20. September 2021
Dirk Reimers tritt von der Organisation des Preetzer Papiertheatertreffens zurück
Nachruf zu Lebzeiten
Von Uwe Warrach
„UND DANN KAM PREETZ! Ach, wie haben wir das heute größte Internationale Papiertheatertreffen der Welt in seinen Anfängen unterschätzt! Danke, Dirk Reimers, dass du deinen norddeutschen Dickschädel durchgesetzt hast. Ohne das Preetzer Treffen wäre die Papiertheater-Renaissance wohl doch ein kurzes Feuerwerk geblieben…“
(Norbert Neumann in DAS PAPIERTHEATER Nr. 31, März 2013)
Eröffnungsveranstaltung zum 34. Preetzer Papiertheatertreffen: Inga Feldmann überreicht Dirk und Barbara Reimers einen Koffer, der später mit Erinnerungen und Abschiedswünschen von Spielern und treuen Besuchern aus aller Welt gefüllt wird.
Die Eröffnung des ersten Nach-Corona-Papiertheatertreffens am zweiten September- Wochenende 2021 war ganz anders als sonst, nicht nur wegen des kleineren Besucherkreises Sie hatte einen gewichtigen Schwerpunkt, der wohl uns allen nahe ging: Dirk Reimers’ Verabschiedung als Gründervater des Preetzer Papiertheatertreffens, nach 34 Jahren. Sie besiegelte feierlich diese seine Zeit, mit offiziellen Dankesgrüßen, vielerlei Abschiedsgeschenken und spürbarer Wehmut bei den Geehrten, Dirk und Frau Barbara, sowie bei Spielern und Publikum.
Nachrufe sind immer heikel, aber ich muß ja nicht alles selber schreiben, ich greife erst mal zurück auf einen Kollegen, der Dirk in seiner Preetzer Rolle fast von Anfang an erlebte, das heißt viele Jahre früher als ich. In seinem Artikel über das 20. Preetzer Papiertheatertreffen im September 2007 hatte sich Norbert Neumann erinnert:
„Ich weiß noch genau, wie ich – sozusagen mit spitzen Fingern – zum ersten Mal das vhs/Schulgebäude betreten habe. Ganze fünf Bühnen auf dem Programm, alles Deutsche aus der näheren Umgebung. Die meisten kannte man ja schon von den Kieler Papiertheater-Veranstaltungen der letzten Jahre: Papier-Puppen-Theater Dirk Reimers. Der rannte damals und noch etliche Jahre aufgeregt mit Hemdschlapp aus der Büx hängend rum; Hüter der reinen Papiertheaterlehre und zumindest einer der Väter der Mutter aller Papiertheater-Schlachten (sprich Treffen).“ (DAS PAPIERTHEATER Nr. 3, September 2007)
Ich habe Dirk erst Anfang der 2000er Jahre kennengelernt, als einen jener Art, die an sie heran getragenen Fragen oder Bitten manchmal knurrend bis scheinbar abweisend begegnen aber, ehe man sich versieht, einem schon weiter geholfen haben. Als ich ihn ansprach, selbst mal in Preetz spielen zu wollen, mich aber scheute, weil Norbert immer viel an meinen Inszenierungen auszusetzen pflegte, erwiderte er knapp: „Ob du in Preetz spielst, das entscheidet nicht Norbert, das entscheiden wir beide.“ So begann es mit mir und dem Spiel in Preetz. Solche Sätze schaffen Grundvertrauen, und das behielt ich bis heute.
2010 machte ich mit Dirk ein Interview (DAS PAPIERTHEATER Nr. 17/September 2010); dabei tat er einen Blick zurück:
Begonnen hat es mit einem Besuch in Priors Dukketeater Museum in Kopenhagen vor fast 30 Jahren. Die gemeinsame Neugierde von meiner Frau und mir haben dort das Interesse geweckt; einige Jahre später ein Besuch des Papiertheaterfestivals in Kiel und die Mitgliedschaft im dänischen Papiertheaterverein haben uns dann den „Rest“ gegeben.
Und wie und wann wurde daraus die Institution des Preetzer Papiertheatertreffens?
Das begann mit einer vorlauten Bemerkung nach eine Papiertheatervorstellung in Preetz. Das Papiertheater Krope aus Kiel zeigte „Die Kluge“ im Rahmen einer Veranstaltung der Volkshochschule. Der Ausspruch: „So etwas müssten wir öfters in Preetz haben“ reizte mich zu der Antwort: „Ich kenn da einige“, und schon ging es nach dem Motto „Na, dann mache Sie mal!“
Was daraus wurde, war auch Gegenstand der Verabschiedung am 11. September 2021. Die fatale Auswirkung von Corona auf Preetz 2020 hatte Dirk spürbar zugesetzt. Der Macher des Preetzer Papiertheatertreffens war danach nicht mehr ganz derselbe. Zwar gab es 2020 die gelungene Internet-Retrospektive, aber das war ja nun eigentlich „kein Papiertheater mehr“. Die Hoffnung setzte Dirk auf 2021, aber lange blieb auch das ungewiß. Ein bißchen trotzig antwortete er auf meinen Artikel über das „Herzeleid“ der frustrierten Intendantinnen und Intendanten: „Das Herz hat einen Schrittmacher!“
Ein krönendes Abschlußtreffen mit der Übergabe an eine Nachfolge im eigentlichen Sinne fiel „höherer Gewalt“ zum Opfer, der Pandemie, aber vielleicht hätte Dirk das auch gar nicht so wichtig gefunden, mir scheint, er hat sich selbst sowieso nie so sehr wichtig genommen. (Das taten andere.) So fiel zwar nun ein Vorhang, aber nicht alle offenen Fragen können heute beantwortet werden, und selbst Dirk wird ihn gewiß noch mal lüpfen, denn Pollidor will weiter spielen.
In günstigen Fällen hängt ein Amt, eine Funktion fest an der bestimmten Person, die es gestaltet hat, so wie hier. Und an die wird man sich immer erinnern, gleich, was danach kommt. Zum Abschluß noch ein Zitat aus dem Interview mit Dirk:
„Nach dem, ich glaube 2.Treffen, hat man zu mir gesagt: „Sie werden keine neuen Bühnen finden und schon gar nicht neue Stücke.“ Die Feststellung hat mich gereizt und nun die Antwort: Das 23. Treffen im Jahr 2010.“
Oder heute: Das 34. und das im Corona-Jahr 2021. Und das 35. in 2022 …