Forum Papier­theater e.V.

20. April 2021

Kommentar zur aktuellen Papiertheater-Lage

Der Autor spielt mit seiner „Papieroper am Sachsenwald“ seit 2001 Papiertheater. Im selben Jahr trat er dem Verein bei und hat seitdem etwa 12 Stücke inszeniert. Außerdem sind von ihm unter anderem sieben „Papiertheaterromane“ erschienen*.

 

Was tun?

von Uwe Warrach

 

Aus dem Protokoll unserer Mitgliederversammlung am 7. März nebst aktueller Mitgliederliste 01/2021 ergibt sich, daß der Verein Forum Papiertheater aktuell 96 Mitglieder hat; weitere 6 Austritte werden zum Ende dieses Jahres wirksam, macht noch 90 Mitglieder. Gegenüber dem Verzeichnis von 2012 mit 123 Mitgliedern ist das ein Schwund von 27 % oder gut einem Viertel. Binnen zehn Jahren. Nachwuchs ist nicht in Sicht.

Die genannten 6 Austritte stehen zumindest zum Teil im Zusammenhang mit der Neugestaltung des Papiertheatermuseums in Hanau. Dem Vernehmen nach geschah ihr Austritt in einem gewissen Unfrieden. Es handelt sich bei ihnen um sehr langjährige Freundinnen und Freunde von uns, um es mal weniger technokratisch auszudrücken. Was ist da geschehen?

Nächster Punkt: Ebenso aktuell wie der Mitgliederschwund ist die Corona-Krise, die auch uns erfaßt hat: Kein Preetz 2020, ungewiss, ob 2021, gleiches gilt für andere Treffen. Wir sehen uns also noch seltener als sowieso schon. Und wir sind ein „alter Verein“, nicht nur an Jubiläumsjahren, sondern, vor allem, an durchschnittlichem Lebensalter. Es ist wohl mit „60“ kaum übertrieben. Klein an der Zahl, groß in den Entfernungen voneinander, ist die Zusammenhangskraft von jeher gering. Gedankenaustausch findet über einzelne persönliche Kontakte hinaus praktisch nicht statt, nicht mal in unseren Publikationen.

Letzteres ist auf die Redaktion delegiert, die aus einer Person besteht. Kein Wunder, daß unser Druckwerk nur in weiten Abständen erscheinen kann und daß unser Internetauftritt kaum angeklickt wird. Neuigkeiten entnehmen wir der dänischen Internetzeitung EPT, manche schreiben auch gerne dort, weil die schnell sind. Falls sich nun das Vereinsleben, wie in der letzten Mitgliederversammlung herauszuhören war, weitgehend auf die Pflege eines Museums in der Provinz beschränkt, dann wären wir wohl besser ein Museumsverein. Ich weiß: Die Urgeschichte, die Satzung, das Immaterielle Kulturerbe — aber was soll mir das, was bedeutet es für den Zusammenhalt von uns Kleinkünstlern mit dem Anspruch, anderen und sich auf kreative Weise Freude zu bereiten und zu verbreiten? Im Spiel eben. Ach ja, die Sammler. Treffen sie sich regelmäßig in Hanau? Oder wo? Verbreiten sie den „Gedanken des Papiertheaters“ in der Welt?

(Übrigens: In Preetz gibt es auch ein Papiertheatermuseum.)

Nun kann man in einer Nische, einer sehr kleinen (siehe oben), aber auch glücklich sein. Es kommt auf den Anspruch an. Von diesem Gedanken zu der Frage: „Was soll mir der Verein überhaupt?“ ist es nur ein kleiner Schritt. Früher war es für manch einen Norbert Neumanns „Blättchen“, waren es Berichte über Preetz und andere Treffen, aber die kann ich auch so genießen, dazu brauche ich keinen Verein.

Was will ich mit alledem sagen? Daß wir am Ende sind? Oder daß wir einfach nur auf das Ende von Corona zu warten brauchen und darauf, daß dann alles gut wird und dem entstandenen Nichts „ein neuer Zauber innewohnt“? Gut, hier konnte ich aufhören; Affe tot, Bude zu.

Standbild aus dem Beitrag des Autors zum Zweiten Online-Papiertheaterfestival: „Bühnenbesichtigung“ (zum Vergrößern auf das Bild klicken)

 

Oder, nun kommt’s, könnten wir uns aus diesem Verharren zwischen Resignation und Optimismus zu einem alternativen Medium hindenken, und zwar einem, das naturgemäß auch für den vermissten Nachwuchs vielleicht interessant sein könnte. Den wird man eher über YouTube erreichen als im Hanauer Museum. Dirk Reimers und Ina Feldmann hatten 2020 für das ausfallende Preetzer Treffen eine Online-Version sozusagen zum Trost geschaffen und auf internationale Projekte aufmerksam gemacht, Robert Jährig hat zwei Online-Festivals gestartet, weitere Beispiele findet man z.B. bei YouTube.

Die beiden Online-Festivals erreichten ein weitaus größeres Publikum als jedes Preetzjahr. Zugegeben, das „Präsenztheater“ ist irgendwie muckeliger, aber das geht ja jetzt nun mal nicht, und die hohen Zuschauerzahlen sind auch eine Art von Applaus. Vielleicht (man hört ja nix) machen einige sich über die teilweise noch sehr anfängerhaften Ergebnisse lustig, oder mancher scheut die Videotechnik oder andere verzetteln sich in der alten „Das-ist-doch-kein-Papiertheater-Diskussion“. Zu letzterem Thema hat Rainer Sennewald kürzlich unter „aktuell“ ein faszinierendes Unternehmen vorgestellt, allein der dortige Trailer zu „Dante’s Inferno“ Grund genug, sich mit diesen Möglichkeiten zu befassen, die natürlich nicht die Anmut des klassischen Papiertheaters mit Publikum erreichen können, dafür aber mit ganz anderen Dimensionen anrücken.

Ja, ja, die Ergebnisse der beiden Online-Festivals des Papiertheaters Heringsdorf sind noch, gelinde gesagt, verbesserungsfähig. Das ist immer am Anfang so (eben die Sache mit dem Zauber), aber sie treffen auf die oben angeschnittenen Fragen: Wo stehen wir? Wohin wollen wir? Wie gehen wir miteinander um? Worauf warten wir? Was könnte der Verein leisten? Was tun?

*Der Erlös aus dem Verkauf der „Papiertheaterromane“ ging an den Papiertheaterverein und das Preetzer Papiertheatertreffen. Sie sind jetzt zu beziehen über amazon.