Forum Papier­theater e.V.

26. Februar 2021

Papiertheater und Video

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift PapierTheater erklärt Uwe Warrach auf unterhaltsame Weise, wie auch Anfänger die technischen Hürden einer Videoproduktion überwinden können. In Ergänzung ein paar Gedanken zu Gestaltung und Stil.

»Ist das noch Papiertheater?«

von Rainer Sennewald

In Zeiten der aufführungslosen Pandemie überlegen sogar eher konservativ gesinnte Spieler, wie sie ihre Stücke auf dem Bildschirm zeigen können.

Die naheliegende Form, wenn es um das klassische »Guckkastentheater« geht, ist die frontal abgefilmte Aufführung. Doch bei manchem Theaterbetreiber erwacht schneller als gedacht der Ehrgeiz, mit filmischen Mitteln der fehlenden live-Qualität zu begegnen.

Um das Wesen der Inszenierung zu erhalten, lohnt es sich, vor dem Projekt »Video von meiner Aufführung« zu überlegen, wo die Grenzen dieser Produktion liegen sollen.

Eher Dokumentation oder eigenständiger Film?
Verändere ich das Licht?
Nehme ich den Ton separat auf?
Bewege ich die Kamera für Nahaufnahmen und andere Blickwinkel?

Jeder, der dies schon einmal ausprobiert hat, weiß, wie faszinierend es ist, eine Kamerafahrt durch die sorgfältig ausgeleuchtete Bühne mit ihren aufgestellten Figuren zu unternehmen.

Je nach Ambition ist es sinnvoll, ein regelrechtes Drehbuch zu schreiben, in dem Kameraeinstellungen und von der zugrunde liegenden Inszenierung abweichendes Licht geplant und notiert werden.

Ist alles aufgenommen, beginnt der Schnitt, der natürlich viel mehr sein kann als ein bloßes Zusammenschneiden.

Kleine Pausen, die eine Live Aufführung geradezu beleben können, werden im Video möglicherweise als Längen empfunden und können gelöscht werden.

Überblendeffekte statt Umbauatmosphäre? Titel und Abspann aus dem vorgefertigten Fundus der Software? Hier wird es schnell kitschig. 

Nicht jede live-Passage erzielt im Film ihre Wirkung, und man kann entdecken, wieviel Spaß es macht, entsprechende Animationen zu entwickeln.

Unter »Papiertheater/Video« gibt es links zu verschiedenen Papiertheater-Videos, auf Robert Jährigs erstem Onlinefestival sind weitere zu sehen – und beim ersten großen Online-Papiertheaterfestival von Great Small Works erleben wir eine Vielfalt an Aufführungen, erfrischend locker produziert und präsentiert – unter »Papiertheater/Festivals« sind alle Festival-Tage abrufbar.

Im Folgenden die Empfehlung für eine wahrhaft gigantisch-fantastische professionelle, abendfüllende Papiertheater-Filmproduktion: »Dante’s Inferno« aus dem Jahr 2008.

Der Film kann auf der auf YouTube angesehen werden, allerdings in lausig schlechter Auflösung:

Dante’s Inferno auf YouTube

Es lohnt sich aber, den Trailer in besserer Auflösung zu gucken:

https://vimeo.com/47399494

Die Idee: Eine klassische Filmproduktion mit Schauspielern und Drehorten aus Papier, in lupenreiner Papiertheatertechnik in Szene gesetzt und bewegt.

»Head-Puppeteer« Paul Zaloom berichtet, dass während der Dreharbeiten viele der zunächst in Standard-Größe gefertigten Figuren durch wesentlich kleinere ersetzt werden mussten, um die Illusion von Weite realisieren zu können (siehe Abbildung oben). Auf der Website dantefilm.com kann man sich eine Inhaltsangabe und die Liste der gesamten Filmcrew ansehen.

 

zum Vergrößern das Bild anklicken

Dante’s Inferno

… spielt seit über 700 Jahren eine bedeutende Rolle in der Welt der Kultur. Es wurde jedoch noch nie mit exquisit handgezeichneten Papierfiguren interpretiert, die mit rein handgefertigten Spezialeffekten zum Leben erweckt wurden. Bis jetzt. Entdecken Sie diesen literarischen Klassiker wieder, der in einer Art apokalyptischem Comic nacherzählt wurde und auf das Papiertheater der viktorianischen Ära trifft. Dantes Hölle wird in einem düsteren, komödiantischen Reisebericht über die Unterwelt zu einem grellen dreidimensionalen Papierleben erweckt – vor einer nur allzu vertrauten städtischen Kulisse aus Gebrauchtwagen-Arealen, Wohnanlagen, Einkaufszentren und dem US-amerikanischen Kapitol. Und bevölkert mit einer Besetzung zeitgenössischer Schurken, darunter berühmte und berüchtigte: Politiker, Präsidenten, Päpste, Zuhälter – und dem Prinzen der Finsternis selbst.

(Übersetzung des Einführungstextes auf der vimeo-Website)