Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
die Frühlingsausgabe der Webzeitung steht unter dem Motto: „Finden“
Christian Reuter hat sich auf die Suche in den Weiten des Internets
gemacht und traf dabei auf die Lösung der Frage zum Titelbild unserer
Zeitschrift Das PapierTheater Nr. 19 aus dem Jahr 2001. Nach einem
Jahrzehnt konnte das Geheimnis des Titelbilds gelüftet werden.
Uwe Warrach fand nicht nur einen interessanten Artikel zum Thema
„Papiertheater“ im Kölner Stadtanzeiger - er konnte auch noch die
Zustimmung zum Abdruck in unserer Zeitung einholen.
Viel Vergnügen bei der Lektüre!
(mf)
INHALT – Nr. 21 – Mai 2011
Fundsache gefunden
Eine Auffindung von Christian Reuter
Seite 2
Applaus für Pappkameraden
Von Katharina Blass Seite 3
alle Ausgaben
Das PapierTheater Nr.21
SEITE 2
Mai 2011
Zeitschrift PapierTheater Nr. 19
Fundsache
gefunden
Eine Auffindung von Christian Reuter
Titelseite
Papiertheater Nr. 19 September 2001
Leser/innen unserer ehemaligen Zeitschrift
PAPIERTHEATER erinnern sich vielleicht noch an die Ausgabe Nummer 19
von September 2001 mit dem obigen Titelbild und dem Editorial von
Christian Reuter und Norbert Neumann. Die darin angekündigte Suche nach
dem Maler Karl Oscar Pietsch, Reichenbach war inzwischen erfolgreich.
Nach der Entdeckung des Papiertheaterspielers Carl Orff durch Volker
Schulin (WebZeitung März 2011) nun also:
Betrifft: PapierTheater-Titel Nr. 19 vom September 2001
Leider konnte das auf dem Titel der
Zeitschrift PapierTheater Nr. 19 vom September 2001 abgebildete Gemälde
aus dem Filmmuseum Düsseldorf nicht für die Ausstellung „Vorhang
auf! Die kleine große Welt des Papiertheaters
“ vom 20.2.-25.4.2011 im
Clemens-Sels-Museum in Neuss ausgeliehen werden 1). Das Original
habe ich mir noch einmal genau angesehen, um das fast unleserliche
Signum „Pietsch-Reichenbach
“
zu verifizieren.
Die damaligen Recherchen im
Thieme-Becker u.a. ließen zwar den Maler Oskar Pietsch finden, geboren
1895 in Breslau und ausgebildet in Dresden, aber ein Bezug zu
Reichenbach, was in Schlesien oder im Vogtland nahe liegen konnte, ließ
sich nicht ausmachen, ebenso andere Bilder des Malers.
Doch das Rätsel des Titelbildes
scheint weit gehend gelöst zu sein; das Internet macht inzwischen
vieles möglich.
Ich habe den Maler auf der Webseite
der Gemeinde Reichenbach in Oberstdorf, also im Allgäu, gefunden und
kann jetzt seine Lebensdaten ergänzen und korrigieren.
Karl Oscar Pietsch wurde am 24. 10 1864 in Breslau geboren. Er
heiratete nach seiner Ausbildung (1888-1890) in Dresden 1891
Clara Daubert. 1904 wurde ihre Tochter Lise (Johanna Klara Elisabeth
Erika) in Klotzsche (heute Stadtteil von Dresden) geboren.
1919 kaufte die Familie in Reichenbach ein Haus, das sie zum „Landhaus
Pietsch
“ umbauten. 1951
feierte das Ehepaar die diamantene Hochzeit. Oscar Pietsch starb
dann dort 1952.
In dem Haus, das die Tochter weiterhin bewohnt hatte, hängen noch
einige seiner Gemälde. Das Bild der lesenden Familie ist in seiner
naturalistischen, fast fotografischen Genauigkeit stilistisch mit dem
Papiertheaterbild vergleichbar.
As rechten Bayern zeigt den Maler das
Foto, das seine Tochter von ihm gemacht hat. Es wundert nicht, dass
sich der Künstler mit seinen Themen auf die ihn dort umgebende
Landschaft konzentriert hat, wie ein Gemälde und der Werbeprospekt in
seinem Haus zeigen. Diese Bilder kann man auf der Seite des Ortes
"www.reichenbach-im-allgaeu.de/historisches/
maler-karl-oscar-pietsch"
sehen, woher auch die hier gezeigten Bilder übernommen sind.
Seit der Identifizierung der auf
besagtem Bild abgebildeten Figuren zu „Die Reise um die Erde in 80 Tagen
“ wissen wir, dass unser
Theaterbild nicht vor 1895 entstanden sein kann, da diese erst in dem
Jahr vom Schreiber-Verlag, Esslingen, herausgegeben wurden. Das Signum
Pietsch- Reichenbach wird der Maler aber sicherlich erst nach seinem
Wohnortwechsel benutzt haben, denn mit „Oscar Pietsch
“ hat er seine Bilder vorher
gekennzeichnet. So ist anzunehmen, dass das besagte Bild erst in den
1920er Jahren entstanden ist, nachdem er sich in Reichenbach
niedergelassen hatte und den Ortsnamen an den seinen anhängte. Es ist
nicht ausgeschlossen, dass er rückblickend sich selbst als kindlichen
Spieler gemalt hat. Ob das opulente Theater dann doch in seinen
früheren Domizilen Breslau oder Dresden anzusiedeln ist, wie wir
ursprünglich annahmen, bleibt also noch offen.
1) Im Museum für populäre Druckgraphik „FELD-HAUS
“ (Insel Hombroich) werden bis zum
16. Oktober ergänzend über 75 Bogen etc. aus den Sammlungen Dr. Irmgard
Feldhaus und C. Reuter ausgestellt. (Öffnungszeiten Sa/So 11-17 Uhr)
Stichwort
Zeitschrift Papiertheater Nr. 19 (zum vergrössern bitte bild anklicken)
Das PapierTheater Nr.21
SEITE 3
Mai 2011
Applaus für Pappkameraden
von Katharina Blass (abgedruckt im Kölner Stadtanzeiger vom
25.02.2011)
Papiertheater -
Bundesweit einmalige Aufführungen in Solingen -
Ausstellungen in Neuss
Solingen. Der Vorhang öffnet
sich. Es donnert und blitzt auf der Bühne, Nebel breitet sich aus, und
begleitet von Klaviermusik beginnt der Gesang. Die Darsteller betreten
die Kulisse, aber etwas ist anders als sonst im Theater: Die
Schauspieler sind aus Papier, unbeweglich und nur zehn Zentimeter groß.
Peter Schauerte-Lüke ist Intendant des deutschlandweit einzigen
öffentlichen Papiertheaters. Der Kölner inszeniert seit 10 Jahren auf
Schloss Burg bei Solingen Opern, Märchen und Schauspiele in dem kleinen
Guckkasten aus buntem Papier. „Das Papiertheater ist die
Playstation des 19. Jahrhunderts
“,
sagt Schauerte-Lüke. „Das gehobene Bürgertum holte sich damit die
großen Opern ins Wohnzimmer.
“
Schauerte-Lüke baut die Papiertheater selbst, seine historischen
Modelle sind Sammlerstücke. Die Papiertheater-Bastelei sei ein weites
Feld mit vielen unterschiedlichen Ursprüngen, Traditionen und
Macharten, aber die Grundidee sei überall die Gleiche. Auf einer 80
Zentimeter breiten und 60 Zentimeter hohen Bühne erweckt er die Figuren
zum Leben. Von der Seite schiebt er die Papierschauspieler, die auf
einer Holzleiste befestigt sind, durch die Kulissengassen in das Bild
hinein und zieht sie wieder heraus. Dazu gibt er allen Figuren seine
Stimme, wechselt die Bühnenbilder und steuert die Spezialeffekte.
„Da ist echtes Multitasking gefragt
“,
sagt der mittlerweile routinierte Spieler. Der Spielraum ist einen
Meter tief, über einen Schnürboden lassen sich Kulissen ganz anheben,
so dass weitere dahinterliegende Bühnenbilder sichtbar werden. „Im
Vordergrund stehen die Figuren und deren Handlung. Über den Schnürboden
kann ich aber zum Beispiel alle Bilder gleichzeitig anheben und den
Blick auf einen brodelnden Vulkan oder den Himmel freigeben.
Dadurch erhält die Bühne eine
beeindruckende Tiefe
“,
so der Puppenspieler. Die Figuren stammen - wie im 19. Jahrhundert -
aus kolorierten Ausschneidebögen. Die Vorstellungen im Burgtheater
zeigen, dass die Kombination von zweidimensionalen Puppen im
dreidimensionalen Raum einen ganz besonderen Charme entwickeln.
Zwischen liebenswürdiger Biedermeierromatik und der Erkenntnis, dass es
keiner großen Inszenierung bedarf, um an den alten Opern Gefallen zu
finden.
Das Papiertheater lebe vor allem von
der Reduktion auf wenige Grundelemente, die die Fantasie der Zuschauer
anregen, findet Schauerte-Lüke. „Wegen der Verkleinerung und der Statik
der Figuren denken viele, die das Theater nicht kennen, dass diese Form
der Unterhaltung heutzutage nicht mehr funktioniert. Aber das Gegenteil
ist der Fall.
“ Sein Theater
bietet 35 Zuschauern auf rot bezogenen Samttheatersesseln aus den 50er
Jahren Platz.
„Die meisten Stücke streiche ich auf 60 bis 80 Minuten zusammen, viel
länger kann man nicht in den kleinen Kasten gucken.“
Peter Schauerte-Lüke kam in den 70er
Jahren zum Papiertheater. Damals betrieb er eine Buchhandlung in
Lübeck, und ein befreundeter Kunde brachte das erste Exemplar aus
England mit. Mittlerweile hat er 22 Stücke im Programm und spielt bis
zu vier Aufführungen an einem Wochenende. Aus dem Effeff kann er
Mozarts „Zauberflöte
“
und den „Freischütz
“
von Carl-Maria von Weber spielen. Sogar die Arien singt er selbst in
der Tonlage eines „Bassbaritons mit tenoralen Möglichkeiten
“ , wie er sich selbst beschreibt.
Außerdem singt er das Zauberflöten-Solo der Königin der Nacht mit
Kopfstimme.
2001 machte Schauerte-Lüke sich mit
seinem Puppentheater selbstständig, fünf Jahre spielte er auch einmal
in der Woche in Köln. „Es ist schon lustig, hier in Köln konnte ich
nicht vom Papiertheater leben, aber auf Schloss Burg kommen die meisten
Zuschauer aus Köln
.“
Bild: Clemens-sels-Museum Neuss
bild: DPa