiertheater aus Remscheid war dort.
Aber wo? Man muss schon eine Weile suchen, denn dieses Schmiedebach ist
nur Teil eines Ortes, dessen Name Lehesten auch nicht jedem geläufig
ist. Dabei liegt es nur um die 30 km von Wirkungsstätten Goethes
entfernt, von Ilmenau und Stützerbach nämlich und auch nicht gar so
fern von der berühmten Theaterstadt Meinungen, in der wir 2006 unser
Symposium hatten (siehe WebZeitung Nr. 1 / Januar 2007 und Printausgabe
Nr. 1/März 2007).
Unser erster Schultag …
… liegt zwar schon lange zurück, aber in dieser Schule waren wir wirklich das erste Mal.
Penny und Ludwig Peil hatten vor ein paar Jahren im thüringischen
Schmiedebach eine Schule von 1880 gekauft, um ihren Traum vom eigenen
Museum wahr werden zu lassen. Sie richteten in den Räumlichkeiten ihr
privates Papiertheater- und Marionetten-Museum ein. Es gibt auch eine
Spielzeugsammlung und ein altes Klassenzimmer, das besichtigt werden
kann. Man ahnt, wieviel Arbeit nötig war, um aus dem alten Gemäuer
wieder ein Schmuckstück zu machen. In regelmäßigen Abständen finden
heute Workshops, Begegnungen und Papiertheateraufführungen dort statt.
Vom 27.-29. März 2015 fuhren wir das
erste Mal mit W.C. Röntgen und Miss Marple im Gepäck nach Schmiedebach,
um uns mit Spielern und Sammlern aus der Papiertheaterszene zu treffen.
Es war interessant, neue Menschen kennen zu lernen und mit ihnen über
unser gemeinsames Hobby zu fachsimpeln. Manchmal diskutierten wir, bis
uns die Köpfe rauchten.
Penny und Ludwig führten uns durch das
gesamte Gebäude vom Keller bis zum Dachboden. Es war fast wie eine
Zeitreise. Man wusste gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte – so
vieles war dort zu sehen. Besonders die liebevoll eingerichtete
Sammlung mit hunderten von Marionetten und Theatern begeisterte uns.
Am Freitagabend zeigten wir unser
Stück über Röntgen, der an diesem Tag 170 Jahre alt geworden wäre und
in Lennep, einem Stadtteil von Remscheid, geboren wurde. Am Samstag
lernten wir einen 73jährigen Lithographen aus dem Nachbarort kennen,
einen der letzten seiner Zunft. Er hatte von einem alten Stein des
Schreiber-Verlags noch mehrere Abzüge mit „Rübezahl“-Figuren gedruckt
(die im Museum erworben werden können).
Der Sonntag war für die meisten schon
der Abreisetag. Wir spielten noch am Nachmittag vor vollem Haus unsere
„Miss Marple“. Viele Menschen waren dazu eigens aus den umliegenden
Dörfern zusammengekommen. Sie waren begeistert.
Es war für uns ein sehr schönes
Wochenende, und wir danken Penny und Ludwig für ihr Engagement und ihre
liebevolle Bewirtung. Wunderbar, dass sie eine so vielseitige
Begegnungsstätte in diesem entlegenen Winkel Deutschlands geschaffen
haben und für das Papiertheater neue Freunde gewonnen haben.
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Schmiedebach II
Zwei Lehrer, eine Sammlung und eine Schule mit Geschichte
Papiertheaterdialog in Schmiedebach
von Sabine Herder
Vom 27. bis 29. März dieses Jahres luden Penny und
Ludwig Peil bereits zum fünften Mal zum Papiertheaterdialog in ihr
„Papier- und Marionettentheatermuseum Alte Schule“. Dem Lehrerehepaar
aus Mainz ist zu danken, dass sie nicht nur diesen wunderbaren Ort
eingerichtet haben, sondern ihn seit 2012 auch in regelmäßigen
Abständen für Begegnungen mit Gleichgesinnten öffnen. Die zwei- bis
dreitägigen Veranstaltungen bieten die Möglichkeit, neue
Bekanntschaften zu machen und gemeinsam Ideen zu vertiefen. Auch
diesmal war das geplante Programm war üppig und die Teilnehmerzahl
höher denn je. Höchste Zeit also, die Gastgeber, ihr Haus, ihre
Sammlung und die kleine Veranstaltungsreihe endlich einmal offiziell
zur Kenntnis zu nehmen.
Ein Klassenraum mit Schulbänken, einer
Tafel und Lehrmitteln der vergangenen 150 Jahre erinnert an die
Vergangenheit der Schule. Der Rest des Erdgeschosses – drei Räume und
ein großzügiges Foyer – wie auch die weitläufigen Lehrerwohnungen
im ersten Stock gehören den 80 aufgebauten Marionetten- und
Papiertheatern und über 200 Marionetten. Die Papierfiguren sind
ungezählt. Natürlich findet man auch Scholz, Schreiber & Co.! Eine
Besonderheit liegt aber in den kleinen Papiertheatern tschechischer
Provenienz, die mit kleinen Stabpuppen statt mit Papierfiguren bespielt
wurden. Aktuell der größte Stolz der beiden sind eine vollständige und
erst vor kurzem erworbene Sammlung der beim spanischen Verlag Seix y
Barral erschienenen Theater, drei Original-Lithosteine aus dem
Schreiber-Verlag sowie zwei komplette Theater aus dem Nachlass des
Papiertheatersammlers und Röhler-Zeitgenossen Hans Wiesecke. (Vgl.
Christian Reuter in der WebZeitung Nr. 40).
Die Ausstellung lebt von ihrer
ungewöhnlichen Präsentation, die auch mal, ganz unorthodox, einzelne
Figurentypen des europäischen Puppenspiels auf einer einzigen Bühne
versammelt. Besonders spektakulär: Die Höllenszene mit bestimmt 30
Teufeln unterschiedlichster Größe und Provenienz, die den Besucher im
Foyer begrüßt! Die offene Präsentation und in historische Möbel
eingebaute Bühnen verleihen der Ausstellung einen wohnlichen Charakter;
einzeln aufgehängte Marionetten vermitteln zuweilen den Eindruck, der
Spieler habe sich nur kurz entfernt, um gleich weiterzuspielen. Eine
liebevoll gestaltete Märchenausstellung ist seit 2014 im ehemaligen
Lehrerzimmer untergebracht.
Die ursprüngliche Domäne des
sammelnden Lehrerehepaars war historisches Spielzeug. Dann kamen
Marionettentheater hinzu und schnell war der Schritt zum Papiertheater
als neuem Sammlungsschwerpunkt getan. Als die Sammlung 2012 endgültig
das Einfamilienhaus in Mainz zu sprengen drohte, stießen sie auf die
alte Schule in Schmiedebach, die nach der Wende bereits als privates
Schulmuseum betrieben worden war, und kauften sie.
In der ehemaligen Turnhalle der
Schule, dem heutigen „Salon“, ging es am Samstag zur Sache:
„Papiertheater - gestern - heute - morgen“. Neun Gäste, die meisten von
ihnen Papertheaterspieler, diskutierten unter der Gesprächsleitung
Penny Peils – nur eine ihrer vielen Rollen an diesem Wochenende –
jüngste Ereignisse und mögliche neue Projekte.
Das Wort hatte zunächst der Lithograph
Christian Müller. Der Steindrucker hat sich mit seiner Kunsthandlung im
Nachbarort Wurzbach angesiedelt und eröffnet dort in Kürze ein Museum
der historischen Drucktechniken. Herr Müller berichtete von dem
gemeinsam mit Peils verfolgten Plan, in der Region eine „Kultur- und
Papiertheaterstraße“ einzurichten. Er brachte ferner eine kleine
Auflage von zehn „Rübezahl“-Bogen mit, die er, nach erfolgreicher
Restaurierung, von einem der neu erworbenen Schreiber-Steine gedruckt
hatte.
Als es um die neuen
Papiertheaterfestivals in Wolgast, Vilsbiburg und Düren ging, wurde
auch deutlich, dass die Zahl der aktiven Papiertheaterspieler in
Deutschland kontinuierlich wächst. Die neuen Festivals bieten zwar auch
den Neulingen Auftrittsmöglichkeiten, wer aber Papiertheater spielt,
möchte auch öfter als ein- oder zweimal jährlich auftreten. Daher wurde
der Wunsch nach einer zentralen Vemittlungsstelle für
Papiertheaterspielende geäußert. Am spielerischen Nachwuchs wurde
allerdings bemängelt, dass viele (noch) nicht das Qualitätsniveau
erreichen, das auf dem Preetzer Festival seit Jahren vorgelebt wird.
Das Rahmenprogramm des Treffens
übernahm „Haases Papiertheater“. Unter großem Beifall präsentierte
Siglinde Haase im Alleingang am Freitagabend „Röntgen - ein Mann blickt
durch“. Das Ende des Treffens markierte „Sagten Sie Ägypten?“, ein von
Martin und Siglinde gespieltes Kriminalstück, das Preetz-Besuchern noch
in bester Erinnerung geblieben sein dürfte. Beide Veranstaltungen
erfuhren regen Besuch durch Freunde des Museums aus dem Schmiedebacher
Umland und setzten auch für diese neue Maßstäbe für die Qualität von
Papiertheater.
Schmiedebach könnte sich durch die
Initiative von Penny und Ludwig Peil in Zukunft zum festen
Begegnungsort und zur Ideenschmiede der Papiertheaterszene entwickeln.
Wir sollten dieses Angebot annehmen.
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Jubiläum
Zehn Jahre Belisa-und-Max-Papiertheaterromane!
von Uwe Warrach
Seit 2005 schätzen
Papiertheaterfreunde die Papiertheaterromane um Belisa und Max, fünf
sind es inzwischen, jeder für sich abgeschlossen und einzeln
verständlich. Darin erleben wir, wie zwei Kinder (im ersten Band 6 und
10 Jahre alt, im fünften 13 und 17) das Papiertheater kennen lernen
und, gemeinsam mit ihren Großvätern, zum Volkssport in ihrer Stadt
machen. Sie begegnen der Königin Margarethe von Dänemark, die auch eine
Papiertheaterspielerin ist, müssen sich gegen Intrigen von Neidern
wehren und besuchen die Papiertheaterakademie im Kopenhagener Tivoli,
wo sie Hans Christian Andersen treffen. Sie werden Opfer des großen
Bühnendiebstahls von Preetz, kämpfen gegen einen bösen reichen Mann,
der das Papiertheater hasst und treffen auf Zeitreisen Goethe, Schiller
und Shakespeare.
Zu hören und zu lesen in Hörbüchern des Verlags www.verlag-iris-foerster.de oder e-books für Kindle bei amazon.
Die Hörbücher kosten als Doppel CDs je 9.95 € im Buchhandel:
Das Papiertheaterschiff (ab 6 J.)ISBN 978-3-938812-52-5
Papiertheaterakademie (ab 8 J.) ISBN 978-3-938812-53-2
Die Bühnen-Räuber (ab 10 J.) ISBN 978-3-938812-54-9
Wer will uns den Himmel rauben?! (12-90 J.) ISBN 978-3-938812-55-6
Wo steckt Shakespeare? (ab 12 )ISBN 978-3-938812-58-7
Was geschah damals wirklich auf Opa Reinhards Bühne?
(Erscheint im Herbst 2015; siehe Extra-Beitrag)
- bei Papiertheaterveranstaltungen der Papieroper am Sachsenwald und
beim jährlichen Internationalen Papiertheatertreffen in
Preetz/Schleswig- Holstein für 5 € zugunsten des Preetzer
Papiertheatertreffens, ebenso bei Bestellungen an
papieroper@t-online.de, ggf. zuzüglich Versandkosten.
Der Preis für ein e-book liegt bei 3,80 €.
Wer lieber „auf Papier“ liest, kann die Geschichten einfach broschiert
für 5 € von der Papieroper am Sachsenwald über papieroper@t-online.de
beziehen und unterstützt auch damit das Preetzer Papiertheatertreffen.
Außerdem bietet die Papieroper am
Sachsenwald ihre Libretti zum Nachspielen an, broschiert und ebenfalls
für 5 € über papieroper@t-online.de, zugunsten des Preetzer
Papiertheatertreffens:
Die Räuber-Oper nach Schiller/Verdi/Bonfire
Die Sache mit dem Stern, ein etwas eigensinniges Krippenspiel
Götter, Drachen und Germanen – Wagners Ring in einer guten Stunde
Die Banditenoperette oder Klauen aus Leidenschaft, nach Jacques Offenbach
Scrooooge!!!!! – nach Christmas Carol von Charles Dickens
Moin Moin, Herr Hofrat , erscheint im Herbst 2015.
Weitere Informationen:
www.verlag-iris-foerster.de, www.papiertheater.eu, kontakt@verlag-iris-foerster.de;
Papieroper am Sachsenwald: Uwe Warrach, Krabbenkamp 69, 21465 Reinbek;
Telefon: 494104/4062; papieroper@t-online.de
Das PapierTheater Nr.41
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Juni 2015
Vorschau
Liebe Freundinnen und Freunde von Belisa und Max!
Ihr habt einige oder vielleicht alle
fünf Papiertheaterromane um Belisa und Max gelesen oder gehört und mit
dem Kauf der Hör-und Lesebücher rund 3.000 Euro gespendet, die in
voller Höhe dem Preetzer Papiertheatertreffen und dem Verein FORUM
Papiertheater zugute gekommen sind. Dafür vielen Dank! Weitere rund 500
Exemplare der Hör- und Lesebücher wurden verschenkt, z.B. an Kinder
unter den Besuchern und zur Werbung für die Idee des Papiertheaters.
Der fünfte Roman „Wo steckt
Shakespeare?“ hatte der letzte sein sollen – nun kommt doch noch einer:
zum Preetzer Papiertheatertreffen 2015 erscheint „Was geschah damals
wirklich auf Opa Reinhards Bühne?“ Was soll das nun? Ist das so wie mit
den Bühnenkünstlern, die nach ihren Abschiedsvorstellungen immer wieder
auftauchen? Denn eigentlich sollte eine Geschichte, wenn sie zu Ende
ist, auch zu Ende bleiben. Doch wie das so ist: Wer ein Buch sehr gerne
gelesen hat, kennt das: man vermisst danach die Personen, mit denen man
einige Tage oder gar Wochen verbracht hat. Wie erst der Autor! Sie
wachsen ihm aber nicht nur ans Herz, sondern manchmal auch über den
Kopf. Sie beherrschen ihn manchmal mehr als er sie. Bisweilen steigen
sie mittendrin aus, wehren sich gegen die Handlung. Oder kommen
unangemeldet zurück wie der Bösewicht Richard Schwan alias Erik Kathan.
Wenn man glaubt, dass man Ruhe hat,
kommen sie irgendwann und löchern den Autor mit Fragen: Wie es denn
nun eigentlich genau gewesen sei mit der Schinkel-Bühne, über
deren Herkunft man ja seit dem vierten Roman mit dem Titel „Wer will
uns den Himmel rauben?“ grundsätzlich orientiert sei, aber doch
wiederum recht oberflächlich. Und ob Oma Potts Befürchtung eingetroffen
sei, dass mit dem Großwerden ihrer „Papiertheaterkinder“ diese schöne
Zeit unwiderruflich vorbei sei. Ach ja, und vor allem: Hatte Opa
Reinhard damals Belisa und Max wirklich die Wahrheit gesagt über „das
Merkwürdige“? Zweifel seien angebracht.
Nun, das kann nur er selbst erzählen,
nur er kann zurückgreifen auf die Herkunft der Schinkel-Bühne, die im
4. Roman schon einmal anklingt: die Geschichte einer verbotenen Liebe
zwischen seinem, Opa Reinhards Großvater und einer Gutsherrntochter um
die Jahrhundertwende, und zwar die vorvorige. Ein Zeitraum von rund 130
Jahren ist zu umfassen.
Und so haben sie, Belisa, Max und Oma
Pott Reinhard Wegener überredet, das zu erzählen, worüber er
besser als alle anderen bescheid weiß, zumal dann etwas geschah, das
die ganze Sache noch mal ins Rollen brachte.
Das Buch ist fast fertig und soll
zumindest als Hörbuch zum Preetzer Papiertheatertreffen erscheinen, zum
üblichen Preis von 5 € und, wie immer, zu seinen Gunsten.
Euer Uwe Warrach