30. Dezember 2018
Haases Papiertheater und der Versuch, auf einem alten Theater historisch zu spielen
„Es war einmal …“
von Sieglinde Haase
Wir stiegen mit der Premiere von „Dornröschen“ im Dezember 2018 nicht nur durch die Dornenhecke, sondern betraten auch Neuland. Es reizte uns, eine Aufführung wie in alten Zeiten zu spielen, ohne special effects, wie man es sonst von uns kennt. Wir tauschten unsere Bühne gegen ein altes Schreiber-Theater von ca. 1900 und lasen aus dem originalen Textheft vor. Die Musik dazu lieferte ein altes Polyphon mit Blechplatten.
Doch während der ersten Probe erwachten wir aus dem Dornröschenschlaf und merkten, dass unser Vorhaben gar nicht so einfach war. Das alte Theater war – so vermuten wir – nicht zum Spielen gedacht, sondern wohl eher zur Präsentation der schönen Bühnenbilder. Viele Holzleisten im Bühnenaufbau waren beim Spielen ein Hindernis.
Eigentlich wollten wir bei Kerzenlicht spielen, doch auf der Bühne war es zu eng für Figuren und Flammen.
So hieß es erst einmal improvisieren statt inszenieren.
Für mich war es eine ungewohnte Aufgabe, sechs verschiedene Figuren zu spielen und allen meine Stimme zu verleihen. Obwohl die Zuschauer von der alten Spielweise fasziniert waren, konnte ich mich mit dem Sprechen nicht so recht anfreunden. Am Ende leuchtete die Bühne doch nochstimmungsvoll im Kerzenschein. Kinder und Erwachsene schauten gebannt zu.
Der Versuch ist geglückt, auch wenn nicht alles perfekt war.
Die nächste Premiere wird wieder ein typisches Stück aus dem Hause Haase sein, mit Tricks und Effekten … lassen Sie sich überraschen!
Das Theater
Die Eigentümerinnen des Theaters waren die Mathematikerin Dr. Amelie W. und ihre Schwester Hilde W., eine talentierte Violinistin, wohnhaft in Prag. Möglicherweise hat der Vater der beiden Frauen das Theater gebaut. Eine Anleitung zum Einräumen in den Bühnenkasten trägt die Initialen E.W. Sie ist von 1924 und in Sütterlin-Schrift verfasst. 1939, nach der Besetzung Prags durch die Wehrmacht, kamen beide Lehrerinnen mit ihrem Vater, einem Bankier, nach Stuttgart.
2017 bot uns eine Nichte das gut erhaltene und sorgfältig gearbeitete Schreiber-Theater zum Kauf an. Dazu gehören 14 Szenenbilder, über 100 Figuren, Farbfolien, Transparente, Soffitten und Texthefte. Mit den vorhandenen Kulissen konnte man jedoch kein komplettes Stück spielen, was unsere Vermutung bestätigt, dass das Theater nicht zum Spielen gebaut wurde. Durch den Erwerb von alten Lithografien konnten wir fehlende Szenenbilder originalgetreu ergänzen und u.a. Dornröschen aufführen.